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Kapitel II.7 Trennung

Nach der Präsentation des Projektes vor den Repräsentanten der Regierung war Conor für ein paar Tage nach Hause in die Connemara gefahren. Er hatte sein Studium Summa Cum Laude abgeschlossen und wollte sich für einige Tage im Haus seiner Eltern erholen. Conors Freundin Aoife Nealan war ebenfalls für ein paar Tage zu ihren Eltern nach Cork gereist. Beide wollten sich aber nach einer Woche bei Conors Eltern treffen. Die waren schon sehr gespannt, Aoife das erste Mal zu sehen.

Und so stand er nun da am Vortag seines 29. Geburtstages mit dem Brief der Regierung in der Hand. Er wagte es kaum, den Umschlag zu öffnen. Zu gespannt war er auf den Inhalt. Er mochte sich nicht vorstellen, dass das „Dezernat für Renaturierung und Ansiedlung ausgestorbener Tierarten“ seinem Projekt eine Absage erteilen würde. Schließlich hatte er in seinem Antrag, den er während seines Studiums immer wieder verfeinert hatte, alle Pro und Contra abgewogen, genauestens analysiert und jeden einzelnen Punkt bewertet und gewichtet. Somit war seine Empfehlung für die Wiederansiedlung in freier Wildbahn lebender Wölfe nicht nur ein rein emotionales Votum sondern ein auf die Abwägung und Gewichtung aller Einflussfaktoren basierendes wissenschaftlich nachvollziehbares Ergebnis gewesen.

Deirdre beobachtete schon eine gewisse Zeit, wie Conor zögernd den Brief in der Hand hielt. Sie kannte den Absender, schließlich hatte sie an dem Morgen den Briefkasten geleert. Conors Schwester war schon früh nach Roundstone gelaufen, um einige Lebensmittel einzukaufen. Der Briefkasten befand sich circa achtzig Meter vom Farmhaus der McGinleys entfernt an der Einmündung zum Weg nach Roundstone.

„Soll ich den Brief für dich öffnen, Conor?“, fragte Deirdre ihren immer noch unentschlossenen Bruder.

„Ich bin ja sonst nicht abergläubisch, aber in diesem Fall wäre ich dir doch sehr dankbar, wenn du den Brief öffnen würdest. Und erzähle mir nur den Inhalt, wenn er positiv ist“, erwiderte Conor.

Gespannt wartete er, bis Deirdre den Inhalt des Briefes gelesen hatte. Nun konnte Conor die Spannung allerdings nicht länger ertragen:

„Nun erzähl` schon, was schreiben sie?“.

Deirdre erzählte nichts, sie flog nur ihrem Bruder um den Hals und rief:

„Herzlichen Glückwunsch, mein großer, starker Bruder. Ich beneide dich und bin stolz auf dich. Du hast es geschafft. Die Regierung stimmt dem Projekt zu, deinem Projekt.“

Conor fielen einige Steine vom Herzen, hatte er sich doch schon so auf diesen neuen Lebensabschnitt fixiert, dass er keine Alternative zugelassen hätte. Schließlich sollte dieses Projekt die Basis sein für seine Promotion über das Thema „Auswilderung ausgestorbener Tierarten anhand des Beispieles von Wölfen in Irland“.

„Wir müssen Vater und Mutter die tolle Nachricht überbringen“, rief Deirdre und rannte auch schon so schnell sie konnte aus dem Haus in Richtung Schafsweide, wo Angus und Martha McGinley gerade ihre Schafe fütterten. Das Land allein ernährte die Schafe nicht das komplette Jahr hindurch. Zu bestimmten Zeiten mussten sie zufüttern, damit die Schafe über den Winter kamen.

„Mutter, Mutter, Vater, der Brief von der Regierung ist da, Conor hat den Job. Er wird nach Donegal ziehen und seinen Doktor machen. Ist das nicht fantastisch?“, rief Deirdre ihren Eltern schon von weitem entgegen.

In ihrem Schlepptau kam auch Conor angerannt, ein breites Strahlen auf dem ganzen Gesicht.

Niemals hätten seine Eltern ihm dieses Abenteuer ablehnen können, obwohl sie ihn so dringend auf der Farm gebraucht hätten. Aber es würde auch so gehen. Gehen müssen. Irgendwie. Wie es immer gegangen war.

