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Die Machtübernahme /1933

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Am dreissigsten Januar informieren die Dozenten ihre Studenten an der Uni in Aachen, dass Adolf Hitler, mit den Stimmen der Nationalsozialisten und den deutschnationalen Partei, zum Reichskanzler gewählt wurde.

«Dies ist das Ende der Weimar Republik», verkündet der Professor, «was das für die Universität bedeutet, wird man sehen. Wir erwarten, dass die deutsche Wirtschaft dadurch gestärkt wird. Eine starke Wirtschaft ist für eine Universität von Vorteil, deshalb bitten wir die Studenten sich ruhig zu verhalten. Das wäre es für den Moment.»

«Die Vorlesung ist für heute beendet!», verkündet der Professor.

Die Studenten stehen noch lange zusammen. Es wird eifrig diskutiert. Die eher links gerichteten Studenten verhalten sich ruhig, für sie brechen harte Zeiten an. Zum Glück ist es an der Uni verpönt, seine politische Meinung zu äussern, so weiss niemand, wer dem linken Lager zugeordnet werden muss, wenn sie klug sind, wechseln sie die Seite.

Die erste Rede von Adolf Hitler als Kanzler wird am Radio übertragen. Den Studenten gibt man die Möglichkeit, die Rede in der Aula zu hören. Die ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Während die Rede am Radio einige Male durch Heil Hitler rufe unterbrochen wird, bleibt es in der Aula ruhig. Jeder versucht möglichst viele Informationen aus der Rede aufzunehmen. Wie geht es jetzt mit Deutschland weiter? lautet die grosse Frage.

Dass Deutschland in der aussen Politik vermehrt die eigenen Interesse waren will, kommt gut an. Die Schaffung von Lebensraum im Osten nimmt man zur Kenntnis. Keiner weiss, was das bedeutet, die wenigsten denken dabei an Krieg. Im Grossen und Ganzen ist man mit der eingeschlagen Richtung einverstanden, es wird sicher nicht so schlimm werden.

Auf den Strassen in Aachen zeigt sich bereits was es bedeutet. Die SA mit ihren schwarzen Uniformen zeigt Präsenz. Die örtliche Polizei hält sich zurück. Sie bleiben in der Polizeistation und verhalten sich ruhig. Auch die Bevölkerung stellt sich nicht gegen die SA. Jeder vermeidet im eigenen Interesse aufzufallen. Die SA würde nur allzu gerne einige Leute verprügeln, doch um die Uni bleibt es ruhig.

Auf ihrem Zimmer ist die Stunde von Sepp gekommen. Jetzt fühlt er sich stark. Willi unterstützt ihn so gut es geht, aber ohne die Führungsrolle von Sepp zu gefährden. Er braucht ihn noch, er muss unbedingt zu einer Uniformen kommen und da rechnet er mit der Unterstützung von Sepp.

Während das Studium zu Gunsten der aktuellen Politik etwas vernachlässigt wird, freuen sich die Studenten auf die bevorstehenden freien Tage über den Fasching.

Am Samstagabend trifft Willi in Worms ein und Gabi holt ihn vom Bahnhof ab. Sie nehmen sich Zeit mit dem Nachhauseweg. Den Koffer ziehen sie im Leiterwagen hinter sich her, so bleibt immer eine Hand frei. In ihrer dunklen Ecke beginnen sie wieder mit dem herumfummeln.

«Morgen muss ich bei meiner Familie bleiben», erklärt Willi, «am Montag haben wir Besuch, aber am Dienstag könnten wir auf einen Maskenball gehen. Hast du Lust?»

«Ja natürlich!», entgegnet Gabi und gibt ihm einen Kuss, «ich muss am Sonntag auch zuhause sein und an einem Montag darf ich normalerweise nicht ausgehen, das passt gut. Ich sehe dich am Dienstag, holst du mich ab?»

Am Dienstagabend holt Willi seine Gabi ab. Sie hat sich als Prinzessin verkleidet und sieht bezaubernd aus. Willi ist ein Strassenräuber, die beiden passen gut zusammen.

«Wollen wir ins Volkshaus oder in den Krug?», fragt Willi.

«Im Volkshaus kostet es Eintritt, mir reicht der Krug. Im Volkshaus kam es letztes Jahr zu Raufereien.»

«Also in den Krug!», willigt Willi ein, «auf eine Rauferei kann ich verzichten.»

