Читать книгу Geschichte meines Lebens - George Sand - Страница 38

13. Kapitel. Kurze Wiederholung. — Die Schlacht bei Morengo. — Turin, Mailand im Jahre 1800. — Latour d'Auvergne. — Besetzung von Florenz. — Georg Lafayette.

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Wenn ich nun mit der Geschichte meines Vaters fortfahre, wirst man mir vielleicht vor, daß ich die Erfüllung des Versprechens, mein eigenes Leben zu erzählen, zu lange hinausschiebe. Soll ich an das erinnern, was ich zu Anfang dieses Buches gesagt habe? Jeder Leser hat ein kurzes Gedächtniß, und auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, werde ich meine Ansichten über die Arbeit, die ich unternommen habe, noch einmal kurz zusammenstellen.

Alle Existenzen sind von einander abhängig und jedes menschliche Wesen, das die seinige allein darstellen wollte, ohne sie mit der seiner Nebenmenschen in Verbindung zu bringen, würde uns nur ein Räthsel zu lösen geben. Der Zusammenhang ist noch augenscheinlicher, wenn er ein unmittelbarer ist, wie der, welcher die Eltern mit den Kindern, die Freunde mit den Freunden der Vergangenheit und Gegenwart, die Zeitgenossen mit den Zeitgenossen von gestern und heute verbindet. Was mich betrifft (und Euch Alle), so würden meine Gedanken und mein Glaube, meine Abneigungen, meine Instinkte und meine Gefühle für meine eigenen Augen ein Geheimniß sein und ich könnte sie nur dem Zufall zuschreiben, der noch nichts in der Welt erklärt hat — wenn ich nicht in der Vergangenheit die Seite läse, die derjenigen vorangeht, auf welcher meine Individualität in dem Buche des allgemeinen Lebens verzeichnet ist. Diese Individualität hat an und für sich weder eine Bedeutung noch einen Werth. Sie erhält nur dann einen Sinn, wenn sie zum Bestandtheil des allgemeinen Lebens wird, wenn sie sich mit dem Wesen eines jeden meiner Nebenmenschen vereinigt — und nur dadurch erlangt sie historischen Werth.

Nachdem ich dies ausgesprochen habe, um nicht mehr darauf zurückzukommen, erkläre ich, daß es mir unmöglich sein würde mein Leben darzustellen, ohne zuvor das meiner Eltern erzählt und verständlich gemacht zu haben. Dies ist ebenso nothwendig in der Geschichte der Individuen, als in der des Menschengeschlechts. Leset eine Seite der Revolutionsgeschichte oder der Geschichte des Kaiserreichs; Ihr werdet nichts davon verstehen, wenn Euch nicht die vorhergehenden Ereignisse der Revolution und des Kaiserreichs bekannt waren. Und um die Revolution und das Kaiserreich zu verstehen, müßt Ihr wiederum die ganze Geschichte der Menschheit kennen. Ich erzähle hier eine Entwickelungsgeschichte — die Menschheit hat ihre Entwickelungsgeschichte in jedem einzelnen Menschen — und so habe ich einen Zeitraum von etwa hundert Jahren schildern müssen, um vierzig Jahre aus meinem eigenen Leben darzustellen.

Ohne dies wäre ich nicht im Stande meine Erinnerungen zu ordnen. Ich habe das Kaiserreich und die Restauration durchlebt und war im Anfang zu jung, um durch mich selbst die geschichtlichen Ereignisse zu begreifen, die unter meinen Augen vorgingen und sich um mich her bewegten. Aber ich habe die Verhältnisse damals theils durch die Ueberzeugungen, theils durch den Widerspruch aufgefaßt, den die Empfindungen meiner Eltern in mir hervorbrachten. Sie hatten die alte Monarchie und die Revolution durchlebt; ohne die Eindrücke, die sie empfangen hatten, würden die meinigen viel unbestimmter gewesen sein, und es ist zweifelhaft, ob ich aus den ersten Zeiten meines Lebens die deutlichen Erinnerungen bewahrt hätte, die ich besitze. Aber diese ersten Eindrücke — sobald sie lebendig gewesen sind — haben eine unermeßliche Wichtigkeit und oft ist unser ganzes übriges Leben nur eine nothwendige Folge derselben.

Geschichte meines Lebens

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