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Ausbildung zum Beamten

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Tatsächlich erhielten ich und auch noch einige andere Kollegen aus dem Haus II, die zum Teil schon länger als ich warteten, schriftlich unsere Einberufung zum Ausbildungslehrgang ab dem 01.03.1968. Dieser sollte im Justizvollzugsamt in der Lehrterstraße stattfinden.

Wir versammelten uns also an diesem Termin pünktlich in dem sehr großen Unterrichtsraum, denn wir waren 45 Teilnehmer, davon drei Frauen. Mit dem Kollegen Hanne Wiesenow, auch aus dem Haus II, der sogar nur 18 Monate auf den Lehrgang gewartet hatte, setzten wir uns ganz nach hinten in die letzte Reihe, mit vier Plätzen nebeneinander. Mit Wirkung vom 1. März 1968 wurden wir vom Präsidenten des Justizvollzugsamts Berlin, unter Berufung auf das Beamtenverhältnis auf Widerruf, jeweils zum „Oberwachtmeister an Justizvollzugsanstalten“ ernannt. Nachdem wir gemeinsam den Diensteid abgelegt hatten, erhielten wir jeder vom Präsidenten eine Ernennungsurkunde.

Das war nun meine zweite Ernennung zum Beamten, immerhin war ich zuvor schon Wachtmeister der Bereitschaftspolizei. Auch wenn sich das etwas pathetisch anhören sollte, so war ich doch richtig stolz.

Mit Kollegen Wiesenow und zwei anderen aus Tegel, darunter einem Werkmeister, gingen wir nach der Vereidigung in die Kneipe gegenüber, wo schon zwei andere kleine Gruppen Lehrgangsteilnehmer angekommen waren. Ich war vorausschauend nicht mit dem Auto gekommen. Unser Umtrunk war ziemlich heftig und wir fuhren dann, gegen 20 Uhr, zu viert mit der Taxe nach Hause, weil wir alle im Süden wohnten. Ich war der dritte, der ausstieg, und zahlte den anteiligen Fahrpreis an den letzten unserer Vierergruppe.

Am nächsten Tag begann die theoretische Ausbildung, die zur Einführung drei Monate andauern würde. Diese Zeit, eigentlich den ganzen Lehrgang bis zum Ende, Mitte des kommenden Dezembers, habe ich als sehr angenehm, fast etwas erholsam, in guter Erinnerung behalten.

In den Fächern Strafrecht und Strafprozessrecht war ich durch meine Polizeiausbildung schon relativ gut vorgebildet. Das ging so weit, dass ich einmal Dr. Lahm verbessern konnte. Er hatte beim Strafrechtsunterricht gesagt, alle im Strafgesetzbuch mit Strafe bedrohten Tötungsdelikte seien vorsätzliche Handlungen. Ich widersprach sofort, denn die fahrlässige Tötung war eindeutig keine vorsätzliche Handlung und Dr. Lahm gab mir recht.

Für den Strafvollzug gab es damals noch kein Gesetz. Die Rechtsvorschriften waren in der Dienst- und Vollzugsordnung enthalten. Nach den Erfahrungen von etwa zwei Jahren in der Praxis, waren auch hier keine Schwierigkeiten zu erkennen. Lediglich die Untersuchungshaftvollzugsordnung war Neuland, weil ich bisher nur den Strafvollzug kannte.

Neben den genannten Unterrichtsthemen wurden wir auch über die Aufgaben des Krankenpflegedienstes und des Werkdienstes im Vollzug informiert, außerdem über die Funktionen der Arbeits- und Wirtschaftsverwaltung, der Zahlstelle und des Justizvollzugsamts.

Am 23. April, einem Montag, hatte ich zwei große Schraubgläser mit Ananasbowle mitgebracht. Diese war übrig geblieben von der Geburtstagsfeier am Sonnabend, an dem meine Frau 25 Jahre alt geworden war. Hanne, der neben mir saß, hatte ebenfalls am 21. April Geburtstag. In der ersten Doppelstunde ging gar nichts, weil der Dozent, ein Psychologe, im Raum von vorne bis hinten beim Vortrag auf und ab lief.

