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3. Zum Plan der Untersuchung

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Es ist selbstverständlich, dass ein vollständiges Bild vom Ironiegebrauch des Mittelalters bei der Unzahl von möglichen Quellen noch nicht zu erreichen ist. Es sollen hier wichtige, bisher kaum beachtete Felder der Ironie im Mittelalter beschrieben, die Ironiekompetenz einer Reihe von mittelalterlichen Autoren erörtert und damit auch das vorausgesetzte Ironieverständnis bei den jeweiigen Rezipienten erkannt werden. Damit wird für das Thema Ironie im Mittelalter ein Neuanfang für zukünftige Forschung versucht.

In zwei Kapiteln werden die Voraussetzungen dargestellt, mit denen die Schule und Ausbildung den mittelalterlichen Autor für Verständnis und Gebrauch von Ironie ausstatteten: die Phasen der Antikerezeption in Rhetoriklehre und Ethik (II), der Kommentargebrauch für antike Quellen und eigene Verwendung der gelehrten Kommentierungsarten (III) und der selbstständigen Weiterentwicklung dieser Rezeptionsformen in einem Kernbereich wissenschaftlicher Arbeit des Mittelalters: dem Bibelkommentar. In ihm werden auch die ,Ironien der Heilsgeschichte‘ thematisiert (IV). Der ,proteushafte Begriff‘20 der Ironie soll hier als epochengemäßer aus den mittelalterlichen Quellen entwickelt und präzisiert werden. Die theoretischen und kommentierenden Quellen geben über seine Bestimmung zunächst hinlänglich Auskunft. Werkanalysen werden dann das so gewonnene Verständnis von Ironie im Mittelalter überprüfen, erweitern oder präzisieren.

Eine nächste Sequenz von Kapiteln beschäftigt sich mit den historischen Quellen und stellt dar, unter welchen Bedingungen und mit welchen Funktionen und Zielen nach den Textdokumenten Ironie in der politischen Interaktion der rang- und ehrbewussten mittelalterlichen Gesellschaft eingesetzt wurde (V– VIII): in der Kommunikation zwischen Herrscher und Untergebenen, Siegern und Besiegten, zur Bekräftigung der herrscherlichen Souveränität, in und zwischen sozialen Rängen, in bestimmten Gruppen und Milieus wie dem Mönchtum oder in historischen Situationen wie dem Investiturstreit, schließlich, welchen Ironieanteil die Autoren dabei sich selbst zuschrieben, welchen ihren Figuren, den Protagonisten des erzählten Geschehens. Was in den Narrationen als Reflex historischer Mündlichkeit gelten kann, was idealtypische Kommunikationskonventionen der mittelalterlichen Gesellschaft beschreibt, bleibt als Problematik zwar bewusst, kann und muss im Einzelfall jedoch nicht entschieden werden. Dennoch ist für die historischen Partien dieses Buches die Arbeitshypothese grundlegend, dass die ironischen Sprechakte von Akteuren in unterschiedlichen Situationen, wie sie vor allem die Geschichtsschreiber berichten, einen Bezug zu realen Sprechakten in der mündlichen Kommunikation mittelalterlicher Akteure hatten – dies deshalb, weil die Autoren ja ihre Zeitgenossen mit ihren Berichten überzeugen wollten. Daher konnten sie den handelnden Personen nur Ausführungen in den Mund legen, die in Form und Inhalt zumindest denkbar waren. Trotz aller Formung, Stilisierung oder Überhöhung durch die Autoren lässt sich damit durch die Sammlung und Analyse einschlägiger Sprechakte ein Teil der verlorenen Mündlichkeit des Mittelalters, der Rahmenbedingungen und Regeln ihrer Anwendung, zurückgewinnen. Zumindest lohnt sich der Versuch, dies zu tun.

Die dann folgenden literaturwissenschaftlichen Kapitel (IX–X) sind nicht in erster Linie Einzelbelegen für Ironie gewidmet, sondern sie analysieren ironieaffine Gattungen in der mittellateinischen Literatur auf ihre Ironieverwendung, Autorprofile und Ironiekompetenz sowie literarische Ironiesignale hin: Satire und Invektive, ironisches Tierepos, ironische Kleinformen in der Lyrik und Epigrammatik, und behandeln abschließend einige ausgewählte ironische Gattungsformen am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, um nach Konstanten und Indikatoren des Wandels zu fragen: Fazetien, ironischer Dialog und ironisches Enkomion, schließlich ironisches Drama und ironisches Briefcorpus dokumentieren aus der Tradition gespeiste und zugleich komplexe innovative Ansätze. Zuletzt werden die Ergebnisse des Buchs für die historische und die literaturwissenschaftliche Seite vergleichend resümiert (XI).

Die Texte der literaturwissenschaftlich analysierenden Kapitel sind ausgewählt nach ihrer gewissen Nähe zu den historischen Quellen; sie behandeln, wenn auch in fiktionaler Form, ganz überwiegend Personen und Zustände der jeweiligen Zeitgeschichte. Dadurch bleibt eine gewisse Vergleichbarkeit gewahrt, zumal fiktionale Aspekte zweifellos auch die historischen Texte prägen.

Das Buch wurde in interdisziplinärer Kooperation geschrieben; doch werden die Kapitel II–IV und IX–X von C. Meier, die Kapitel V–VIII von G. Althoff, Einleitung und Resümee von beiden verantwortet.

Ironie im Mittelalter

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