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1. Der Engelsturz

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Der erste Abfall der rationalen Kreatur aus der göttlichen Schöpfung und Weltordnung war Luzifers Sturz, der als Tat des Hochmuts (superbia) begriffen wird. Er wird jedoch nicht am Beginn des Schöpfungsberichts (Gen. 1) mitgeteilt, sondern erst von den Exegeten hier eingeordnet, nämlich auf den ersten Schöpfungstag gesetzt: „Und Gott sprach: Es werde Licht (fiat lux), und das Licht entstand. Und Gott sah das Licht, dass es gut war, und er teilte das Licht von der Finsternis; und er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht“ (Gen. 1,3 – 5). Zu Beginn seines großen heilsgeschichtlichen Trinitätswerks ‘De sancta Trinitate et operibus eius’, das zugleich ein Bibelkommentar von der Genesis bis zur Apokalypse ist, stellt Rupert dieses Geschehen in Einklang mit der Tradition ausführlich dar. Er sagt: „Es fiel der Engel und wurde Teufel. Dieses schreckliche Urteil wird in der Trennung von Licht und Finsternis angedeutet. Denn wer ist jene Finsternis, wenn nicht alle Engel Satans zusammen mit diesem ihrem Fürsten?“2 Erst mit der Trennung der Engel, die das Licht sind, von der Finsternis tritt die Ironie in die Erzählung ein, dadurch dass zwei weitere Bibelstellen zur Interpretation dieses verhüllten Sprechens herangezogen werden. Der entscheidende Text aus dem Propheten Ezechiel (28,12 ff.), der nach mittelalterlichem Verständnis deutlich über Erhebung und Sturz Luzifers spricht, scheint ihn zu loben, tadelt aber aufs schärfste: „Dies spricht Gott der Herr: Du bist das Siegel der Ähnlichkeit, voll von Weisheit und vollkommen in der Schönheit. Du warst in den Freuden des Paradieses Gottes. Alle kostbaren Steine bekleiden dich: Sarder, Topas und Jaspis, Chrysolith, Onyx und Beryll, Saphir, Karfunkel und Smaragd, Gold war dein Schmuckwerk. Und deine Schmuckstücke sind an dem Tage, als du erschaffen wurdest, gefertigt worden. Du warst ein ausgebreiteter schirmender Cherub, und ich setzte dich auf den heiligen Berg Gottes, und du wandeltest inmitten leuchtender Steine. Du warst vollkommen in deinem Wandel vom Tag deiner Erschaffung an, bis Schuld an dir gefunden wurde. In der Vielfalt deiner Geschäftigkeit wurde dein Inneres mit Bosheit erfüllt und du hast gesündigt, und ich habe dich vom Berge Gottes hinabgeworfen und dich vernichtet, du schirmender Cherub aus der Mitte der leuchtenden Steine. Dein Herz erhob sich wegen deiner Schönheit und über deine Schönheit hast du deine Weisheit verloren […].“3

Mit hartem Tadel und mit Ironie sprach der Prophet und durch ihn Gott dieses Urteil über Luzifer. Schon der Name Cherub ‘Fülle der Weisheit’ ist ironisch für diesen Abtrünnigen, ebenso die Qualität der Ähnlichkeit und das Gewand mit Edelsteinen, kommentiert Rupert es doch: „Das ist mit Ironie gesprochen, sage ich, das heißt, in Wahrheit waren Edelsteine nicht sein Kleid; denn die neun Engelchöre, die durch diese Steine bedeutet werden, sind der Schmuck allein des Schöpfers, und er selbst, der sie zu seinem Lob und Ruhm schuf, ist angetan mit diesem Licht wie mit einem Kleid; doch weil er [Luzifer] glaubte, dass es zu ihm passe, hat er sich geirrt.“4 Um die ironische Aussage des Textes an einer Schriftstelle ohne ironische Verstellung zu verifizieren, zieht Rupert Isaias 14,11 – 14 zur Bestätigung heran, eine Bibel-Stelle, die für diesen Sachverhalt als Klartext gelten kann und in der Exegesetradition so verstanden wurde. Vor allem der hier ausgeführte innere Monolog Luzifers, der seinen Sitz über den Gottes stellen und dem Höchsten gleich sein will, hat dieses Verständnis gefestigt: „Herabgezogen ist dein Hochmut zur Hölle […] wie bist du vom Himmel herabgefallen, Luzifer, der du am Morgen aufgingst? Du bist auf die Erde gestürzt. Der du in deinem Herzen sprachst: Ich werde in den Himmel hinaufsteigen, über die Sterne Gottes werde ich meinen Stuhl aufrichten. Ich werde auf dem Berg des Bundes auf der Nordseite sitzen. Ich werde über die Höhe der Wolken aufsteigen, gleich sein dem Allerhöchsten … (similis ero Altissimo).“5

Ironie im Mittelalter

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