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10. Kapitel

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Das Telefon läutete.

»Ja!?«

»Was ist mit dem Code?« Der Tunesier. Er telefonierte vermutlich auf seinem Boot, denn der Wind pfiff in das Mikrofon des Telefons.

»Der ist wohl inzwischen bei der Polizei. Da kommen wir nicht mehr dran.«

»Und wo ist die Ware?«

»Weiß nicht.«

»Du sollst nicht auf deinem faulen Arsch sitzen«, schrie er gegen den Wind an. Er hatte wohl seine Stimme überfordert und hustete kräftig. Trotzdem schrie er weiter: »du sollst herausfinden, wo sie ist! Die Dokumente müssen irgendwo sein. Wenn wir sie nicht finden, dann andere. Mach dich an die Arbeit. Wir warten. Die Sache ist dringend. Wenn wir nicht bald erfahren, wann und wo sie verladen wird, ist sie weg. Ein für alle Mal.« Er hustete lange und heftig und musste zwischendurch mehrmals spucken. Trotzdem nahm er wieder einen kräftigen Zug und die Funken zerstäubten im Wind.

»Wo soll ich suchen? Ich habe ja gar keinen Anhalts­punkt. Ich denke, die Ladung kommt von Afrika, dann muss sie doch irgendwo bei Euch sein. Müsst Ihr Euch mal ein wenig umhören. Ich glaube auch nicht, dass die Papiere hier sind, denn der Georgier hat doch gar nicht so viel Zeit gehabt, die Aufzeichnungen ver­schwinden zu lassen. Und außerdem: warum musstet Ihr den auch umbringen. Völlig unnötig, jedenfalls so kurzfristig. Hättet den erst mal ein wenig bearbeiten sollen.«

»Wir haben ihn auf Zypern aufgespürt«, erzählte der Tunesier jetzt wesentlich ruhiger. Die Windgeräusche waren weg. Dafür war der Empfang jetzt schlechter. »Er hat uns aber bemerkt, als wir auf eine Gelegenheit gewartet haben, ihn zu schnappen. Wir haben fast zwei Tage gebraucht, bis wir ihn hatten. Dann haben ihn gleich dem Boss hier in Burj Islam vorgestellt und der hat ihn zuerst einmal tüchtig bearbeitet, aber der hat eisern die Schnauze gehalten. Dann haben wir ihn zwei Tage weg geschlossen, um ihn ein wenig weich zu kochen. Am andern Tag wollten wir ihn uns vornehmen. Wir hätten ihn auch bestimmt so weit gekriegt, wenn wir den erst einmal hätten bearbeiten können, aber dann kam eine halbe Armee und hat uns dermaßen die Ohren abgeschossen, dass wir türmen mussten. Das muss die Hamas gewesen sein.«

»Die Hamas?« Was haben die denn damit zu tun? Die haben doch an dieser Sache gar kein Interesse bekundet. Die sind doch froh, wenn sie in Palästina weiterkommen und im Libanon.«

»Und ob die da was zu suchen haben. Die machen doch immer mit, wenn es was zu holen gibt oder Unruhe zu stiften. Überlege doch mal: wer kann sonst solche Kaliber auffahren? Die sind natürlich auch brennend an der Ware interessiert, das ist ja wohl klar.« Er machte eine kleine Pause, um die Logik seiner Gedanken zu überdenken, zog dann an einer Zigarette und fuhr fort, indem er dabei der Rauch aus Mund und Nase blies: »Dann haben diese Leute wohl versucht, etwas aus ihm herauszupressen, aber ob der was ausgeplaudert hat, weiß ich nicht. Jedenfalls hat man seine Leiche nachher ein paar Meilen vor Limassol in einer kleinen versteckten Bucht neben seinem Boot gefunden. Er hing mit einem Fuß in einer Leine fest und mit dem Kopf im Wasser. Vielleicht hat er sich im Reep verfangen, ist gestolpert und einfach nur über Bord gefallen. Die Polizei geht jedenfalls davon aus. Ich glaube allerdings, die haben den mit dem Strick kopfüber ins Wasser gelassen oder Kiel geholt und dabei haben sie es wohl ein wenig übertrieben. War vielleicht nicht ganz so widerstandsfähig, wie sie gedacht haben, der Junge, und dann ist er ihnen abgesoffen. Jetzt haben wir beide nichts davon. Insgesamt muss er wohl drei Tage so gehangen haben.«