Und so kamen auch Angus und Martha mit stolzgeschwellter Brust auf ihren Sohn zugelaufen und fielen ihm um den Hals.

„Herzlichen Glückwunsch, mein Sohn“, rief Angus schon von weitem mit Tränen des Stolzes und der Freude in den Augen. Seine Mutter kam mit einigen Metern Abstand ebenfalls auf ihn zu, zog ihren Sohn an sich, umarmte ihn innig und weinte bitterlich vor Freude aber auch vor Angst, was nun aus ihm werden würde so allein und einsam in den Bergen des fernen und wilden Donegal.

Nun war Donegal nicht so weit entfernt, als dass sie ihren Sohn nicht mal würden besuchen können, doch niemals waren sie bisher aus der Connemara heraus gekommen. Welchen Grund hätte es auch gegeben? In Roundstone und Clifden erhielten sie alles, was sie zum Leben brauchten. Allenfalls zweimal im Jahr fuhren sie zum Schafsmarkt nach Galway.

Das heißt, einmal hatten sie Conor in Dublin besucht. Als er sein eigenes Zimmer bezogen hatte. Aber damals hatte Marthas Bruder Mathew sie mit seinem eigenen Wagen nach Dublin gefahren. Mathew bedeutete nicht umsonst Geschenk Gottes. Und genau das war ihr Bruder auch für Martha. Niemals hätte Mathew seiner Schwester je einen Wunsch oder gar eine Bitte abgeschlagen.

Deirdre hatte Conor zu dessen Studienzeiten häufiger in Dublin besucht. Sie kannte inzwischen die Fahrpläne der Busse und Bahnen in Richtung Connemara sehr genau. Deirdre hatte es immer genossen, mit ihrem Bruder in den Pubs von Dublin zu musizieren. Sie brauchten damals nur ein Schild in den Fenstern der Pubs entdecken mit dem Hinweis Musicians welcome, dann waren sie nicht mehr zu halten gewesen. Gemeinsam hatten sie mit weiteren musizierenden Gästen dann die traditionellen irischen Lieder bis in die frühen Morgenstunden gespielt.

Auch Conor hatte es jedes Mal genossen, wenn seine Schwester ihn besuchen kam. Brachte sie doch die unbeschwerte Fröhlichkeit der Connemara mit. Sie verkörperte für ihn ein Stück Heimat, die er nur noch so selten zu sehen bekommen hatte. Und Deirdre musste in dieser Zeit der Ersatz für die gesamte Familie sein, die er doch so sehr vermisste.

Aber die Besuche waren immer seltener geworden, weil auch Deirdre sich auf ihre berufliche Ausbildung konzentrieren musste. Sie machte eine Schneiderinnenausbildung, war aber fest entschlossen, später ihre eigenen Kollektionen entwerfen zu wollen. Sie war kreativ und durchsetzungsfähig genug, um diesen Wunsch auch Wirklichkeit werden zu lassen. Conor bezeichnete sie häufig als den Terrier der Familie, der sich immer durchsetzte, egal welche Probleme oder Aufgaben auch gerade zu meistern waren. Als berufliche Option nannte Deirdre immer das Führen eines eigenen Pubs, in dem musiziert, gesungen und getanzt werden sollte.

Und nun hieß es für Conor, schon wieder bald die Familie zu verlassen und allein auf sich gestellt zu sein. Im Unterschied zu seiner Studienzeit in Dublin allerdings mit einem weitaus höheren Grat an Verantwortung. Verantwortung für die Tiere, für das Budget -schließlich vertraute ihm die Regierung einen nicht unerheblichen Etat für das Projekt an-, für die Sicherheit von Menschen und Tieren, für die Protokollierung der Projektergebnisse und pünktliche Weitergabe an die Regierung, für das friedliche Zusammenleben mit den benachbarten Farmern und viele andere Verantwortlichkeiten mehr.

Einen genauen Umsetzungsplan für die erste Phase des Projektes mit den Zuständigkeiten, Aufgaben und dem Zeitstrahl auf dem sie zu erledigen waren, würde er in den kommenden Tagen erstellen und mit Jim Gallagher abstimmen. Jim Gallagher war der für die Regierung zuständige Beamte, der ihm in dem Brief als sein Ansprechpartner für das Gesamtprojekt genannt worden war. In dem Brief hieß es, er, Conor solle sich in den kommenden Tagen mit Jim Gallagher in Verbindung setzen, um die ersten Details zu erörtern und einen konkreten Realisierungsplan zu erstellen.

