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IV

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In den nächsten Wochen liefen sich Katja und Evgenij immer wieder mal über den Weg. Es fing damit an, dass man sich in der Empfangshalle quasi über den Haufen rannte, als Spex Katja zu einem Kurzschluss im Klingelmodul schickte. Kat, die sich bei Spex jetzt mehr denn je aufgehoben und geborgen fühlte, konnte Evgenij gerade noch auf ihrem Hoverboard ausweichen, warf ihm einen fröhlichen Gruß zu und machte sich sogleich an die Reparatur des Moduls. Evgenijs Frage, ob sie Hilfe bräuchte, winkte sie energisch ab, wünschte ihm noch einen schönen Abend und schraubte weiter.

Ein paar Tage später las sie auf ihren Schadensprotokollen, dass die Warmwasserversorgung in Evgenijs Appartement nicht mehr funktionierte. Also stand sie kurze Zeit später in ihrem olivgrünen Wartungsoverall vor ihm, ließ sich den Weg zu seiner Therme zeigen und dokterte erfolgreich an ihr herum. Evgenij ließ sie in Ruhe. Er machte solange Fingerübungen auf seinem Cello.

»Wie lange spielst du schon?«, wollte Katja wissen, als sie die Abdeckung der Therme wieder montierte.

»Seit meinem fünften Lebensjahr.«

»Sagt mir immer noch nicht wie lange.« Katja lachte. Spex hatte ihr eine sprachliche Präzision antrainiert, die ihr mitunter selbst auf den Keks ging.

»Ich bin jetzt zweiunddreißig«, rief Evgenij aus dem Nebenzimmer herüber. »Es sind also siebenundzwanzig Jahre. Zufrieden?«

»Jepp. Ich muss dann wieder. Unterschreibst du mir bitte den Auftrag?«

Er kam zu ihr herüber, unterzeichnete die elektronische Auftragsbestätigung und nickte ihr zu. »Hast du Lust auf eine Miso-Suppe heute Abend?«

Katja stockte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, danke. Ich habe bereits eine Verabredung.«

»Schade«, meinte Evgenij. »Wenn du Hunger bekommst, du weißt, wo ich bin.«

»Okay.« Sie sahen sich an und wussten, dass Katja nicht auf das Angebot zurückkommen würde.

Und es war okay.

Als Spex Katja vier Tage später schon wieder zu Evgenijs Wohnung schicken wollte, und das auch noch am Abend, wurde sie langsam sauer.

»Was ist denn jetzt schon wieder?«

»Die Kameras in seinen Brandmeldern sind defekt.«

»Ist die Brandmeldefunktion an sich eingeschränkt?«

»Nein.«

»Dann kann das bis morgen warten.« Katja verschränkte die Arme vor der Brust und legte die Füße auf den Schreibtisch. »Ich habe Feierabend.«

Spex schwieg einen Moment lang. Dann setzte er erneut an. »Aber die optische Überwachung ist wichtig!«

»Warum, kollega?« Katja war genervt.

»Damit ich im Falle eines Alarmes bereits vorher die tatsächliche Notwendigkeit einer Anforderung absichere. Deswegen gibt es die Kameras doch.«

»Danke, Spex, ich hatte ihren Zweck bereits fast vergessen. Fast schon dachte ich, dass sie nur deine Augen sind, die uns die ganze Zeit beobachten.« Katja wischte sich über ihre Augen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Entschuldige, Liebster. Ich wollte dich nicht so angehen. Wenn es dir so wichtig ist, gehe ich hoch und schau mir das Problem an.«

»Ich danke dir, Kat.«

Also griff Katja nach ihrem Werkzeuggürtel und schnallte ihn um ihre zierliche Taille. Ein merkwürdiger Anblick in der Kombination mit den Erdbeershorts, dem weißen Tanktop und der grauen Strickjacke, aber Katja war es ziemlich egal, was Evgenij von ihr denken mochte. Sie hatte schließlich einen Auftrag. Schnell griff sie sich die Trittleiter, die wie immer hinter der Schaltwand stand.

Als sie an Evgenijs Wohnungstür klopfte, tat sich zunächst nichts. Also klopfte sie lauter. Als immer noch niemand reagierte, rief sie halblaut: »Bitte machen Sie auf, der Reparaturservice hat ein Problem bei Ihnen festgestellt und wünscht Einlass.«

Mit einem Mal schwang die Tür auf. »Katja? Komm herein!«, tönte es aus der Tiefe der Wohnung.

Katja folgte der Stimme zu dem Schlafzimmer, dass auch gleichzeitig als Evgenijs Arbeitszimmer herhalten musste. Soviel wusste sie noch vom letzten Besuch. Sie lehnte sich in den Türrahmen und musterte den Hausherrn kurz. Evgenij saß über irgendein Projekt gebeugt, schraubte und tüftelte daran herum. Dann räusperte sie sich.

»Sorry für die späte Störung, aber da ist ein Problem mit den Brandmeldern aufgetreten, um dass ich mich kümmern soll.«

Evgenij sah hoch. »In diesem Aufzug?« Er grinste jungenhaft.

»Hey, ich hab meinen Gürtel dabei«, frotzelte Katja zurück.