»Jetzt überlege doch mal, was du da für einen Quatsch redest. Das kommt nur von deinem Hass auf die Hamas. Wenn du mal richtig nachgedacht hättest, wäre dir aufgegangen, dass die Hamasleute den Lukow auf keinen Fall nach Limassol gebracht hätten! So ein Blödsinn! Ich sage dir, das war die deutsche Marine, die liegt doch in Limassol.« Er wartete kurz, damit sein Gegenüber Zeit zum Nachdenken hatte, dann sprach er weiter: »Die haben doch auch solche Spezialeinheiten dort vor Anker, die blitzschnell so eine Aktion durchführen könnten, und wohl auch getan haben.«

Es entstand eine Pause.

»Hallo? Bist du noch dran?«

»Aber warum hätten die den befreien sollen? Die haben doch einen ganz anderen Auftrag. Die sollen doch nur die Küsten bewachen. Mit Landausflügen haben die doch nichts zu schaffen. Diese ganzen Vermutungen bringen uns überhaupt nicht weiter. Aber jetzt mal zu dir, mein Freund. Die Daten des Verstecks müssen dort oben zu finden sein. Wie sie dahin gekommen sind, steht fest. Das Mädchen hat sie bei sich gehabt und du hast das vermasselt.«

»Vermasselt habt ihr das Ganze. Wenn ihr mir eher Bescheid gegeben hättet, wo die Maus sich aufhält, hätte die gar nicht eingecheckt. Dann hätte ich mir die geschnappt und ab damit. Dann wüssten wir jetzt Bescheid. Außerdem glaube ich überhaupt nicht, dass dieses Mädchen die Papiere hatte. Wer gibt schon so einem Mäuschen so wichtige Papiere mit. Der muss ja ein Idiot sein. Wenn sie irgendwo hier oben sind, dann sind sie schon lange im Haus von Friedmann.«

»Sieh zu, was du erreichen kannst. Wir machen hier weiter. Morgen um die gleiche Zeit?«

»Geht klar.«

Er klappte sein Handy zu, um das Gespräch zu beenden. Er war leicht sauer und machte sich Sorgen. Die Aktion war auf der ganzen Linie gescheitert, wenn man die Ware nicht fand. Noch schlimmer war es jedoch, wenn er den Code nicht finden konnte. Er durfte erst gar nicht an die Öffentlichkeit. Wenn jemand die Daten zu nutzen wusste, waren viele Leute geliefert und er selbst hatte Schuld. Dann ist sein Leben keinen Cent mehr wert. Vielleicht sollte er sich einmal einen Bullen vornehmen. Wenn es Koordinaten gab und Geld genug, dann mussten sie auch zu bekommen sein.

Er machte sich auf den Weg, das Polizeigebäude aufzusuchen. »Nur um mir die Landschaft mal anzusehen«, dachte er bei sich. Er setzte sich gegenüber auf eine niedrige Gartenmauer, um mal die Wache zu beobachten. Die beiden Wagen waren ordentlich nebeneinander abgestellt. Er sah auf die Uhr: es war 15:30 Uhr. Die Tür zu einem kleinen gemauerten Verschlag stand offen und er erkannte darin ein Motorrad. Der eine der beiden wachhabenden Beamten saß an der Anmeldung. Dann erschien eine junge Beamtin und brachte ihm ein Tablett. »Die essen Kuchen und trinken Kaffee!«, staunte er nicht schlecht. »Die machen sich hier ein schönes Leben auf der Wache«. Nach einer Weile kamen, wie er sehen konnte, noch zwei andere Beamte hinzu. Vielleicht war hier auf dem Lande wirklich etwas zu machen. Hier und jetzt natürlich nicht. Das war klar. Aber wann war die beste Möglichkeit? Das könnte man herausfinden. Selbst wenn sich die Codenummern nicht hier in Jesteburg befanden, einer von den Beamten hier könnte sie besorgen. Vielleicht der, der die kleinsten Kinder hatte. Das würde er herausfinden. Er beobachtete gut eine Stunde den Eingang der Wache. Wenn es Bewegung gab, dann nur immer gleich zwei Leute.

