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Prävalenz von Lernschwierigkeiten (unterdurchschnittlicher Intelligenz) bei Autismus

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Bis vor wenigen Jahren galt Autismus als ein eher seltenes Phänomen. Dies hat sich inzwischen geändert. Die geschätzte Prävalenz von Autismus liegt derzeit bei über einem Prozent (vgl. Miles-Paul 2020). Ferner wird mittlerweile nicht mehr davon ausgegangen, dass etwa 75 % aller autistischen Personen (vor allem mit dem sogenannten „frühkindlichen“ oder „klassischen Autismus“) zugleich unterdurchschnittlich intelligent („geistig behindert“) seien. Wie es zu dieser Behauptung überhaupt gekommen ist und wieso sie sich über mehrere Jahrzehnte unreflektiert halten konnte, bleibt bis heute unklar (vgl. Theunissen & Sagrauske 2019, 18). Nach Edelson (2006) hat es nie einen signifikanten empirischen Beleg für diesen hohen Prozentwert gegeben. Auf der Grundlage ihrer Analyse und neuerer Studien kommt die Forscherin zu dem Schluss, dass die Prävalenzrate von Lernschwierigkeiten bei Autismus „wesentlich geringer sei (…) und zwischen 40 % und 55 %“ liege (ebd., 74). Dieser Wert deckt sich mit einer Untersuchung von Charman et al. (2011).

Derzeit wird auf der Grundlage der Erhebungen aus den letzten Jahren bei etwa 31 % aller nach DSM-5 diagnostizierten autistischen Personen von einem IQ unter 70 und bei etwa 23 % von einem IQ zwischen 71 und 85 ausgegangen (vgl. Brown, Chouinard & Crewther 2017, 3; Jack & Pelphrey 2017, 7). Untersuchungen aus mehreren US-Bundesstaaten (CDC 2012) führen zu einem Mittelwert von 38 % für autistische Schüler*innen im Alter von acht Jahren mit unterdurchschnittlicher Intelligenz. Diesbezüglich befinden sich an dem einen Ende Staaten, bei denen nur etwa 12 % bis 20 % aller erfassten autistischen Kinder zugleich als kognitiv beeinträchtigt gelten; an dem anderen Ende stehen Staaten, bei denen der Anteil an erfassten autistischen Kindern mit zusätzlichen Lernschwierigkeiten bei 50 % bis 65 % liegt.

Diese unterschiedlichen Werte lassen Schwierigkeiten vermuten, die mit der Auswahl geeigneter Testinstrumente sowie mit dem Testen (Motivation, Einhaltung von Zeitvorgaben, Sprachvermögen etc.) betroffener Schüler*innen einhergehen. Alles in allem stützen sie die Annahme, dass die Intelligenz der Betroffenen eher unterschätzt als überschätzt wird.

Basiswissen Autismus und komplexe Beeinträchtigungen

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