Dass der Entscheid richtig war, zeigt sich, gegen Mitternacht. Als mehrere Maskierte im den Krug drängen und von Unruhen im Volkshaus berichteten. Nun ist es Zeit für die Beiden, sich auf den Heimweg zu begeben. Auch im Krug ist es vorbei mit der Gemütlichkeit.

Da geniesst das Liebespaar lieber noch eine halbe Stunde Zweisamkeit in ihrer dunklen Ecke. Als Willi nach Hause kommt, sitzt Vater vor dem Radio und hörte gespannt auf die neusten Meldungen.

«Der Reichstag brennt!», informiert er seinen Sohn, der noch nicht auf dem neuesten Stand ist, «sie meinen, ein linker Jude hat ihn angezündet.»

«Du meinst Brandstiftung, wie das Stadttheater hier in Worms?»

«Sie wissen noch nichts genaues, mit Sicherheit wurde er in Brand gesteckt.»

Am nächsten Morgen liest Willi in der Zeitung, was im Volkshaus los war. Der Wirt wurde während dem Lumpenball von Nationalsozialisten erschossen. Das Leben in Worms wird immer gefährlicher, nur wer sich deutlich als Nationalsozialisten zu erkennen gibt, ist sicher. Franz trägt jetzt in der Öffentlichkeit immer die Naziarmbinde, nur so kommt er ungeschoren durch die Stadt. Die Wormser Polizei wird von den Nazis kontrolliert. Auch wenn der Stadtrat noch zur Liberalen Partei gehört, im Polizeirevier hat er nichts mehr zu melden. Die sind nicht mehr unter seiner Kontrolle. Auch Franz fahren die Ereignisse im Volkshaus ein, erst jetzt merkt er, wie gefährlich seine Arbeit in der goldenen Gans war.

Aus Berlin melden sie, dass das Reichstaggebäude nur noch eine Ruine ist. Paul von Hindenburg verkündet, dass die Schuldigen bestraft werden. Gleichzeitig teilt er mit, dass ab sofort eine Notverordnung in Kraft tritt. Er beruft sich auf Artikel 48 der Weimarer Rechtsverfassung.

Dass der Brandstifter bereits ermittelt werden konnte, wird von der Presse gerühmt. Ein linker Holländer namens van der Lubbe wurde verhaftet. Der Kommunist ist erst 23 Jahre alt und reiste erst kürzlich aus Holland nach Berlin. Dem Lümmel wird man zeigen, wie man in Deutschland mit Unruhestifter umgeht.

Was die Notstandgesetze für die Deutschen bedeutet ist nicht klar. Allgemein wird begrüsst, dass man nun gegen Unruhestifter hart vorgehen kann, das deutsche Volk will endlich wieder Ruhe. Politische Aufwiegler haben in Deutschland nichts verloren.

«Jetzt geht es aufwärts», meint Franz zu seinem Sohn, «jetzt herrscht wieder Ordnung, jetzt sind die Deutschen wieder wer.»

«Ich hoffe nur», wendet Wilhelm ein, «dass uns unsere Uroma nicht zum Verhängnis wird.»

«Solange wir uns für Deutschland einsetzen, spielt das sicher keine Rolle», beschwichtigt sein Vater, «du wurdest immerhin in der Partei aufgenommen.»

«Schon, aber nur, weil die mich nicht so genau überprüft hatten.»

«Die Hauptsache ist, dass du jetzt in der Partei bist», stellt Vater fest, «der Rest wird sich geben. Du musst halt aktiv sein, dann fällt es nicht auf.»

«Mit Sepp hab ich einen guten Kumpel zur Hand, er ist schon lange in der Partei und hat einiges zu sagen.»

«Wichtig ist jetzt, es geht mit Deutschland voran. Die Versailler Verträge haben nichts mehr zu bedeuten, wir sind endlich frei.»

Damit ist das Thema abgehackte. In der heutigen Zeitung hat Franz eine Anzeige der Lederfabrik gelesen, die suchen einen Buchhalter. Er will sich noch heute dort bewerben. Den Direktor kennt er noch aus seiner Zeit als Steuerbeamter und damals hat er immer dafür gesorgt, dass die Firma nicht zu viel Steuern bezahlen musste, das ist eine günstige Gelegenheit.

Er zieht seinen besten Anzug an und verabschiedet sich von seinem Sohn.

