Читать книгу DIE LIEBESMASCHINE - Gabriele Behrend - Страница 14

Exposition

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Das war der Anfang vom Ende gewesen, erinnert sich Mia, als sie mit ihren Fingern ihren Hals entlang fährt. Eigentlich sollte sie jetzt, nach dem Einstimmen, hell erklingen, doch scheint ein Schatten über ihrer Klangfarbe zu liegen, die alles in Moll taucht. Das 3-D-Rauschen reagiert darauf, es zieht sich in den Hintergrund zurück, wird tiefer und dunkler noch als ohnehin. Wie wird das Publikum darauf reagieren? Ihre Hände stocken in der Bewegung, die Tonfolge bricht ab. Panik steigt in Mia hoch. Soll sie abbrechen und fliehen? Oder sich stellen? Wem oder was stellen? Sie schluckt gegen die trockene Kehle an, holt zitternd Luft und ballt die Fäuste. Ein dissonantes Lärmen antwortet. Erschrocken hebt sie die Hand an die linke Schläfe, schon will sie die Funkverbindung unterbrechen, da ist ihr, als stünde Zidat direkt vor ihr, mit missbilligendem, tadelndem Blick. Sie reagiert erst mit Unwillen. Die Dissonanz schrillt auf, doch dann beruhigen sich die Töne. Sie setzen sich einzeln voneinander ab. Mia wird wieder ruhiger, lässt die Hand sinken. Sie starrt immer noch den imaginären Zidat an, während sich der Ärger in ihr zur Trauer formt. Und Mia begreift allmählich, während die tiefen Töne von ihrer Haut tropfen. Endlich hat sie die wahrhaftige Emotion in sich gefunden. Das Gefühl, das sie sich ein Jahr lang nicht eingestehen konnte.

Mia dreht sich langsam zum Publikum herum. Sie wird die Menschen an ihrem Leben teilhaben lassen, an ihrem Kummer. Doch um sie zu erreichen, muss sie ehrlich sein. Schluss mit aller Imitation. Mit einer fließenden Bewegung öffnet sie den Reißverschluss ihres Catsuits und streift die mitternachtsblaue Hülle von ihrem Körper. Man hört vereinzeltes Seufzen, ein Raunen geht durch die Reihen. Endlich ist Mia wieder Mia, so wie man sie kennt. Die Atmosphäre verändert sich, wird dichter und wärmer. Mia fühlt sich willkommen. Endlich kann sie loslassen.

Und so fängt sie an, den Menschen von ihrer Liebe zu erzählen. Das tut auf einmal gar nicht weh, nicht wie in all den Monaten vorher. Nein, diese Liebe ist heiter, flirrend, ein Lachen auf dem Sprung, ein Sonnenstrahl, der die Nasenspitze kitzelt. Mia wiegt sich mit geschlossenen Augen, fängt an zu tanzen, zu springen. Dann kommt Zidat ins Spiel der Erinnerung und die Liebe wird anders, verzehrt sich. Die Töne werden dunkler, die Bewegungen hektischer. Da blitzt Leidenschaft auf, ein aggressiver Unterton, der vorher nicht mitklang. Mia birgt das Gesicht in ihren Händen, bevor diese über ihren Körper gleiten. Diesmal allerdings hungrig zupackend, bar aller Zärtlichkeit. Mia gehört nicht länger sich selber, sie wird zum Objekt unter diesen Händen, die nicht mehr die ihren sind – doch sie lässt es zu, ist biegsam unter dem Griff, versucht immer noch die Harmonie herzustellen und das hört man auch. Die Menschen bleiben von diesem Ringen nicht unberührt. Manch einer der Männer ballt die Faust im Zorn, als rote Striemen auf Mias Haut sichtbar werden. Manch eine Frau blickt den Mann an ihrer Seite an, nachdenklich, sinnierend, erschrocken. Man erkennt sich wieder in dem Gerangel und nicht jeder weiß, wie er darauf reagieren soll.

Doch Mia gibt ihnen eine Antwort. Sie befreit sich schließlich von Zidat, von seiner Liebe – sie löst die Hände von sich und alles wird still. Nur das Rauschen im Hintergrund läuft weiter.

Mia hockt auf dem Boden, alle Blicke ruhen auf ihrem misshandelten Körper. Und alle folgen ihr in die Stille hinein.

DIE LIEBESMASCHINE

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