Als er sich gerade auf dem Weg machen wollte, kamen zwei Beamte in Zivil vorgefahren. Das war die Kripo aus Hamburg. Einer der beiden öffnete die Kofferraumklappe und holte einen Computer heraus sowie ein Notebook. Der andere stellte derweil einen Fuß auf den Vorderreifen und band sich die Schuhe zu. Ein Beamter begrüßte sie, oben auf der Eingangstreppe stehend:

»Wir haben den Wagen von Andreas Luthe gefunden. Er ist wohl das Tatfahrzeug. Ein kleiner alter Toyota«, rief er freudestrahlend den beiden Beamten entgegen. Dabei kam er dem Hauptkommissar die zwei Stufen entgegen und nahm ihm den Computer ab. »Ist das der Rechner von Friedmann?«

»Ich würde noch lauter schreien, damit es auch alle wissen. Am besten, wir erzählen es bei Edeka an der Fleischtheke«, wurde Berendtsen sauer.

Der neugierige Passant schlenderte über die Straße, denn das war für ihn sehr interessant.

»Ach, das weiß doch hier im Dorf längst jeder, denn die Erna Lauer hat den Wagen gefunden. Das ist die Tratsche hier im Dorf, müssen Sie wissen.«

»Woher weiß diese Frau denn, dass es sich um das Tatfahrzeug handelt?«, staunte Schwertfeger.

»Von dem Tatfahrzeug wusste die ja nichts, aber sie hat das Auto gefunden, dass man dem Andreas geklaut hatte. Es stand im alten Parkhaus, hinten in einer Ecke bei den Abfalltonnen des Centers. Die Reifenabdrücke stimmen mit denen am Tatort überein, der Radstand, alles, was wir am Tatort gefunden haben, passt. Die Kripo hat es auf Spuren untersucht. Keine einzige, nicht am Lenkrad, nicht auf den Sitzen, nirgendwo. Also, was sagt uns das? Irgendeiner, der das Auto zuletzt gefahren hat, hat peinlich dafür gesorgt, dass es keine Spuren gibt. Und…« er hob den Zeigefinger, um seinen Worten Wichtigkeit zu verleihen, »… es gibt keinen einzigen Fingerabdruck, außer denen von Andreas, und die finden sich nur am Handschuhfach, das Lenkrad wurde sorgfältig abgewischt. Eine einzige kleine Spur gibt es: wir haben einige kleine Fasern gefunden, mit der der Täter an einem Nagel hängen geblieben ist, mit dem die Dachpappe auf der Stallung festgemacht war. Davon haben wir auch eine in dem Tatfahrzeug gefunden. Bei der Spurensicherung untersuchen sie gerade, ob die Fasern identisch sind. Der Fahrer oder die Fahrerin muss wohl eine Art Mikrofaser-Anzug angehabt haben. Was sagen Sie jetzt?«

»Jetzt gehen wir erst einmal ins Haus, sonst können wir ebenso gut im Dorfkrug die Sache besprechen. Dann können wir wenigstens auf die Hilfe der Mitbürger und Mitbür­gerin­nen rechnen.«

»Auf die werden wir nicht verzichten können«, gab Olschewski bekannt, denn das Phantombild von dem Mann ist fertig, der die Hotelfrau nach dem Brief gefragt hat.« Er legte dem Kommissar ganz stolz das Bild vor. »Sieht bald aus wie ein Foto, nicht wahr?«

In diesem Moment wurde der neugierige Passant hellhörig, er drehte sich ab und machte sich auf der anderen Straßenseite davon. Er musste auf jeden Fall ab morgen die Öffentlichkeit so weit wie möglich meiden.

Der Rosenpitter

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