Читать книгу Das politische Bewusstsein - Geoffroy de Lagasnerie - Страница 23
Übersetzung
ОглавлениеDie Verwurzelung von Agambens Reflexion im traditionellsten Dispositiv der Theorie erklärt, warum sein Denken, anstatt „die originäre Struktur der Politik zu dekonstruieren“, im Gegenteil mit einem anderen Vokabular die klassischsten Wahrnehmungen fortschreibt. Agamben veranschaulicht exemplarisch, wie groß der Fluch ist, der auf uns lastet, wenn wir über Politik sprechen, und der sogar die Autoren, die kritische Verfahren zum Leben erwecken möchten, dazu führt, trotz allem Gefangene eines Wortschatzes, einer Sprache und einer Denkform zu bleiben, die problematisch sind, sowie eine mythologische Wahrnehmung der Tatsachen und eine mystifizierende Weise, über Institutionen zu sprechen, aufrechtzuerhalten.
L’uso dei corpi zum Beispiel endet mit dem Versuch, die Gestalt zu denken, die eine neue Art von politischer Aktion – Agamben nennt sie destituierend – annehmen könnte. Er behauptet, dass die politische Aktion weitgehend im Modus der konstituierenden Macht gedacht und praktiziert worden ist. Politisches Handeln bedeutet Konstituieren einer Macht. Doch diese Art der Konstitution beinhaltet auch, dass die Macht die Kraft der sie konstituierenden Aktion vereinnahmen wird, damit die Aktion nicht die Möglichkeit hat, sich der Macht zu entziehen, sie aufzulösen oder etwas anderes zu konstituieren – sodass diese Kraft sich im Augenblick ihrer Erfüllung von sich selbst trennen wird. Die Revolution, in deren Verlauf die konstituierende Kraft sich von der konstituierten Macht zurückzieht, stelle demgegenüber den umgekehrten Vorgang dar. Agamben versucht, eine politische Aktion zu denken, die dem Konstitutionskreislauf entkommt. Er ruft zur Ausarbeitung einer Aktionsform auf, die sich in Form einer destituierenden Kraft dort entfaltet, wo die Revolution als Rückzug und Rekonstitution, als Disartikulation und Reartikulation uns in Vereinnahmungszyklen einsperrt: Anstatt mit dem zu brechen, wogegen sie sich wendet, führt sie instituierte Formen fort und reproduziert den Teufelskreis von Konstitution, Aneignung der konstituierenden Kraft und Notwendigkeit einer neuen Konstitution.
Ist eine Revolution anders als im Modus der Rekonstitution möglich? Der Begriff der destituierenden Kraft dient dazu, diese Möglichkeit zu denken. Dem traditionellen Spiel der Politik setzt Agamben die Gestalt des Nichtstuns, der Niederlegung, der Blockade und der Aktion entgegen, die die politischen Beziehungen destituieren und absetzen würde, um uns in ein anderes Zeitalter zu führen.
In Wirklichkeit wiederholt dieses Projekt klassische Schemata. Die Vorstellung von konstituierender Kraft und destituierender Macht reaktiviert letztlich die Vorstellung, dass die Institutionen, in denen wir leben, auf subjektiven Grundlagen beruhen (als würde es, um sie zu destituieren, genügen, dass wir ihnen unsere Zustimmung entziehen), was im Grunde auf eine Neuformulierung der Vertragstheorie hinausläuft. Wichtiger ist aber, dass das, was Agamben in der Form des Kreislaufs von Konstitution und Vereinnahmung beschreibt, in der politischen Theorie immer als jener Prozess gedacht worden ist, in dem die „Volkssouveränität“ sich vom „Staat“ zurückzieht und die aktuelle „Regierung“ preisgibt, um eine neue zu konstituieren. Die Rechtstheorie wird geradezu von dem Problem heimgesucht, dass die Volkssouveränität ein Regime instituiert, aber die Möglichkeit behält, sich vom Staat zurückzuziehen und die aktuelle Regierung aufzugeben, um eine neue zu konstituieren. Und vielleicht lässt sich die Wirkung, die Agamben auf bestimmte Sektoren der sogenannten radikalen Politik ausübt – die weitgehend vom weißen Kleinbürgertum beherrscht wird und dessen paradigmatisches Beispiel das Unsichtbare Komitee ist –, dadurch erklären, dass seine Schriften konservativen Denkformen einen subversiven Anstrich geben, insofern sie sich damit begnügen, die traditionellste Reflexion in eine andere Sprache zu übersetzen – was das philosophische Äquivalent zur politischen Praxis jener Gruppen ist, die die bürgerlichen Formen des Weltbezugs als radikal ausgeben (Rückzug, Klassendünkel gegenüber Aktivismus und Gewerkschaften, Kleinunternehmertum, Lobeshymnen auf das wahre Leben im Gegensatz zur Perversität der modernen Welt und Technik).