Inzwischen war auch Aoife aus Cork in die Connemara gereist. Conors Eltern hatten sie sofort in ihr Herz geschlossen. Nichts anderes hatte Conor allerdings erwartet. Er wusste, wie seine Eltern tickten und war sich im Vorfeld schon sicher gewesen, dass sie Aoife sofort mögen würden.

Nun musste er allerdings mit der gesamten Wahrheit herausrücken. Ein wenig mulmig war ihm dabei schon zumute, kam doch plötzlich das Gefühl in ihm auf, er hätte Aoife vielleicht schon etwas eher von dem Projekt erzählen sollen. Aber das hatte ihm sein Aberglaube verboten.

So fuhren sie am Abend in das Pub von Roundstone.

„Aoife, ich muss dir etwas Wichtiges erzählen. Während des letzten Semesters in Dublin habe ich einen Projektantrag erarbeitet, von dem ich dir zwar ansatzweise erzählt habe, aber nicht, was daraus geworden ist. Diesen habe ich gemeinsam mit meinen Professoren den Vertretern der Regierung vorgestellt. Und jetzt habe ich die Antwort erhalten. Stell` dir vor, dem Projektantrag wurde zugestimmt und ich werde die Leitung und Umsetzung des Projektes übernehmen. Ich werde zuständig sein für die Wiederansiedlung von Wölfen in freier Wildbahn. Dazu werde ich mich in den kommenden Tagen mit Jim Gallagher von der Regierung treffen und das weitere Vorgehen besprechen. Ist das nicht toll? Du und ich können gemeinsam Geschichte schreiben.“

„Moment, Conor, habe ich das richtig verstanden? Du und ich werden gemeinsam in diesem Projekt arbeiten? Und wieso erfahre ich erst jetzt davon? Wo soll das Ganze überhaupt stattfinden und wie soll das konkret ablaufen?“

„ Wie das konkret ablaufen kann, werde ich noch erarbeiten. Auf jeden Fall wird die Umsetzung in einer einsamen Gegend von Donegal erfolgen. Dort werde ich nach einem passenden Gelände suchen. Voraussichtlich wird es auf dem Areal eines bereits bestehenden Nationalparks erfolgen, das würde die Umsetzung wesentlich einfacher machen und viel Zeit einsparen. Stell` dir vor, du und ich in einem einsamen Cottage in den Bergen von Donegal. Jeden Tag in Gottes freier Natur mit den Wölfen und anderen Tieren und mit der Chance, etwas Einmaliges zu schaffen.“

„Conor, das hättest du vorher mit mir besprechen müssen. Ich habe studiert, um Lehrerin zu werden, nicht um in den einsamen Bergen von Donegal Wölfe anzusiedeln. Ich war immer davon ausgegangen, dass wir gemeinsam über unser Leben entscheiden und uns nach dem Studium gemeinsam einen Job suchen. Ich bin nicht für die Einsamkeit geboren. Ich brauche Menschen um mich herum. Ich bin voller Erwartung, meine erste Schulklasse zu unterrichten. Ich möchte so viel verändern gegenüber meiner Zeit in der Primary School. Ich will doch nicht umsonst studiert haben. Kannst du nicht das Projekt von anderen Leuten umsetzen lassen? Es ist und bleibt doch immer noch dein Projekt und deine Idee, und dein Name wird unauslöschlich mit dem Erfolg verbunden sein, wenn das Projekt gelingen sollte.“

„Das geht nicht, Aoife. Die Regierung macht die Bewilligung der Gelder davon abhängig, dass ich die Umsetzung des Projektes auch selbst leite. Sie will mich da absolut in die Verantwortung zwingen. Du kennst doch die Beamten. Sollte das Projekt gelingen, werden sich alle in dem Erfolg sonnen. Sollte es allerdings scheitern, und es gibt in dem Zusammenhang mehr als genug Risikofaktoren, dürfte die gesamte Verantwortung auf mich geschoben werden. Beamte lieben diese Worte absolut nicht: Verantwortung, Risiko und Gefährdung. Das hat mir mein Prof bereits gesagt. Fakt ist also, dass das Projekt ohne mich nicht umgesetzt werden wird.“

