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Hobbes will seine Wissenschaft von der Politik begründen, indem er die Souveränität aus den Eigenschaften des Menschen und aus den Beziehungen zwischen den Menschen deduziert. Er arbeitet daher im ersten Teil seines Werks eine Theorie der Affekte, der Leidenschaften, der Vernunft und der Erfindung aus. Er möchte auf diese Weise eine materialistische und objektive Beschreibung der menschlichen Natur liefern, um daraus in einem zweiten Schritt ein Wissen über die Politik abzuleiten.

Doch sobald Hobbes „das Gemeinwesen“ zum Gegenstand nimmt, sobald er anfängt, über die Geburt des politischen Subjekts nachzudenken, gibt er plötzlich die Vernunftlogik, die Logik der Feststellung und der Argumentation auf.

Hobbes führt zwei mögliche Arten der Verfassung des Gemeinwesens an, oder genauer zwei mögliche Weisen für das Subjekt, in ein Verhältnis zu einem Souverän zu treten. Es gebe zwei Formen des Eintretens in die politische Abhängigkeit (sujétion)3 und folglich zwei Arten von Gemeinwesen. Es gebe einerseits das Gemeinwesen durch Einsetzung oder Institution: Ein Gemeinwesen ist durch Einsetzung gegründet, wenn Individuen sich versammeln und eine Abmachung oder eine Vereinbarung treffen, um eine Person einzusetzen, die das Recht hat, sie zu vertreten. „Ein Gemeinwesen gilt als durch Einsetzung gegründet, wenn eine Menge von Menschen sich einigt und einen Vertrag schließt, jeder mit jedem, daß jeder beliebige Mensch oder jede Versammlung von Menschen, dem die Mehrheit das Recht gibt, ihrer aller Person zu vertreten (das heißt ihr Repräsentant zu sein), von jedem einzelnen, ob er dafür oder dagegen stimmt, für seine Handlungen und Entscheidungen in gleicher Weise Ermächtigung erhält.“4

Die zweite mögliche Form der Einrichtung einer politischen Bindung nimmt nicht die Form des gegenseitigen Vertrags an. Sie entstammt dem Krieg, der Invasion und der Eroberung. Sie ist eine durch Gewalt erlangte Herrschaft: Ein Souverän taucht auf, er erobert ein Gebiet, er erringt den Sieg. Das Subjekt wird zum politischen Subjekt, wenn es – angesichts der Aufforderung des Kriegsgewinners, sich zu unterwerfen oder zu sterben – nachgibt und die neu eingerichtete Macht akzeptiert. Das ist das Gemeinwesen durch Aneignung. „Ein Gemeinwesen durch Aneignung besteht dort, wo die souveräne Macht durch Gewalt erworben wird. Und sie wird durch Gewalt erworben, wenn Menschen, einzeln oder viele zusammen durch Stimmenmehrheit aus Furcht vor Tod oder Knechtschaft dem Mann oder der Versammlung, die ihr Leben und ihre Freiheit in der Gewalt haben, Ermächtigung für ihre Handlungen geben.“5

Diese Unterscheidung ist von Historikern und Philosophen lang und breit diskutiert worden. Was dabei aber als das wesentliche Element angesehen wurde, ist die Tatsache, dass Hobbes die Unterscheidung zwischen diesen zwei Formen der Souveränität einführt, um ihren Unterschied aufzuheben. Man könnte glauben, dass die Form „Gesellschaftsvertrag“ und die Form „Aneignung“ einander widersprechen, dass sie zwei gegensätzliche Modalitäten des Verhältnisses ausdrücken, in dem das Subjekt in der Unterwerfung unter den Souverän steht, und dass folglich diese zwei Typen des Gemeinwesens durch unterschiedliche Arten von Legitimität gekennzeichnet sind. Hobbes’ Konstruktion hat nun aber die Funktion aufzuzeigen, dass der Akt der Subjektivierung, durch den ein Individuum zum politischen Subjekt wird, in beiden Fällen auf ein und derselben Leidenschaft beruht, nämlich auf der Angst.

Die Errichtung eines Gemeinwesens durch Einsetzung gründet nach Hobbes auf der Furcht, die jeder vor dem anderen empfindet, und auf dem Wunsch, diese Situation der Unsicherheit zu beenden, während das Gemeinwesen durch Aneignung auf der Angst vor dem aneignenden Souverän gründet: zwei Ängste also, die aus unterschiedlichen Quellen stammen, Ängste nichtsdestoweniger, und weil es daher letztlich ein und dieselbe Logik ist, die in beiden Formen der Konstitution der Souveränität am Werk ist, kommt auch beiden Formen dieselbe Legitimität zu.

Die kontra-intuitive Behauptung, dass der Souverän durch Einsetzung die gleiche rechtliche Legitimität besitze wie der Souverän durch Aneignung, ist das, was die politische Theorie, einschließlich Foucault6, aus Hobbes’ Werk lernt. Diesen Nachweis hält man für sein Bravourstück.

Das politische Bewusstsein

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