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Achtzehnter Brief.

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Köln. 23. Frimaire VII (Decbr. 98).

„Wahrhaftig, liebe Mutter, wenn ich es wagte, würde ich mit Dir zanken, denn die Nachrichten von Dir bleiben aus und daran kann ich mich nicht gewöhnen. Eben durchwühlte ich wieder die Depeschen des Generals und kehre abermals traurig zurück. Vorgestern besuchte ich meinen braven Landsmann, Hauptmann Fleury [Der Vater meines Jugendfreundes.] mit einem andern Hauptmanne seines Regiments, Wir fuhren in einem Segelschiffchen den Rhein hinab bis Mühlheim und der Wind, der uns fast das Gesicht zerschnitt, trieb uns ausgezeichnet. Fleury gab ein sehr gutes Diner und das war mir nöthig, denn der Wind hatte mir einen echten Soldatenhunger gegeben. Der brave Mann empfing uns mit offenen Armen und wir haben von nichts gesprochen. als vom Berry. — Das Gefühl, welches man Vaterlandsliebe nennt, ist zweierlei Art. Es giebt eine Liebe für den heimathlichen Boden, die wir fühlen, sobald wir den Fuß auf fremde Erde setzen, wo uns nichts befriedigt, weder die Sprache noch die Gesichter, noch die Sitten noch die Charaktere. Darunter mischt sich eine gewisse nationelle Eigenliebe, die uns veranlaßt, zu Hause Alles besser und schöner zu finden, als bei Andern. Auch das militärische Gefühl kommt, Gott weiß warum, dazu. Aber mag es Kinderei sein oder nicht, ich fühle, daß ich es habe und ein Scherz über meine Uniform oder mein Regiment könnte mich eben so sehr in Zorn bringen, wie einen alten Soldaten die Spötterei über seinen Säbel und seinen Schnurrbart. — Außer dieser Anhänglichkeit an den vaterländischen Boden und diesen esprit de corps giebt es noch eine Vaterlandsliebe, die etwas Anderes ist und die sich nicht definiren läßt. Du, meine liebe Mutter, wirst sagen, das sei meist Chimäre, aber ich liebe mein Vaterland wie Tancred:

Mag es würdig sein oder nicht, ich weihe ihm mein Leben!

Fleury und ich haben diese Liebe selbst durch die Nebel des Rheinweins dunkel empfunden, als wir auf Berry und Frankreich anstießen, daß die Gläser klirrten.

„Wie befindet sich Dein armer Meier? Ziehen seine Kinder fort? Macht Vater Deschartres noch immer ausgezeichnete Curen? Reitet er mein Pferd? Fährt er fort, die Geige zu kratzen? — Sage meiner Bonne, daß, seit sie sich nicht mehr darum kümmert, meine Hemden durchaus nicht in glänzendem Zustande sind. Ihre Idee, die Wäsche zum Ausbessern hinzuschicken, ist vortrefflich. Das Porto würde mehr betragen, als die Hemden werth sind.

„Vorgestern gab man einen großen Ball; der General war mit seinen Adjutanten anwesend. Ich begrüßte ihn, er war sehr freundlich und fragte, ob ich walzen könne. Sogleich beeilte ich mich, ihm einen Beweis dafür zu liefern und bemerkte, daß er mir mit den Augen folgte, und daß er, zufrieden lächelnd, mit seinen Adjutanten über mich sprach. Du liebst den Krieg nicht, liebe Mutter, und ich will nichts Schlimmes von dem alten Régime sagen, aber ich würde doch vorziehen, meine Probe statt auf dem Balle, auf dem Schlachtfelde abzulegen.

„Du fragst, ob ich Caulaincourt bei Seite habe liegen lassen. Er ist, wie ich Dich versichere, durchaus nicht der Mann, den man übersehen darf, denn er macht Regen und Sonnenschein bei dem General. — Ich habe ihm immer alle gebührende Achtung und Aufmerksamkeit bezeigt, aber er ist ein origineller Mensch, der mir gerade nicht besonders gefällt. Einen Tag kommt er uns freundlich entgegen, den andern empfängt er uns ganz trocken. — Er sagt Artigkeiten à la Deschartres, schilt die Sekretaire aus wie Schulknaben und behält im gleichgültigsten Gespräche immer einen Ton, als belehre er alle Welt. Er ist die personifizirte Liebe zum Befehlen, und sagt uns in eben dem Tone, daß es kalt oder warm sei, in welchem er seinen Bedienten befiehlt, das Pferd zu satteln. — Ich liebe Durosnel, den andern Adjutanten, unendlich mehr, denn er ist wirklich liebenswürdig, gut und einfach in seinen Manieren. Er spricht freimüthig und freundschaftlich und hat keine Capricen. Gestern war er auch auf dem Balle und wir tanzten dem Range nach. Zuerst kam Bürger Caulaincourt, dann Durosnel, dann ich, so daß der erste und zweite Adjutant und die Ordonnanz ihre Rotation wie Planeten ausführten.

„Alle Deine Betrachtungen über die Welt in Bezug auf meine Stellung sind sehr wahr, meine liebe Mutter. Ich werde sie mir merken und sie zu nutzen suchen. Dein Brief ist reizend und ich bin gewiß nicht der Erste, der Dir sagt, daß Du schreibst wie die Sevigné: aber Du hast mehr als sie von dem Unbestande alles Irdischen erfahren.“

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