„Fakt ist allerdings auch, dass ich nicht meine Chance auf meinen Pädagogenjob gegen die Einsamkeit der Berge Donegals tauschen werde. Ich bin ein Mensch, der soziale Kontakte braucht. Für mich kommt Beruf von Berufung, und meine Berufung ist es nicht, Wölfe in Donegal anzusiedeln. Und das war auch nie zwischen uns vereinbart.“

Aoife wusste nicht, was hier im Augenblick überhaupt passierte. Das erste Mal war sie so richtig wütend auf Conor. Vielleicht nicht auf ihn direkt, aber darauf, dass er sie vollkommen im Unklaren gelassen hatte.

„Aoife, versteh` doch. Ich konnte es dir bisher nicht erzählen. Wenn mein Projektantrag abgelehnt worden wäre, und die Tendenzen gingen eher in diese Richtung, hätte ich niemals mehr darüber gesprochen. Wer steckt schon gern zu Beginn seiner beruflichen Karriere eine Niederlage oder zumindest einen Rückschlag ein? Ich war halt abergläubisch und wollte zunächst die Entscheidung der Regierungsvertreter abwarten. Aber in meinen Träumen hatte ich mir das immer schon so romantisch ausgemalt. Mit dir zusammen im ersten gemeinsamen Haus zu leben, unter den Sternen Donegals, die dort heller leuchten sollen als irgendwo sonst auf der Welt.“

„Da ist auch dein Aberglaube keine Entschuldigung. Unter Partnern bespricht man solch` entscheidende Dinge im Vorfeld und schafft keine Tatsachen. Ich werde meine Tatsachen jetzt schaffen. Ich kann verstehen, dass es deine Berufung ist, mit den Wölfen in Donegal zu arbeiten. Meine ist es, Kindern das Einmaleins beizubringen. Ich möchte eine gute Lehrerin werden. Tut mir leid, Conor. Ich werde morgen abreisen. Und habe bitte Verständnis für meine Entscheidung“, war Aoife fest entschlossen.

„Überleg` es dir doch noch einmal!“, bat Conor, obwohl er wusste, dass Aoife längst ihre Entscheidung getroffen hatte. Und er kannte sie nur zu gut um zu wissen, dass sie ihre getroffene Wahl nicht mehr revidieren würde.

„Ich mache dir einen Vorschlag: Das nächste halbe Jahr wird jeder an der Realisierung seiner beruflichen Träume arbeiten. Danach ziehen wir Bilanz und schauen, ob es nicht doch eine gemeinsame Zukunft geben kann“, schlug Conor vor.

„Conor, so leid es mir tut. Ich sehe mich nicht als Versuchskaninchen im Wartestand. Für mich gibt es nur ganz oder gar nicht. Du weißt, dass ich keine halbe Sachen mag. Das bedeutet nicht, dass du für mich ab sofort gestorben bist. Aber sollten sich unsere Wege hier und heute trennen, dann gehe ich meinen Weg zunächst konsequent allein weiter. Ich werde und kann dir nicht versprechen, für den Rest meines Lebens auf dich zu warten. Dazu ist das Leben einfach zu kurz und schon kompliziert genug.“

