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Siebenter Brief.

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Bologna, den 27. Fructidor.

„Ach! mein Mütterchen, wie klug Du bist! ohne daß ich Dir ein Wort gesagt habe, hast Du's errathen, daß ich in jenem verdammten Capua unter der Herrschaft einer heftigen Neigung stand. Frage mich nicht weiter, ich bitte Dich! es giebt Dinge, die man lieber erzählt, als schreibt. Bedenke, daß ich im Alter der lebhaften Empfindungen stehe — ich bin nicht dafür verantwortlich zu machen, wenn ich leidenschaftlich empfinde. Ich war berauscht, aber ich habe auch gelitten — also verzeihe mir und erinnere Dich, daß ich Mailand mit Freuden verlassen habe, mit dem festen Willen, mich den Pflichten meines Berufs zu widmen. Später werde ich Dir Alles kaltblütig erzählen; schon jetzt habe ich in den Aufregungen meines Berufes die Ruhe des Geistes wiedergefunden. Den Auftrag des Generals habe ich nach besten Kräften ausgerichtet. Die ganze Operationslinie habe ich in drei Tagen durcheilt. Gestern bin ich angekommen und denselben Abend habe ich die Genugthuung gehabt, meinen Rapport, mit welchem der General sehr zufrieden war, dem Oberbefehlshaber zusenden zu sehen. Auf solche Art dient man doch nicht als Maschine und ich liebe den Krieg, sobald ich seine Thätigkeit und seinen Grundgedanken begreife. Er ist für mich wie eine schöne Schachpartie, für den armen Soldaten dagegen ist es nur ein gemeines Hasardspiel. Es ist wahr, daß viele Männer, die mir in mancher Beziehung überlegen sind, ihr Leben in untergeordneten Anstrengungen zubringen müssen, welche niemals durch die Freude zu wissen und zu begreifen verschönert werden. Ich bedaure sie und ich würde ihre Leiden theilen, wenn ich sie dadurch zu mildern im Stande wäre. Aber das ist unmöglich — und da mir die Erziehung einiges Licht gegeben hat, muß ich doch meinem Vaterlande, dessen Vetheidigung ich mich mit Eifer gewidmet habe, ebensogut mit den geringen Fähigkeiten meines Verstandes, als mit der Thätigkeit meiner Glieder dienen! Herr von Latour d'Auvergne, dieser Held, den ich beweine, war meiner Ansicht, als ich ihm dies sagte und er fand, daß ich trotz meines keimenden Ehrgeizes und trotz Deiner mütterlichen Sorge, ein ebenso guter Patriot wäre, als er selbst. Seine Bescheidenheit hat mir vor allem Andern einen unauslöschlichen Eindruck gemacht — ich werde ihn nie vergessen und mein Leben lang wird er mein Vorbild sein. Eitelkeit befleckt das Verdienst der schönsten Thaten, aber ein einfaches Wesen, ein bescheidenes Stillschweigen über sich selbst erhöht deren Werth und sichert denen, die wir bewundern, unsere Liebe. Ach! Er ist nicht mehr. Er hat einen ruhmvollen Tod gefunden, der seiner würdig war. Du verdammst ihn jetzt nicht mehr — und Du wirst ihn mit mir beweinen!

„Uebrigens beharrst Du in Deiner Abneigung gegen alle Helden. Da ich nun noch keiner bin, habe ich für den Augenblick nichts zu fürchten — aber verbietest Du mir vielleicht auch nach dem Heldenruhme zu streben? ich wäre im Stande darauf zu verzichten, wenn Du mich mit dem Aufhören Deiner Liebe bedrohtest; und statt der Lorbeeren würde ich auf Deinen Gartenbeeten Kohl pflanzen. Uebrigens hoffe ich noch immer, daß Du Dich an meinen Ehrgeiz gewöhnst und daß es mir gelingen wird, Verzeihung dafür zu erlangen.

„Ich habe die Staaten des Herzogs von Parma durchreist und glaubte mich in das Jahr 1788 zurückversetzt. Lilien, Wappen, Livreen, Claque-Hüte und rothe Absätze, das ist doch, meiner Treu, für unsere Zeit sehr lächerlich! In den Straßen betrachteten sie uns wie Wunderthiere, und in den Blicken der Leute war ein Gemisch von Schrecken, Abscheu und Hohn, das sich ganz komisch ausnahm; sie haben die Dummheit, die Feigheit und alle Vorurtheile unserer pariser Royalisten. Unser Kriegscommissair, ein sehr liebenswürdiger junger Mann, verlebte den Abend in einem der vornehmen Häuser des Ortes. Er erzählte uns, daß sich alle Gespräche um den Stammbaum jeder Familie in des Herzogs Staaten gedreht hätten. Um sich zu amüsiren, erzählte er ihnen, daß sich in der Stadt ein Enkel des Marschalls von Sachsen befände, und daß derselbe im Dienst der Republik stehe. Dies verursachte in der Gesellschaft einen lauten Schrei der Entrüstung und des Erstaunens; man konnte sich gar nicht darüber beruhigen und doch wagte man nicht, in Gegenwart dieses jungen Mannes Alles zu sagen, was man über diese Schändlichkeit dachte. Ich habe sehr darüber gelacht.

„In dieser guten Stadt Parma habe ich die Malerakademie und das ungeheure Theater besucht, das Farnese nach dem Muster eines allen Cirkus gebaut hat. Seit zwei Jahrhunderten wird nicht mehr darin gespielt; es zerfällt in Ruinen, aber es ist noch immer der Bewunderung werth. In Bologna habe ich die Gallerie San-Pietri, eine der schönsten Gemäldesammlungen in Italien, gesehen. Sie enthält die schönsten Werke Raphael's, Guido Reni's, Guercino's und der Carracci's.

„Lebe wohl, meine theure Mutter, liebe mich, zanke mit mir — aber laß Deine Briefe recht lang sein, denn ich habe niemals genug daran.“

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