Dann, wie voraus berechnet, hatten wir zwei Doppelstunden Strafrecht bei Dr. Lahm, der wie immer ganz vorn am Dozententisch sitzen blieb, weil er auch des Öfteren Gesetzestexte aus dem StGB vortrug. Ich legte mir ein Geschirrtuch über den Schoß und füllte vier kleine Wassergläser mit Bowle. Jeder bekam eine kleine Gabel für die Früchte. Neben Hanne saß der Werkmeister aus Tegel und neben mir ein Kollege aus Düppel. Wir prosteten uns nur ganz leise zu und tranken etwas geduckt, hinter den Kollegen vor uns. Die haben bis zur Pause nichts bemerkt. Etwas bedenklich wurde es dann, als Dr. Lahm den Lehrgang abfragte, was bis zu diesem Zeitpunkt von seinem Unterrichtstoff behalten worden war. Er hatte die Frage gestellt, wie sich Vorsatz und Fahrlässigkeit bei der Begehung von Straftaten voneinander unterscheiden würden. Offenbar war er mit der Beantwortung anderer Lehrgangsteilnehmer nicht zufrieden gewesen, denn er sagte: „Dann wollen wir mal Herrn Weise fragen, der wird es wissen.“ Ich hatte gar nicht zugehört und daher die Frage nicht verstanden. Es trat Stille ein und Dr. Lahm schaute fragend in meine Richtung. Was sollte ich machen? Ich sagte: „Herr Dr. Lahm, ich habe Ihre Frage nicht verstanden!" Er wiederholte diese und natürlich war die Antwort für mich, auch noch aufgrund der Kenntnisse aus der Polizeizeit, kein Problem. Dann hatten wir wieder Ruhe, ich bemühte mich aber, in der Folge besser zuzuhören. Bis zur Pause, um 12.30 Uhr, hatten wir die Bowle fast geschafft. Ein Glas überbrachte ich noch einer der drei Kolleginnen, natürlich der hübschesten. Sie hieß Brigitta, war 28 Jahre alt und wie sie sagte, seit einem Jahr glücklich verheiratet. Ich habe das respektiert. In der Pause war Hanne verschwunden. Er kam kurz vor 13 Uhr wieder und lächelte verschmitzt. Als es bei Dr. Lahm weiter ging, holte er eine Flasche Baileys vor, die er schnell besorgt hatte. Wir benutzten wieder die Bowlegläser. Der Kollege aus Düppel machte nach dem ersten Glas schlapp, so mussten wir drei den großen Rest bewältigen. Es ging ganz gut, wenngleich ich dann doch etwas Wirkung verspürte. Es war aber meiner Stimme bestimmt nichts anzumerken, als ich dann auf Vorschlag von Dr. Lahm noch den Tatbestand des Diebstahls erklären sollte: „Die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung!" Brigitta nickte mir anerkennend zu.

Als der Unterricht für diesen Tag um 15 Uhr beendet war, lud ich sie ein, mit uns gegenüber noch ein Bier zu trinken, doch sie lehnte ab, mit der Begründung, ihr Mann würde auf sie warten. Wir beschränkten uns diesmal auf nur zwei Biere für jeden und fuhren dann mit der BVG nach Hause.

Im Verlaufe der theoretischen Unterweisung berichteten uns noch Beamte der Schutz- und der Kriminalpolizei von ihrer Arbeit. Es wurden uns Lichtbildvorträge von ganz schlimmen Kapitalverbrechen, z. B. Kindesmisshandlungen und Morden, vorgetragen.

Ende des ersten Monats innerhalb des dreimonatigen theoretischen Ausbildungsabschnitts gingen wir zum Gewehr- und anschließend zum Pistolenschießen.

Dann begann in der Sporthalle der Jugendstrafanstalt die Ausbildung in Selbstverteidigung durch zwei sehr erfahrene Judolehrer, die im Besitz des schwarzen Gürtels und des dritten Dan waren. Beides machte mir richtig Spaß, insbesondere, weil ich in beiden Disziplinen erhebliche Vorkenntnisse hatte. Die Selbstverteidigung wurde in den folgenden zwei Monaten einmal wöchentlich fortgesetzt.

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