Читать книгу WEGGESCHLOSSEN - Gerd Weise - Страница 6
Prolog
ОглавлениеDas vorliegende Buch beschreibt hauptsächlich meine Dienstzeit im Berliner Strafvollzug, in der Zeit vom 1. Januar 1966 bis zum 30. Juni 1998. Die geschilderten Erlebnisse fanden statt in den Justizvollzugsanstalten Tegel, Moabit, Plötzensee und Düppel, in der Jugendarrestanstalt Berlin und in der Vollzugsschule der Senatsverwaltung für Justiz.
Dies ist jedoch zum Teil auch ein autobiographischer Bericht, weil mein Leben außerhalb des Strafvollzugs bestimmt auch Einfluss auf mein Verhalten im Dienst nahm. Ebenso beeinflussten meine Erlebnisse und Erfahrungen im Strafvollzug auch meine Verhaltensweisen im privaten Bereich.
Die dargestellten Fälle von Straftaten, die sich durchaus so zugetragen haben können, wurden teilweise in den Medien auch entsprechend publiziert. Zum Beispiel werden die Mitglieder der RAF und deren Straftaten, sowie Verurteilungen und ggf. ihre Selbsttötungen, unter Namensnennung und tabellarischer Auflistung von Daten und Örtlichkeiten im Internet genauestens wiedergegeben. Ebenso verhält es sich mit den Teilnehmern an der Schießerei in der Bleibtreustraße. Andere Straftaten, insbesondere Kapitalverbrechen, über die in diesem Buch berichtet wird, sind nicht authentisch, können jedoch dem tatsächlichen Geschehen durchaus ähneln. Die erwähnten Verhaltensweisen von Bediensteten und Gefangenen werden allgemein realistisch wiedergegeben, wobei durch Änderung der Namen und zum Teil auch der Örtlichkeiten nicht von tatsächlichen, wohl aber von ähnlichen Ereignissen ausgegangen werden kann. Die Schilderungen meiner ganz persönlichen Erlebnisse innerhalb und außerhalb des Strafvollzugs können den tatsächlichen Begebenheiten allgemein sehr nahe kommen.
Meine Meinungsäußerungen zu den Verhältnissen im Strafvollzug und zu den Insassen werden nicht immer die Zustimmung von ehemaligen oder noch aktiven Kollegen finden, jedoch bin ich doch davon überzeugt, dass Gradlinigkeit und Konsequenz gegenüber den Gefangenen gute Voraussetzungen für einen überwiegend ordnungsgemäßen Verlauf des Strafvollzugs bilden.
Die Verhältnisse im Berliner Strafvollzug wurden von der Presse aus meiner Sicht häufig mangelhaft und ohne besondere Achtung gegenüber dem bestimmt nicht leichten Beruf des Justizvollzugsbeamten beschrieben. So wird dieser noch heute häufig als „Wärter“ bezeichnet, den man eher als einfach strukturiert wahrnehmen soll. Im Übrigen ist diese Bezeichnung nicht althergebracht. Vor dem 1. Weltkrieg wurden die Gefängnisaufseher kurz „KAS“ genannt. Das war kein Schimpfwort, sondern die Abkürzung für „Kaiserlicher-Arrest-Schließer“.
Tatsache ist, beim sorgfältigen Auswahlverfahren zur Einstellung in den allgemeinen Vollzugsdienst werden von zehn Bewerbern durchschnittlich höchstens ein bis zwei eingestellt. Einstellungsvoraussetzungen sind entweder Realschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, keine Vorstrafen, Gesundheit und das Bestehen der Aufnahmeprüfung. Diese umfasst einen Intelligenztest, ein Diktat, einen Aufsatz und Fragen zum Allgemeinwissen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird eine Gesprächsrunde mit jeweils vier bis fünf Bewerbern durchgeführt, denen im Allgemeinen der Vollzugsschulleiter, ein Sozialpädagoge, ein Psychologe, ein Beamter des Vollzugsdienstes und ein Personalratsmitglied gegenüber sitzen. Hier sollte der Bewerber sich unbedingt ins Gespräch, welches überwiegend den Strafvollzug und Straftaten zum Thema hat, einbringen und möglichst plausible und verständliche Beiträge bringen. Wer sich zurückhält und schweigt, hat keine Chance eingestellt zu werden.
Die Ausbildung dauert zwei Jahre in Theorie und Praktika in drei großen Vollzugsanstalten. Die theoretischen Themen sind u. a. Strafvollzugsrecht, Untersuchungshaftvollzugsordnung, Strafrecht, Strafprozessrecht, Beamtenrecht, Psychologie in der Praxis, Gesprächsführung und Sozialkunde. Die schriftliche Prüfung umfasst mindestens drei große Klausuren, die mündliche schließt sich an, sofern die schriftliche bestanden wurde. Danach muss der Beamte eine zweijährige Probezeit bestehen, ehe er dann zum Beamten auf Lebenszeit ernannt wird, sofern er mindestens 27 Jahre alt ist. Die vorstehenden Ausführungen der Einstellung und Ausbildung der Justizvollzugsbeamten können sich natürlich zwischenzeitlich geändert haben, sind aber mit Sicherheit nicht einfacher, sondern eher beschwerlicher geworden.