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Оглавление„Ah, Ful mit Bastirma!“, rief der Vater aus, als er und der Junge sich an den Tisch setzten.
Auf dem Tisch stand eine riesige Schüssel, in der sich das Bohnengericht mit Geflügel gulaschartig vermischt befand. Die anderen hatten bereits Platz genommen, warteten jedoch auf den Bruder und vor allem auf das Familienoberhaupt.
Der Vater hob die Hände und sprach ein Dankgebet zu Allah. Dann wünschte er ihnen einen guten Appetit.
Alle nahmen sich von dem Fladenbrot, das auf einer der Schüsseln lag, das andere Gericht aßen sie mit den Fingern.
„Nicht mit der linken Hand, Fatima!“, belehrte Mo seine jüngste Tochter Fatima. „Du weißt, das ist die unreine Hand.“
Das Mädchen zuckte mit der Hand zurück, dachte kurz nach und holte sich dann mit der rechten Hand etwas aus der Schüssel.
Nun aßen sie eine Weile schweigend.
„Warum isst du denn nichts, Aischa?“, fragte die Mutter plötzlich ihre große Tochter. „Hast du keinen Hunger?“
Das Mädchen schwieg, während die anderen weiter aßen.
Die Mutter blickte das Mädchen nun mit zunehmend besorgterer Miene an. „Bist du krank?“
„Ich finde es furchtbar, dass wir mit den Händen essen!“, rief sie plötzlich aus.
Alle hielten überrascht inne und sahen sie an.
Sie blickten sie mit einem Gefühl aus Zorn und Enttäuschung an. Auf dem Gesicht der Mutter machte sich ein Ausdruck des Versagens breit.
Der Vater bemerkte es, legte seine Hand beruhigend auf ihre Hand und wandte sich Aischa zu. „Es ist einer unserer Bräuche“, begann er leise, aber bestimmt. „Es ist einer unserer Bräuche, dass wir manchmal mit den Fingern aus einer Schüssel essen. Das soll die Zusammengehörigkeit unserer Familie zeigen. Das ist ein alter und wichtiger Brauch!“
„Wenn wenigstens jeder von uns einen Löffel nähme!“, warf das Mädchen ein.
„Aber ich sagte dir doch, dass es ein Brauch ist!“, erklärte der Vater nochmals. „Und wir machen es doch nur manchmal, wenn wir uns an unsere Vorfahren erinnern wollen.“
„Wenn wir das tun, dann ist es genau so, wie meine Klassenkameraden es mir vorwerfen!“, rief Aischa verzweifelt aus.
Mohammed und Salah sahen sie entsetzt an. „Was, was meinst du damit!“, fragte der Vater ehrlich.
Das Mädchen winkte mit Tränen in den Augen ab und schwieg.
„Was meinst du damit?“, wollte Mo nun in strengerem Ton wissen. „Erkläre es mir!“
Sie schwieg weiter.
„Sprich, wenn dein Vater dich dazu auffordert!“ Er sah sie streng an.
Sie wagte es nicht, seinen Zorn zu erregen, also sprach sie. „Meine Klassenkameraden sind so gemein. Sie hänseln mich immer wegen meines Aussehens. Und sie sagen, wir würden sicher nicht mit Messer und Gabel essen. Und so ist das ja auch!“
„Aber, aber wir essen doch fast immer mit Messer und Gabel. Nur manchmal eben nicht. Heute halt mal nicht, weil wir unsere Zusammengehörigkeit zeigen wollen, indem wir aus einer Schüssel essen.“ Er sah sie fast bittend an.
Sie saß mit gesenktem Kopf da.
„Zuhause aßen wir immer auf dem Boden sitzend und nahmen uns alle mit der Hand aus der Schüssel!“
„Wenn wir wenigstens einen Löffel nähmen!“, rief das Mädchen aus. „Aber so, so ist es genauso, wie die Deutschen sagen!“ Sie begann vor Verzweiflung zu weinen.
Ihre Eltern und Geschwister sahen sie verlegen an.
Der Vater dachte nach. „Hol jedem einen Löffel und ein Schüsselchen, Salah!“, bat Mo seine Frau und blickte traurig zu Boden.
Die Mutter stand auf und holte aus der Küche die Löffel.