Am nächsten Morgen reiste Aoife ab. Für Conor brach eine Welt in sich zusammen. Ein Leben ohne Aoife hatte er sich nicht mehr vorstellen können. In seinen kühnsten Träumen war sein Leben rosarot an ihm vorbei gezogen. Gemeinsam mit ihr den Traum seines Lebens umzusetzen, an etwas anderes hatte er nie mehr gedacht. Umso niedergeschlagener war er nun. Wie sollte es ohne sie weiter gehen? Darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht. Conor McGinley, der ein Riesenprojekt geplant hatte, hatte keinen privaten Plan B. Ihn überfiel ein Gefühl der vollkommenen Leere. Er fühlte sich krank, kränker als jemals zuvor. Und er erkannte, dass es keine Medikamente gegen diese Krankheit gab. Conor hatte ja keine körperlichen Schmerzen, oder doch? Seine kranke Seele griff sogar all` seine Organe an. Sein Herz schmerzte, sein Bauch tat ihm weh, sein Kopf war zum Bersten gespannt. Conor, das Wolfsblut hatte das Gefühl, er könnte jeden Augenblick explodieren. Wenn er allein unter der Dusche stand, schrie er vor Schmerz und Leidenschaft. Er fühlte sich wie ein Junkie auf Entzug. Er krümmte sich in seinem Bett und weinte bittere Tränen der Enttäuschung und des Schmerzes. Niemals hatte er seine Freunde verstehen können, wenn sie ihm von Liebeskummer erzählt hatten. Jetzt konnte er es. Wobei ihm die Bezeichnung Liebeskummer jetzt nach seinen Erfahrungen als so unpassend, ja infantil vorkam. Es war der größte Schmerz, den er sich vorstellen konnte. Die größte Folter, die man einem Menschen zufügen konnte. Alle körperlichen Schmerzen verblassten dagegen, das wurde Conor nun bewusst. Und er wusste auch nicht, wie lange diese Schmerzen anhalten würden. Was er wusste war, dass eine Grippe eine gute Woche gebrauchte, ein Knochenbruch vielleicht sechs Wochen. Aber die Dauer bis zur Überwindung dieser Krankheit konnte er nicht einschätzen. Sein Studienfreund Eddie Parslow hatte ihm mal erzählt, die Leidenszeit halte so lange an, wie die Beziehung vorher gedauert habe. Das mochte er sich nicht vorstellen. Diese Schmerzen würden ihn bis dahin umgebracht haben. Allein die unerfüllte Sehnsucht nach Aoife, ihre Nähe, Ihre Stimme, ihre Augen, ihr roter Mund, ihre langen Haare, ihr seichter Gang, ihr Parfüm, ihr ganzes Wesen. Niemals würde er wieder eine Frau so lieben können wie diese. Niemals würde er wieder eine Frau so lieben wollen, wie diese. Nicht noch einmal wollte er diesen Schmerzen ausgesetzt sein, selbst wenn er dafür auf sein persönliches Glück verzichten müsste. Das war es die Sache nicht wert, dessen war er sich in diesen Tagen sicher.

Keiner ließ sich freiwillig das zweite Bein amputieren, wenn er bereits das erste verloren hatte. Keiner würde sein zweites Auge riskieren, wenn ihm bereits eines ausgestochen worden war.

Sein Vater Angus, der seinem Sohn in dieser Phase hilflos gegenüber stand, riet ihm, sich in sein Projekt zu stürzen:

„Kümmere dich um die erfolgreiche Umsetzung deiner Idee, Conor“, sagte Angus zu ihm. „Das ist das Einzige, was dir in deiner Situation etwas helfen kann. Ich weiß, es klingt banal und abgedroschen, aber es stimmt immer noch: Nur die Zeit heilt alle Wunden. Es werden Narben bleiben, aber die Wunden werden heilen. Glaube es mir.“

Jeder Versuch Conor zu trösten, von wem auch immer er unternommen wurde, war nicht nur vergeblich sondern im Gegenteil, eher Schmerz fördernd.

Aber wenn sich sein Vater schon Sorgen machte, hatte das für Conor eine andere Qualität.

Und so kramte er seine Projektunterlagen hervor und studierte sie noch einmal intensiv, um sich auf das Gespräch mit Jim Gallagher vorzubereiten. Er konnte nicht noch einen Nackenschlag innerhalb kürzester Zeit vertragen.

Zwei Wochen später rief er Jim Gallagher an und vereinbarte mit ihm ein erstes Treffen in Donegal, um die ersten Schritte zu besprechen. Sie verabredeten, dass Conor bereits einige Tage vor Jim Gallagher nach Donegal reisen solle, um eine passende Unterkunft zu finden.

So packte Conor McGinley am kommenden Tag seine Koffer und verabschiedete sich von seiner Familie, die ihn unter diesen Umständen jedoch nur widerwillig ziehen lassen wollte. Doch Angus wusste, dies wäre der beste Weg für Conor, mit seinem Leiden fertig zu werden. Und so war Conors Vater andererseits froh, dass sein Sohn sein Leben wieder in die Hand zu nehmen schien. Nur seine Sorgen um ihn wurden dadurch nicht geringer.

Wie würde sein einziger Sohn nur allein in der Einsamkeit Donegals klar kommen?

Wie sollte er nur die Trennung von Aoife ohne Schaden für sich und andere überstehen?

Die Rache der Wölfe

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