«Du verstehst doch, dass ich dich nicht zum Bahnhof bringen kann?», erklärt er Wilhelm, «das ist für mich wichtig, ich will am neuen Deutschland mitarbeiten.»

«Ist verständlich! Gabi wird mich zu Bahnhof bringen. Sie wird den Leiterwagen nachher in den Schuppen stellen.»

«Mach's gut!»

Willi schaut ihm nach wie er sich aufs Fahrrad schwingt und in Richtung Lederfabrik davonradelt. Bei so viel Optimismus muss es klappen.

Franz ist nervös, er hofft, dass der Direktor ihn noch gut in Erinnerung hat. Vor der Fabrik reduziert er das Tempo, er will nicht verschwitzt zum Vorstellungsgespräch erscheinen. Es ist jedoch noch gar nicht sicher, ob er überhaupt vorgelassen wird. Sicher gibt es viele Bewerber. Zum Glück hat er letzte Woche noch eine original Armbinde und eine Anstecknadel mit Hakenkreuz gekauft. Er achtet darauf, dass die Binde vorschriftsmässig befestigt ist und steckt sich auch die Nadel an den Kragen. Er ist gerüstet, nun stellt er sein Rad ab und geht auf das Pförtnerhaus zu.

«Heil Hitler, - was kann ich für sie tun?»

«Heil Hitler», erwidert er zackig den Gruss, «in der Zeitung habe ich gelesen, dass sie einen Buchhalter suchen. Ich möchte mich bewerben.»

«Moment bitte, wie ist ihr Name?»

«Franz Wolf!»

Der Pförtner betätigt die Kurbel an seinem Fernsprecher. Franz kann von der Unterhaltung nichts verstehen, der Pförtner hat die Scheibe zugezogen.

«Sie sollen warten», informiert ihn der Pförtner.

Wenigstens wird er nicht gleich weggeschickt, doch das Warten zehrt an seinen Nerven. Nach einer Viertelstunde steht er immer noch vor dem Häuschen und wartet. In der Zwischenzeit sind drei weitere Männer beim Pförtner aufgetaucht. Zwei, beide ohne Parteiabzeichen, wurden sofort weg geschickt. Einer steht nun wie Franz herum und wartet.

Es dauert noch eine weitere halbe Stunde. In dieser Zeit stellten sich noch vier weitere Männer vor. Drei konnten gleich wieder gehen. Der andere steht jetzt ebenfalls vor dem Häuschen. Alle drei sind nervös und beobachten den Konkurrenten misstrauisch.

Endlich, der Fernsprecher klingelt. Nach einem kurzen Gespräch öffnet der Pförtner die Scheibe.

«Ich bringe sie ins Büro, Herr Wolf, - bitte folgen sie mir!»

Ein Stein fällt Franz vom Herzen, er ist der Erste, welcher vorgelassen wird. Er hofft, dass das ein gutes Zeichen ist.

Mit einem zackigen Hitlergruss wird er empfangen. Er erwidert den Gruss ebenso gekonnt.

«Setzen sie sich Herr Wolf, ihre Unterlagen brauche ich nicht, ich weiss, dass sie die Buchhaltung beherrschen. Wie steht es mit dem Parteibuch?»

«Ich bin immer noch in der liberalen Partei, weil das in meiner Familie so braucht war. Natürlich unterstütze ich auch die Nationalsozialisten, denn die wollen ein starkes Deutschland, genau wie ich.»

«Die Stelle als Buchhalter ist leider schon vergeben», meint der Direktor, «wir haben aber grosse Aufträge von der Partei in Aussicht gestellt, da brauchen wir einen Mann, welcher bei den Bauern und Metzger der Umgebung Leder in guter Qualität einkauft. - Trauen sie sich das zu?»

«Einkaufen, ja das müsste ich auch können, ich habe einige Bekannte, welche Bauern sind, die sind sicher froh, wenn ich ihnen die Felle abkaufe.»

«Das glaube ich Ihnen, nur verstehen sie etwas von Leder?»

«Im Schachklub haben wir viel über Leder diskutiert, zwei Freunde arbeiteten in der Fabrik.»

