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Zehntes Kapitel. Fortsetzung der Briefe. — Das Geleit. — Thionville. — Die Ankunft beim Depot. — Wohlwollen der Offiziere. — Der Fourier als Lehrer feiner Sitten. — Der erste Grad. — Eine fromme Lüge. Neununddreißigster Brief.

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2. Messidor. Jahr VII. (Juni 99).

„Meine liebe Mutter! ich habe Köln verlassen, wie ich es Dir vorhergesagt hatte, in Begleitung von Wagen und Pferden, die eine lärmende, ausgelassene Jugend trugen. Der Zug wurde durch Maulnoir und Leroy, Adjutanten des Generals angeführt. Ich ritt zwischen ihnen, Patrontasche und Karabiner auf dem Rücken und mein ungarisches Roß war nach Husarenweise aufgezäumt. Wo wir vorüberkamen, traten die Wachen unter's Gewehr und wer diese Federbüsche im Winde wehen, diese Wagen dahinrollen sah, dachte gewiß nicht, daß es sich um das Geleit eines gewöhnlichen Soldaten handelte.

„Statt nach Bonn zu gehen, wie wir uns erst vorgenommen hatten, verließen wir die Straße und wendeten uns nach Brühl, einem prächtigen Schlosse, das früher die gewöhnliche Residenz des Kurfürsten war. Dieser Ort war zur Feier des Abschiedes viel passender als Bonn. Erst frühstückte die lustige Bande und dann wurde das Schloß besehen. Es ist eine Nachahmung von Versailles; in den verfallenden Gemächern befinden sich noch schöne, mit Fresken verzierte Plafonds; die Treppe ist breit und hell, wird durch Kariatiden getragen und ist mit Bas-Reliefs geschmückt. Aber trotz aller Pracht trägt das Ganze den unauslöschlichen Stempel des schlechten deutschen Geschmacks. Wenn sie uns copiren, können sie das Uebertreiben nicht lassen, und beschränken sie sich darauf nur nachzuahmen, so wird es eine Nachäfferei. Ich habe mich lange mit dem Jägeroffizier, der so wie ich für die Künste schwärmt, in dem Palast herumgetrieben.

„Nachher haben wir uns mit der Gesellschaft im Parke vereinigt und nachdem dieser in allen Richtungen durchstreift war, entschlossen wir uns Ball zu schlagen. Wir waren auf einem schönen Rasenplatze von einer prächtigen Hecke umgeben und das Wetter war köstlich. Jeder warf den Rock ab, streckte die Nase in die Luft, verfolgte den Ballon mit den Augen und mühte sich ab nach Herzenslust, bis sich, am Ende einer dunkeln Allee, die Vorbereitungen zum Bankett sehen ließen. Nun wurde das Spiel verlassen. — Alle liefen so schnell sie konnten dem Tische zu und die kleinen Pastetchen wurden verschlungen, noch ehe sie aufgetragen werden konnten. Nach dem Essen, das von Zärtlichkeiten und Thorheiten begleitet war, mußte ich in die Rinde eines großen Baumes, der unsere Mahlzeit beschattet hatte, ein Jagdhorn, einen Säbel und die Anfangsbuchstaben meines Namens einschneiden. Kaum war ich damit fertig, als die Andern ihre Namen ringsumher einschnitten mit der Devise:, unsere Sehnsucht folgt ihm.“ Dann wurde ein Kreis um den Baum gebildet, man begoß ihn mit Wein, man trank in der Runde aus meinem Tschako, den man „die Schale der Freundschaft“ nannte. Als es spät wurde, führten sie mir mein Pferd zu, umarmten mich, ehe ich dasselbe bestieg, umarmten mich abermals, als ich darauf saß, und so verließen wir uns mit thränenden Augen. Ich ritt schnell von dannen und hatte die Kameraden bald aus den Augen verloren.

„Und nun bin ich allein und reite traurig vorwärts auf der Straße nach Bonn; habe mit einem Schlage meine Freunde und meine Geliebte verloren und finde das Ende des Tages ebenso düster, als sein Anfang glänzend gewesen war. Sicherlich ist dies Abschiednehmen in der Betäubung, der Lustigkeit das Schmerzlichste von Allem. Man waffnet sich nicht mit Muth, die Betrachtungen, die uns Kraft und Muth einflößen könnten, werden zurückgedrängt; man setzt sich zu einem Gastmahl nieder, das ein Bild dauernder Vereinigung ist — und plötzlich findet man sich allein und niedergeschlagen, wie beim Erwachen aus einem Traume ...

„Lebe wohl, meine geliebte Mutter, ich umarme Dich und setze meine Reise fort.“

Geschichte meines Lebens

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