Читать книгу Mit langem Atem zum großen Glück - Gabriele Klink - Страница 9
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Nachdem uns somit die in Deutschland zuständigen Institutionen alle als „nicht geeignet“ abgestempelt hatten, erwachte in uns ein ungeheurer Kampfesgeist.
Wir waren uns sicher: Es gibt irgendwo ein Kind für uns. Wenn nicht in Deutschland, dann in …?
Mit dem Orden von Mutter Theresa in Indien standen wir ebenfalls im Briefkontakt. In einem Schreiben wurden wir dann auch zu unserer Religionszugehörigkeit befragt. „Nein, wir sind nicht katholisch. Nein, keiner von uns beiden kann sich vorstellen, zum katholischen Glauben überzutreten.“ Und so mussten wir akzeptieren, dass wir für ein indisches Kind nicht den richtigen Glauben besaßen. Aber sind die Inder nicht Hindus oder Moslems? Während der drei Jahren Auslandsschule von 1968-1971 in Kabul/Afghanistan war ich auch mehrmals in Indien.
Zu „terre des hommes“ nahmen wir nicht nur Kontakt auf, wir nahmen auch an einem Adoptionstreffen teil. Aber hier waren die Verantwortlichen des Treffens nicht mit unserem Weltbild – ohne dies näher zu erläutern – einverstanden. Und der Organisation war es ein Dorn im Auge, dass wir weder ein behindertes noch halbwüchsiges Schulkind aus Schwarzafrika adoptieren wollten.
Wir erkundigten uns bei Botschaften und Auslandsschulen, auch in Südamerika. Hatte ich nicht drei Jahre lang in Südchile gearbeitet? Vielleicht konnten hier alte Fäden neu aufgegriffen werden? Aber aus Chile ließ man uns wissen, nach Deutschland dürften nun keine Kinder mehr vermittelt werden.
Wir nahmen Gespräche mit Familien in Deutschland auf, die bereits einem Kind aus der „Dritten Welt“ Liebe, Geborgenheit und einen Platz in ihrem Herzen eingeräumt hatten. Neue Informationen und Wege eröffneten sich.
Und wieder waren Monate ins Land gegangen. Sie waren angefüllt mit Briefe schreiben, sich an den unterschiedlichen Bewerbungsstellen immer wieder möglichst unaufdringlich in Erinnerung bringen, bangen, hoffen, sehnen, verzweifeln, verzagen, erschöpft und mutlos aufgeben wollen, um gleichzeitig mutig weiter zu kämpfen.
Manche Vermittlungsstellen reagierten auf den fünften oder zehnten Brief, andere meldeten sich nicht. Damals gab es noch kein Internet, keinen PC, alle Schreiben wurden auf der alten, klapprigen Schreibmaschine, die ich heute noch besitze, getippt. Damals war telefonisch so gut wie niemand erreichbar, denn Telefon gab es nur in den offiziellen Ämtern. Und so ein Brief über den Großen Teich dauerte schon mal zwei Wochen. Mit sechs Wochen Postdienst musste man dann schon rechnen, bis ein Antwortschreiben nach Deutschland flatterte.
Unsere Hoffnungen sanken unter den Gefrierpunkt. Keine Chance in naher Zukunft. Die Wartelisten schienen ungeheuer lang, Lichtjahre entfernt von unserem großen Wunsch nach einem Kind.
Wut, Bitterkeit, Resignation bemächtigten sich unser. Da gab es so viele Kinder, die ohne Eltern aufwachsen, ohne Liebe und Geborgenheit einer Familie, die auf der Straße dahinvegetierten. Kinder ohne Lebenschance und Lebensperspektive. Darüber wusste ich Bescheid, schließlich hatte ich sechs Jahre in sozialen Einrichtungen in Chile und Afghanistan gearbeitet und gelebt und unendlich viel Leid, Not und Elend der Kinder und deren Familien hautnah erlebt.
Aufgeben? Nein! Zu keinem Zeitpunkt waren wir bereit, unser Ziel fallen zu lassen. Wir waren felsenfest davon überzeugt: Irgendwo in der Welt wartet ein Kind, das zu uns gehört. Unser Kind.