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Fortsetzung der Geschichte meines Vaters.

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Ich habe meinen jungen Soldaten verlassen, als er von dem Fort Bard hinwegzog und um seine Lage dem Leser in's Gedächtnis, zurückzurufen, werde ich einige Bruchstücke eines Briefes mittheilen, den er aus Ivrea an seinen Neffen, René von Villeneuve, über die letzten Erlebnisse schrieb.

Aber erst muß ich sagen, wie mein Vater im Alter von einundzwanzig Jahren zu einem Neffen kam, der ein oder zwei Jahre älter als er und sein Freund und Waffenbruder war. Dupin von Francueil war sechszig Jahr alt, als er meine Großmutter heirathete. Er war erst mit einem Fräulein Bouillond verheirathet und hatte aus dieser Ehe eine Tochter, die sich mit Herrn von Villeneuve, dem Neffen der Frau Dupin von Chenonceaux vermählte und diese Frau von Villeneuve hatte zwei Söhne, René und August, die mein Vater immer wie seine Brüder liebte. Es läßt sich denken, daß sie ihn mit seiner Oheimswürde neckten, und daß er ihnen die Ehrfurcht erließ, auf die er als Onkel Anspruch machen konnte. Einst hatte eine Erbschaft Anlaß zu Streitigkeiten zwischen ihren Geschäftsführern gegeben und mein Vetter René erklärt mir jetzt die Sache folgendermaßen: „Die Advocaten riethen uns zum Proceß, den sie durch ihre Spitzfindigkeiten zu gewinnen glaubten. Es handelte sich um ein Haus und um 30,000 Franks, welche Herr von Rochefort, Enkel der Frau Dupin von Chenonceaux unserm lieben Moritz vermacht hatte. Aber Moritz, mein Bruder und ich antworteten den Herren: daß wir uns zu sehr liebten, um uns über irgend etwas zu streiten, daß wir ihnen jedoch, wenn ihnen etwas darauf ankäme, die Erlaubniß gäben, sich zu schlagen. Ich weiß nicht, ob sie sich diese Erlaubniß zu Nutze machten, aber unsere Familien-Zerwürfnisse waren damit beendigt.“

Diese drei jungen Männer waren jedenfalls gut und uneigennützig, aber ihre Zeit war auch besser als die, in welcher wir leben. Trotz der Gebrechen des Directoriums, trotz der Verwirrung der Ideen, war aus den Stürmen der Revolution etwas Ritterliches in den Gemüthern geblieben. Man hatte gelitten, man hatte sich daran gewöhnt sein Vermögen ohne feigen Jammer zu verlieren, es ohne die Freude des Geizigen wiederzugewinnen, und es ist gewiß, daß Unglück und Gefahr heilsame Prüfungen sind. Die Menschheit ist noch nicht so rein, daß sie Ruhe und materiellen Genuß ertragen könnte, ohne in das Laster der Eigensucht zu verfallen. Man würde jetzt nur wenige Familien finden, in denen die Seiten Verwandten, die auf eine zweifelhafte Erbschaft Anspruch machen, ihren Zwist beendigen, indem sie sich lachend, Angesichts ihrer Advocaten umarmen.

In dem Briefe, den mein Vater aus Ivrea an den ältesten seiner Neffen schrieb, schildert er wieder den Uebergang über den großen Bernhard und den Angriff auf die Festung Bard. Die Fragmente, die ich daraus mittheilen werde, beweisen, wie fröhlich und wie ganz ohne Eitelkeit man in jenem schönen Momente unserer Geschichte zu Werke ging.

„Ich komme an den Fuß eines Felsens, neben einen Abgrund, wo sich der Generalstab niedergelassen hatte. Ich stelle mich dem General vor, er empfängt mich, ich richte mich ein und bezeuge Bonaparte meine Hochachtung. Dieselbe Nacht bestehlt er den Angriff der Festung Bard. Ich befinde mich beim Stürmen, mit meinem General. [Dies „ich befand mich“ ist sehr hübsch. Wir haben gesehen, daß er ohne Pferd, ohne Befehl, des Vergnügens wegen dabei war.] Kugeln, Bomben, Granaten, Haubitzenkugeln sausen, rollen, donnern und platzen überall ... wir sind geschlagen, aber ich bin nicht verwundet.

„Wir umgehen nun die Festung und klettern über Felsen und Abgründe. Bonaparte klettert mit uns; mehrere Menschen fallen in die Schluchten; endlich steigen wir in die Ebene hinab, wo der Kampf im vollen Gange war. Ein Husar hatte ein schönes Pferd erbeutet, ich halte ihn an — und nun bin ich beritten, was im Kriege ziemlich nothwendig ist. Heute früh bringe ich einen Befehl an die Vorposten und finde die Wege mit Leichen besäet. Morgen oder diese Nacht giebt es eine geordnete Schlacht. Bonaparte ist nicht gedultig, er will durchaus vorwärts und wir Alle haben große Lust dazu.

„Wir verwüsten ein herrliches Land. Blutvergießen, Gemetzel, Entsetzen folgen unserer Spur und bezeichnen unseren Weg mit Leichen und Ruinen. Wir mögen uns noch so sehr vornehmen die Einwohner zu schonen, die Hartnäckigkeit der Oestreicher zwingt uns Alles niederzuschießen. Ich bin gewiß der Erste, der dies bejammert — und doch auch wieder der Erste, den diese verdammte Leidenschaft der Eroberungen und des Ruhmes erfaßt, so daß ich wünsche, wie möchten uns schlagen und vorwärts gehen.“

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