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Am nächsten Abend deckte die Mutter den Abendbrottisch gleich mit Tellern und Besteck für jeden ein. Alle bemerkten es und saßen deswegen ein bisschen betreten da, während sie schweigend aßen.

Schließlich durchbrach Salah die bedrückende Stille. „Was hat die Lehrerin gesagt?“ Sie sah ihren Mann an, der am Morgen noch vor der Arbeit in der Schule gewesen war, um mit der Lehrerin über die Angriffe auf seinen Sohn im Internet zu sprechen.

Die Kinder, die alle Bescheid wussten, horchten auf.

Mo sah verlegen und auch ein bisschen verärgert von einem zum anderen. „Später!“, bat er sie und sie aßen schweigend weiter.

Als sie zu Bett gegangen waren, fragte sie nochmals.

„Sie hat gesagt, dass sei normal!“, knüpfte er an ihre Frage an.

„Normal?“, fragte sie überrascht und runzelte die Stirn.

Er nickte. „Sie meinte, dass es sicher schlimm sei, dass solche Dinge über Abdarrahman im Internet stünden, dass wir es aber nicht überbewerten sollten.“

„Nicht überbewerten? Wenn unser Sohn übel beschimpft wird?“

„Ja. Sie meinte, dass es bei pubertierenden Jugendlichen normal sei, dass man sich so beschimpfen würde. Das gehe hin und her und nach einer Weile höre es von alleine auf. Dann würde das Hickhack durch die Themen Liebe und Sexualität abgelöst.“ Er nickte und schüttelte den Kopf gleichzeitig. „Wir sollten das nicht persönlich nehmen. Sie wisse das aus ihrer Erfahrung, dass dies normal für Heranwachsende sei. Heute wirke das durch die Möglichkeiten von Handy und Internet halt viel drastischer als früher.“

„Aber, aber das ist doch nicht zu fassen!“ Die Mutter war entsetzt. „Sollen wir das etwa einfach so hinnehmen, wenn unser Sohn so beleidigt, bedroht und gedemütigt wird?“ Sie war außer sich.

„Nein!“, winkte er ab. „Das nicht.“ Er holte Luft und erklärte es ihr. „Sie meinte, sie schicke einen Brief an alle Eltern, in dem sie sie über die Vorgänge aufklärt und sie bittet die Handys zu kontrollieren und abzunehmen, wenn solche Gehässigkeiten darauf seien.“

Sie winkte enttäuscht ab. „Dass ich nicht lache!“, wusste sie. „Die deutschen Eltern unternehmen doch nichts. Denen ist doch alles egal, Hauptsache sie haben ihre Ruhe und müssen sich nicht um ihre Kinder kümmern. Hauptsache, sie können ihren Hobbys nachgehen oder ihren Sünden, Sex und Konsum!“, rief sie entrüstet aus. „Was für eine verdorbene Gesellschaft, was für ein Land!“ Sie richtete sich empört in ihrem Bett auf.

Er sah sie traurig an und nickte ebenfalls. Er suchte verlegen nach einem erfreulicheren Thema. „Übrigens, wie war es heute bei dir beim Kleiderkauf. Hast du etwas Schönes gefunden?“

Sie nahm schlagartig eine andere Haltung ein, sackte in sich zusammen und schwieg.

„Wie, du hast wohl nichts gefunden?“ Er versuchte sie liebevoll anzugrinsen, um ihre Stimmung zu verbessern. „Bei all dem riesigen Angebot in diesem Land mit seinen riesigen Konsumtempeln hast du nichts gefunden?“ Er lachte sie herzlich an, nahm sie in den Arm und drückte sie. Es gelang ihm jedoch nicht, sie aufzuheitern.

Sie sah ihn nachdenklich an. „Das ist gar nicht so einfach für mich als gläubige Muslima die richtigen Kleider zu finden.“

„Wieso das denn?“, fragte er überrascht.

„Wie soll ich mich denn kleiden?“

Er ahnte, was sie meinte.

„Wenn ich mich traditionell kleide, mit Kleidern, die unserer Herkunft entsprechen, vielleicht noch mit Kopftuch, dann ernte ich die kritischen Blicke der Deutschen und die vorwurfsvoll und enttäuschten Blicke meiner Kinder.“

Er nickte wissend.

„Und wenn ich mich westlich kleide, dann ernte ich die vorwurfsvollen Blicke des Iman und …“ Sie sah ihn vorsichtig an. „Und deine!“

Er nickte wieder und biss sich verlegen auf seine Unterlippe.

„Und da habe ich noch gar nicht bedacht, was meine Eltern sagen würden, wenn sie mich sähen, wie ich hier herumlaufe. Wenn wir nach Ägypten fahren, verkleide ich mich ja völlig, um kein Missfallen zu erregen.“

Er sah sie verständnisvoll an. „Wir haben es nicht leicht in diesem Land!“, urteilte er und nahm sie in den Arm.

Der Schläfer

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