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Vierzigster Brief.

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Thionville, den 14. Mezzidor, Jahr VII. (Juli 1799).

„Oh, meine gute Mutter, höre doch endlich und für immer auf Dich zu ängstigen — ich bin ja glücklich! Hier wie überall gestaltet sich für mich Alles nach Wunsch. Als ich die Stadt betrat, fing ich damit an, in den Laden eines Friseurs zu fallen. Mein Pferd lag vor der Thür und ich lag im Hause, hatte mir aber, wie gewöhnlich, nicht den geringsten Schaden gethan und stand noch schneller auf als mein Pferd. So betrachtete ich denn dies Ereigniß als eine gute Vorbedeutung und stieg wieder auf mein Roß, das auch nicht den geringsten Schaden gelitten hatte.

„Ich komme in's Quartier und begebe mich zum Quartiermeister Boursier, der mich mit seiner gewöhnlichen Lustigkeit und Freimüthigkeit empfängt und umarmt. Er sagt mir, daß die Briefe des Generals noch nicht angelangt sind, aber daß ich mich ganz dazu eigne, mich selbst vorzustellen und zu empfehlen, und darauf führt er mich zum Kommandanten des Depots, der Dupré heißt. Er ist ein Offizier des alten Régime und erinnert mich an unsern Freund la Dominière. Ich sage ihm, wer ich bin und woher ich komme; er umarmt mich ebenfalls, ladet mich zum Abendessen ein, erlaubt mir nicht in der Kaserne zu schlafen und sagt: er hoffe, ich würde mit den Offizieren leben. Und so esse ich denn auch wirklich alle Tage in ihrer und des Kommandanten Gesellschaft.

Meine Tage bringe ich bei dem Quartiermeister zu und schreibe Dir jetzt in seinem Büreau. An unserm Tische haben wir einen andern jungen Rekruten, der so wie ich, gemeiner Jäger ist; er gehört zu einer der ersten Familien in Lüttich; er spielt die Geige wie Gumino oder Maëstrino, ist überdies klug und liebenswürdig, und der Kommandant, der selbst die Flöte spielt und für Musik schwärmt, liebt ihn sehr, denn er schätzt Talente und gute Erziehung. Ich glaube, daß diese Art von Auszeichnung am meisten zur Vernichtung der Privilegien beitragen wird, die mit vollem Rechte abgeschafft sind und daß die Gleichheit, die unsere Philosophen erträumen, erst dann möglich wird, wenn alle Menschen so viel Bildung erhalten haben, daß sie für einander umgänglich und angenehm sind. Du erschrakst bei dem Gedanken mich als Soldat zu sehen, weil Du meintest, daß ich mich gezwungen sehen würde mit ungebildeten Leuten zu leben.

„Aber glaube nur, es giebt nicht so viele ungebildete Leute, als man sich gewöhnlich denkt; es kommt viel auf die Anlagen an und die beste Erziehung kann oft die von Natur rohen und ungefälligen Menschen nicht umgestalten. Ich glaube sogar, daß der äußere Anstrich von Politur solchen Charakteren nur dazu dient noch verletzender zu werden, weil sie nicht auf die Entschuldigung fehlender Erziehung Anspruch machen können. So würde ich lieber mit einigen Rekruten zusammenleben, die eben vom Pfluge kommen, als mit Herrn von Caulaincourt und das Benehmen unserer Berry'schen Bauern gefällt mir besser, als das gewisser deutscher Freiherrn. Die Albernheit ist überall unerträglich, der Gutmüthigkeit dagegen kann man Alles verzeihen. Aber ich gestehe, daß ich mich im Umgange mit ungebildeten Menschen nicht lange wohl fühle. Der Gedankenmangel bei Anderen erweckt in mir ein solches Verlangen darnach, daß ich krank davon werden könnte. In dieser Beziehung hast Du mich verwöhnt und wenn ich nicht das Rettungsmittel der Musik gehabt hätte, die mich immer so entzückt, daß ich Alles darüber vergesse, so wäre ich in einigen unvermeidlichen Gesellschaften vor Langerweile gestorben. Was nun Deinen Kummer betrifft, so siehst Du wohl, daß er nicht gegründet ist und daß ich überall liebenswürdige Menschen finde, die mir freundlich entgegenkommen und die mit Deinem Soldaten auf dem vertraulichsten Fuße leben. Der Name eines Enkels vom Marschall von Sachsen, dessen ich mich nie rühme, unter welchem ich aber überall angekündigt und empfohlen werde, ist sicherlich zu meinen Gunsten und ebnet meinen Weg. Er legt mir aber auch eine gewisse Verantwortlichkeit auf und wäre ich ein Tropf oder ein unverschämter Mensch, so würde mich meine Geburt nicht entschuldigen, sondern mich noch unausstehlicher und verdammungswürdiger erscheinen lassen.

„Unser Werth liegt also in uns selbst, oder vielmehr in den Grundsätzen, welche uns die Erziehung gegeben hat. Und wenn ich etwas werth bin, wenn ich einige Zuneigung einflöße, so kommt es daher, daß Du, meine gute Mutter, Dir so viel Mühe gegeben hast, damit ich Deiner würdig sein möchte.

„Füge nun noch hinzu, daß mein Glücksstern mich unter die liebenswürdigsten Menschen geführt hat; — das Dragoner-Regiment Schomberg zum Beispiel, das jetzt auch hier ist, gleicht dem meinigen nicht im Geringsten. Seine Offiziere sind sehr hochmüthig und halten auch die gebildetsten jungen Leute in gewisser Entfernung, sobald sie nicht Offiziersrang haben. Bei uns findet gerade das Gegentheil statt; wenn wir unseren Offizieren gefallen, sind sie unsere Kameraden und Genossen; wir gehen Arm in Arm mit ihnen; sie trinken mit uns Bier — und sobald sie und wir in unserm Berufe thätig sind, finden sie uns um so gehorsamer und ehrfurchtsvoller.

.„Mein Brigadier und mein Wachtmeister erweisen mir hundert Aufmerksamkeiten und hätscheln mich, als ob ich ihr Vorgesetzter wäre — obgleich gerade das Gegentheil stattfindet. Sie haben das Recht mir zu befehlen und mich in Arrest zu schicken und doch bedienen sie mich, als ob sie meine Reitknechte wären. Bei den Uebungen habe ich immer das beste Pferd und diese guten Leute führen es mir gezäumt und gesattelt zu, es fehlt nicht viel, so hielten sie mir auch den Steigbügel. Sobald das Exerzieren vorüber ist, nehmen sie mir das Pferd wieder ab und wollen nicht, daß ich mich weiter darum kümmere; dabei sind sie so drollig, daß ich mit ihnen lache wie ein Buckliger. Mein Fourier ist ein Mann von strengen Erziehungsgrundsätzen, der bei seinen Rekruten den Deschartres spielt. Es sind gute Bauerssöhne, denen er mit Gewalt feine Sitten beibringen will. Er erlaubt ihnen nicht mit Steinen Beilke zu spielen, „weil das zu sehr nach dem Dorfe schmeckt;“ auch bekümmert er sich um ihre Sprache. Gestern kam Einer und meldete: „die Pferde sind alle mitsammen gesattelt.“ — „Wie,“ sagte er mit zornigem Tone, „habe ich Euch nicht hundertmal gesagt, daß es nicht mitsammen heißt? Man sagt ganz einfach: Fourier, wir sein fertig! übrigens thue ich schonst selber nachsehen,“ und mit dieser guten Lehre ging er von dannen.“

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