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Zwölfter Brief.

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Bologna, den 15. frimaire IX (Novbr. 1800).

„An dem vorsichtigen Style meines letzten Briefes konntest Du sehen, meine liebe Mutter, daß ich ihn in der Ueberzeugung schrieb, er würde eine halbe Stunde später von dem Staatssekretair Monsignor Gonsalvi gelesen werden, der unter der Maske des Vertrauens und der Freundschaft nicht müde wird, uns nachzuspüren, so viel er kann. Wir waren indessen zu keinem andern Zwecke in Rom, all um zwei Briefe hinzubringen: den einen an den Papst, um von ihm die Freilassung mehrerer Personen zu verlangen, die ihrer politischen Meinung wegen gefangen gehalten wurden; den andern an den neapolitanischen Oberbefehlshaber, damit er seiner Regierung die Notiz zugehen lassen sollte, daß wir den General Dumas [Der Vater von Alexandre Dumas.] und Herrn Dolomieu zurückforderten, und daß, falls man die Erfüllung dieser Forderung verweigere, die französischen Bayonette bereit wären, ihre Schuldigkeit zu thun. Obgleich wir nur Ueberbringer dieser Depeschen waren, glaubte man doch, wir seien gesandt, um eint Insurrektion und Bewaffnung der Jacobiner in's Werk zu setzen und in dieser schönen Ueberzeugung lud man uns zwei neapolitanische Offiziere auf den Rücken, die, unter dem Vorwande uns zur Ehrenwache zu dienen, uns ebensowenig verließen wie unsere Schatten. Man umringte uns mit Fallstricken und Spionen, verstärkte die Garnison und unter dem Volke ging das Gerücht, die Franzosen seien im Anzuge. Es war ein Teufelslärm. Der König von Sardinien, der sich in Neapel befand, flüchtete sich sogleich nach Sicilien. Der Staatssekretair zitterte, uns in Rom zu sehen, und wiederholte, um uns Furcht zu machen, ohne Aufhören, daß er fürchtete, man würde uns ermorden, und daß es klug sein würde, wenn wir die französische Uniform ablegten. Wir antworteten ihm, daß keine Befürchtung, welche sie auch sei, uns vermögen könnte, die Kleider zu wechseln, und was die Mörder betreffe, so wären wir schlimmer als sie, und der erste, der uns zu nahe käme, würde ein todter Mann sein. Um uns noch mehr zu erschrecken, ließ man Abends mit vielem Aufsehen an unsrer Thür Leute verhaften, die mit großen ungeschickten Dolchen bewaffnet waren. Wir sahen wohl, daß man nur Komödie spielte und erwarteten in aller Ruhe die Antwort des Königs von Neapel, die, wie der General Damas uns sagte, umgehend ankommen sollte. Zwölf Tage mußten wir warten und gewannen während dieser Zeit sowohl durch unser Betragen als durch unsere Manieren das allgemeinste Wohlwollen. Wir empfingen alle Gesandte und machten ihnen Gegenbesuche. Bei der Visite, die wir Nachmittags beim Papste abstatteten, machte meine große Uniform, sowie die meines Kameraden, der ebenfalls bei den Husaren steht, den besten Effekt. Als wir eintraten, erhob sich der Papst von seinem Sitze, drückte uns die Hand, ließ uns zu seiner Rechten und Linken niedersitzen und dann hatten wir eine sehr ernste und interessante Unterredung mit ihm, über den Regen und das schöne Wetter. Nach Verlauf einer Viertelstunde, und nachdem er sich sehr genau nach unserm Alter, Namen und Stande erkundigt hatte, empfahlen wir uns; er drückte uns wieder die Hände, indem er um unsere Freundschaft bat, die wir ihm gütig zusicherten und dann gingen wir, der Eine mit dem Andern sehr zufrieden auseinander. Es war Zeit, denn ich fing an, vor Lachen zu ersticken, meinen Kameraden und mich, zwei Taugenichtse von Husaren, majestätisch zur Rechten und Linken des Papstes sitzen zu sehen. Es winde ein wahrer Calvarienberg gewesen sein, wenn ein rechter Schächer dabei gewesen wäre.

„Den andern Tag wurden wir der Herzogin Lanti vorgestellt. Es war dort eine sehr große Gesellschaft. Ich traf den alten Chevalier von Bernis und den jungen Talleyrand, der Adjutant bei dem General Damas ist. Die Bekanntschaft mit Herrn von Bernis war bald erneuert und ich plauderte mit ihm von Paris und der ganzen Welt. Meine Bekanntschaft mit diesen zwei Personen machte den größten Eindruck auf die Geister der Römer und Römerinnen und von diesem Augenblicke an erkannten sie, daß wir keine Räuber wären, die kämen, um die ewige Stadt an allen vier Ecken in Brand zu stecken.