»Wondergirl mit dem Schraubendreher. Ich seh’ schon, ich muss mich deiner Superheldenmacht ergeben.« Evgenij schmunzelte. »Fang ruhig an. Willst du hinterher vielleicht einen Tee?«

Katja überlegte kurz. »Warum nicht?«

»Was hältst du von einem Chai?«

»Klingt gut.« Katja stand bereits auf der Leiter und hatte den Brandmelder aufgeschraubt. Mit einer kleinen LED-Lampe zwischen den Zähnen, leuchtete sie ihren Arbeitsbereich aus. »Das kann doch nicht wahr sein«, murmelte sie nach einer Weile undeutlich. »Spex, ich mach dir noch die Hölle heiß.« Damit tauschte sie die durchgeschmorte visuelle Überwachungseinheit gegen eine neue aus, setzte die Abdeckung wieder auf und stieg von der Leiter.

Dann folgte sie Evgenij in die kleine Wohnküche, stellte dort ihre Leiter auf und sah sich den Schaden am Brandmelder genauer an. Auch hier war die Viso-Einheit überhitzt. Auch hier tauschte Katja das schadhafte Teil aus.

»Der Tee ist fertig.« Evgenij goss den Chai in zwei Becher und hielt ihr einen hin.

»Die Firma dankt.« Katja nahm einen vorsichtigen Schluck. »Der ist echt gut.« Sie lächelte Evgenij zu. Dann zückte sie ihr Tablet. »Ich brauche noch eine Unterschrift.«

»Alles, was du willst. Bin ich jetzt wieder sicher?« Er deutete mit dem Pen zur Decke.

»Sicher wie in Abrahams Schoß. Wir passen auf dich auf.«

»Wir?« Evgenij hob eine Braue, während er sein Kürzel unter den Wartungsauftrag setzte.

Katja hätte sich auf die Zunge beißen mögen, nun da die Worte draußen waren. »Die Wartungs-KI und ich«, erklärte sie hastig und kam sich dabei wie ein Verräter vor. Sie hatte Spex schon lange nicht mehr als Maschine bezeichnet.

»Na, dann kann ja nichts schief gehen.«

Katja leerte den Becher. »Ich verabschiede mich. Noch einen schönen Abend und verzeih noch mal die Störung. Aber Sicherheit geht vor.«

Evgenij brachte sie und ihre Leiter zur Wohnungstür. Einen Moment lang sah er unentschlossen aus, dann nickte er ihr zu. »Einen schönen Abend noch.«

Katja fuhr mit dem Lastenaufzug wieder hinunter und stürmte in die Leitzentrale. Ihre Stirn war dunkel umwölkt, alle Anzeichen standen auf Orkan.

»Alles in Ordnung, Kat?« Spex klang überrascht in ihren Ohren. Vielleicht schwang sogar eine Spur Schuldbewusstsein in seiner Stimme mit.

»Ein Fehler in der Viso-Einheit. Ein ganz frischer Fehler. Ein Fehler, der noch gar nicht existierte, als du mich losgeschickt hast, nicht wahr, Spex?« Katja schäumte.

»Wie meinst du das, Kat?«

»Ich meine damit, dass die durchgeschmorten Kameras noch warm waren. Du hast sie überlastet, als ich in Unterhosen auf dem Weg zu Evgenij war. Vorher war wahrscheinlich alles perfekt. Was hast du dir dabei nur gedacht?«

Spex schwieg.

Katja verstaute die Trittleiter und den Werkzeuggürtel. Dann baute sie sich mit verschränkten Armen vor Spex auf. »Rede mit mir, kollega. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«

Spex sah Katja tief in die Augen. »Ich liebe dich.«

»Sag nicht so etwas, Spex. Das ergibt hier keinen Sinn!«

»Ist aber so.« Die KI bockte.

»Dann zeig es mir auch!« Katja bockte ebenso. »Nacht, Spex. Bis morgen.«

Als Katja aus der Leitwarte gestürmt war, flackerte ihr Bild auf dem Hauptmonitor auf. Spex trug ein paar Daten in ihr Dossier ein und ließ erneut ein Analyseprogramm durchlaufen. Danach machte er sich einen Vermerk in ihrer Akte und erlosch.

Katja hingegen lag noch lange wach. »Ich liebe dich!«, hatte Spex gesagt. Nicht nur einmal. Eigentlich jeden Tag, seitdem er es zum ersten Mal ausgesprochen hatte. Am Anfang hatte sie ihm bedingungslos geglaubt, aber heute schlichen sich zum ersten Mal Zweifel in ihr Herz. Wusste er überhaupt, was er da sagte? War er wirklich soweit, dass er wusste, was Liebe war? Konnte eine Maschine das überhaupt begreifen?

Denn das war er. Eine Maschine. Das war ihr heute Abend nur zu deutlich geworden, als sie bei Evgenij auf der Leiter gestanden hatte. Überhaupt: Evgenij. Ein bisschen viel Evgenij in letzter Zeit, nicht wahr, Spex?

Irgendwann schlief sie darüber ein. Doch der Schlaf war unruhig, die Träume waberten in Fetzen gerissen durch ihr Hirn. Doch als sie aufwachte, wusste sie, was sie zu tun hatte.

DIE LIEBESMASCHINE

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