Читать книгу Mutti, warum hast du mich nicht lieb? - Gabi P. - Страница 8
Bald bin ich ein Schulkind! ...
ОглавлениеIch war schon lang vor meiner Einschulung sehr aufgeregt und fühlte mich sehr erwachsen. Schließlich war ich schon fast 6 Jahre alt! Und das bedeutete, dass „der Ernst des Lebens“ bald losgehen würde, wie Oma immer sagte. Da die Schule direkt gegenüber vom Spielplatz lag, stand ich oft am Zaun und sah hinüber zu der Schule in die ich nun bald gehen würde. Bald ...
Es gab vor der Einschulung eine Untersuchung. Unter anderem wurde auch getestet, ob man schon geeignet war für die Schule, oder ob das große Ereignis erst im kommenden Jahr stattfinden würde.
Ich machte bei dem Einschulungstest zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Rektor, den ich bis dahin nur vom Sehen auf dem Schulhof kannte und aus den Erzählungen meiner Großeltern. Er war, so erzählte mir meine Oma später, auch schon Rektor gewesen, als meine Mutter noch zur Schule ging. Er kannte also unsere Familie recht gut.
Eigentlich sollte meine Mutter ja mit mir zu diesem Termin gehen, aber sie war wie immer in der fernen Großstadt und hatte natürlich wieder einmal keine Zeit. Sie hatte Wichtigeres zu tun, als sich um die Vorbereitungen zur Einschulung ihrer kleinen Tochter zu kümmern. Stattdessen bat sie meine Oma mit mir dorthin zu gehen, denn nach ihrer Meinung war das ja nicht so wichtig, dass sie dafür extra nach Hause kommen musste. Es war wie eh und je: Meine Mutter interessierte sich nicht für das Leben und die wichtigen Ereignisse ihrer Tochter. Sie überließ lieber alles meinen Großeltern. Gott sei Dank, dass ich sie hatte ...
Der Rektor war ein groß gewachsener Mann, hatte weißes Haar, eine Brille auf der Nase und wirkte ein wenig streng. Er saß mir gegenüber hinter einem großen wuchtigen Schreibtisch. Er sah mich freundlich und aufmerksam an. Dann stellte er mir einige Fragen, die ich beantworten musste und er machte sich einige Notizen. Dann bekam ich einige kleine Aufgaben gestellt, in denen ich unterschiedliche Bilder einander zuordnen musste. Anschließend mussten wir noch in ein anderes Zimmer, wo ein Arzt im weißen Kittel und mit Stethoskop um den Hals wartete. Er untersuchte mich gründlich. Am Schluss lächelte er mir aufmunternd zu und meinte, dass alles in bester Ordnung sei, gab mir die Hand und schenkte mir einen Hampelmann, den, wie er mir erklärte, die Kinder in der 4. Klasse für die Erstklässler gebastelt haben. Jedes neue Schulkind bekam vor der Einschulung so einen geschenkt. Für mich war damit ganz klar: Das Abenteuer Schule stand nun unmittelbar bevor. Mein Herz klopfte laut und ich war sehr aufgeregt. Stolz ging ich anschließend mit Oma nach Hause, den lustigen Hampelmann fest an mich gepresst.
Wir hatten erst Frühling und bis zu meinem großen Tag Anfang September lag außerdem noch ein ganzer Sommer vor mir. Eine, wie ich damals fand, endlos lange Zeit. Aber meine Oma meinte dazu nur: „Genieße die Zeit bevor der Ernst des Lebens anfängt, diese schöne Zeit kommt nie wieder zurück.“ Das hatte sie schon einmal zu mir gesagt, vor gar nicht allzu langer Zeit. Ich verstand nicht, was sie meinte. Für mich konnte es nicht schnell genug September werden ...
Mit Herzklopfen dachte ich immer wieder an meinen 1. Schultag, der schon bald bevorstand und redete kaum noch von etwas anderem mit meinen Großeltern und mit meinen Freundinnen. Oma lächelte über meine Ungeduld und Vorfreude, sie verstand mich gut.
Immer wieder stand ich am Zaun vor dem Schulhof, wenn große Pause war, und schaute den in kleinen Gruppen zusammen stehenden Kindern zu, wie sie lachten, umher schlenderten und ihre Pausenbrote aßen. Eines der Mädchen sah oft zu mir rüber, wenn ich am Zaun stand, und winkte mir lachend zu. Wir kannten uns sehr gut. Es war Steffi, die ebenfalls Tür an Tür mit mir wohnte. Sie spielte auch oft mit mir, wenn sie Zeit hatte. Oh wie ich Steffi beneidete, weil sie schon in der 3. Klasse war. Aber bald, ja bald würde es soweit sein, und auch ich würde ein Schulkind sein!