„Auch unsere Art zu leben gab ihnen einen großen Begriff von unsern Verdiensten. Der General Dupont hatte uns nämlich viel Geld gegeben, um die französische Nation würdig repräsentiren zu können, und wir haben diese Aufgabe auf das Beste gelöst. Wir hielten uns Wagen, Logen, Pferde; gaben Conzerte und feine Diners. Es war sehr unterhaltend und wir haben es so gut zu machen gewußt, daß wir ohne einen Sou zurückkehren. Diesmal war es sehr leicht, dem Vaterlande zu dienen, aber wir hinterlassen den Römern eine große Bewunderung für unsre Prachtliebe und den Armen eine große Erkenntlichkeit für unsere Freigebigkeit. Die letztere ist ein fürstliches Vergnügen und gewiß das süßeste.

„Der Staatssekretair trieb die Gefälligkeit so weit, uns den unterrichtetsten Alterthumskenner Roms zu schicken, der uns alle Wunderwerke zeigen sollte. Ich habe so viel gesehen, daß ich ganz dumm davon geworden bin. Alle Originale unsrer schönen Arbeiten und dann alles alte Gemäuer, von dem entzückt zu sein, zum guten Ton gehört; ich gestehe, daß sie mich sehr gelangweilt haben, und daß ich, dem Enthusiasmus für die alten Römer zum Trotz, die St. Peterskirche zu Rom allen diesen Haufen alter Ziegel vorziehe. Indessen habe ich mit Interesse die Grotte der Nymphe Egeria und die Ueberreste der Brücke gesehen, auf der sich Horatius Cocles schlug — ein braver Husaren-Offizier seiner Zeit.

„Die Nachricht von dem Wiederbeginnen der Feindseligkeiten machte endlich unsrer Größe ein Ende. Wir schrieben an Herrn von Damas, daß der Wunsch, wieder zu unsern Fahnen zurückzukehren, uns nicht erlaube, länger auf die Antwort des Königs von Neapel zu warten, und reisten ab, begleitet von unsern Wächtern, den zwei neapolitanischen Offizieren, die uns erst bei unsern Vorposten verließen. Herr von Damas nahm auf die liebenswürdigste Weise Abschied von uns, und dankte uns für unser Betragen.

„Nach einer Reise von drei Tagen und drei Nächten sind wir eben in Bologna angekommen, und ich benutze die Zeit, während man unsere Pferde anspannt, um mich mit Dir zu unterhalten. Der General Dupont steht jenseit des Po — morgen werde ich bei ihm sein. Ich hoffe jetzt, daß wir nach Venedig gehen — es wird von unsern Erfolgen abhängen. Ich meinestheils habe die Ueberzeugung, daß wir den Feind überall schlagen. Seit der Schlacht von Marengo wird unser Name von Schrecken begleitet. Man spricht jedoch von einem neuen Waffenstillstande und die Armeen haben bis jetzt keine entschieden feindlichen Bewegungen gemacht.

„Wie bedauere ich, meine gute Mutter, daß wir Rom nicht gemeinschaftlich gesehen haben. Du weißt, daß wir in meiner Kindheit oft davon träumten! Bei allem Schönen, das ich sah, dachte ich an Dich und meine Freude wurde durch den Gedanken vermindert, daß Du sie nicht theiltest. Adieu, ich liebe und umarme Dich von ganzem Herzen. Man ruft zur Abreise — ich möchte immer mit Dir plaudern und werde an nichts, als an Dich denken von Bologna bis nach Casale-Maggiore.

„Ich umarme Freund Deschartres. Sage ihm, daß ich die Ruinen der Häuser von Horaz und Virgil und die Büste Cicero's gesehen und den berühmten Schatten gesagt habe: Meine Herren, ich habe Sie mit meinem Freunde Deschartres übersetzt, und Ihre erhabenen Werke haben mir mehr als ein: „Arbeiten Sie doch! Sie träumen!“ eingetragen.

„Ein ungeheurer botanischer Garten erinnerte mich ebenfalls an meinen theuern Lehrer, und wenn ich, als Dummkopf der ich bin, nichts Interessantes von Blättern, Stengeln und Staubgefäßen gefunden habe, so fand ich dort wenigstens die Erinnerung an meinen alten und aufrichtigen Freund. Pflanzt er noch immer viel Kohl? Ich zause meine Bonne und umarme sie herzlich.“

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