«Gut, das Fachwissen können sie erlernen, da bin ich sicher. - Dass sie nicht in der Partei sind, ist vielleicht ein Vorteil. Viele Bauern und Metzger sind noch nicht so weit, sie sind etwas rückständig, aber solange sie liefern, ist das kein Problem. Wir haben ja Meinungsfreiheit. Liefern müssen sie, da können wir nicht wählerisch sein».

«Vor einem Besuch auf dem Land, kann ich das Abzeichen entfernen. Das ist für mich kein Problem.»

«Das sehe ich auch so», stellt der Direktor fest, «dann sind wir uns also einig! Die Bezahlung ist abhängig von den Lieferungen. Melden sie sich morgen früh um sieben Uhr im Einkauf, dritte Tür links.»

Franz könnte in die Luft springen vor Freude, er hat wieder eine Arbeitsstelle.

Franz besucht die Bauernhöfe mit dem Fahrrad, nach zwei Monaten stellt ihm die Firma ein Motorrad mit Seitenwagen zur Verfügung. So kann er kleinere Lieferungen gleich selber besorgen und ist auch schneller. Die Bauern betrachteten dieses neuartige Gerät noch kritisch. Bevor er auf einen Hof einfährt, reduzierte er die Geschwindigkeit auf Schritttempo und drosselte den Motor. Anfänglich scheuten die Pferde und die Hunde waren kaum zu bändigen.

Franz kann es gut mit den Bauern. Sie sind froh, dass sie die Felle zu einem guten Preis verkaufen können. Bei den Metzgern ist es schwieriger, die haben bereits ihre festen Abnehmer. Da kann er sein Geschäft nur über einen guten Preis abschliessen. Dies ist insofern leichter, weil die meisten Metzger in der Partei sind, da darf er beim Einkaufen etwas grosszügiger sei. Alle sollen von der Parteizugehörigkeit profitieren.

Er teilte seine Besuche so ein, dass er drei Tage die Woche die Parteimitglieder besuchte und an den übrigen zwei Tagen sich um die Nichtmitglieder kümmerte. Am Samstag arbeitete er immer in der Fabrik und machte seine Abrechnung. Danach plante er die nächste Woche. Gegen Abend bekommt er noch den Wochenlohn ausbezahlt.

Anfänglich ist der Lohn bescheiden, doch mit der Zeit wird er besser. Dank dem Motorrad kann er seinen Aktionsradius ausdehnen. Inzwischen ist ihm der Wechsel zwischen Parteimitglied und parteilosem Bürger in Fleisch und Blut übergegangen. Er kann sowohl mit einem zackigen Heil Hitler, wie auch mit einer Begrüssung mit Händedruck und einem freundlichen grüss Gott umgehen.

Etwas schwieriger wird der Umgang mit Josef, da ist er vorsichtiger geworden. Er tätigt noch einige Geschäfte, aber nun rechnet er eine höhere Marge ein. Goldberg muss sich mit einem tieferen Gewinn zufrieden geben, doch der hat keine Wahl, als Jude hat er sich anzupassen.

Im März nehmen die Übergriffe auf Juden in Worms zu. Josef verlässt seine Wohnung, wenn er zuhause in Worms ist, nur noch selten. Er ist jetzt noch mehr im Schwarzwald unterwegs. Nicht weil er mehr Kunden besucht, sondern weil er immer vorsichtiger ist. Er schläft im Wald unter einer warmen Decke und wechselt nur bei Nacht seinen Standort. Mit seinen Lieferanten hat er geheime Zeichen vereinbart, so weiss er, ob sich ein Besuch lohnt, ohne dass er den Lieferanten sprechen muss. Auf diese Art könnte er auch gewarnt werden, wenn mit dem Besuch von Nazis zu rechnen ist. Joshua ist bei einem Uhrmacher in der Schweiz in eine Lehre eingetreten und lässt sich in Worms nicht mehr blicken.

Die seltenen Treffen zwischen Josef und Franz finden in den Rheinauen statt. Als Treffzeitpunkt ist immer der erste Montag jedes Monats eingeplant. Doch diese Treffen kommen nicht immer zustande. Wenn Franz das Gefühl hat, dass die Auen überwacht werden, geht er gar nicht hin. Dann versteckt sich Josef und muss warten, bis nächsten Monat.

Beim letzten Treffen, beschliessen sie, in gegenseitigem Einvernehmen, auf diese Art von Geschäften zukünftig ganz zu verzichten. Franz wünschte Josef viel Glück und bedauert, dass er nichts mehr für ihn tun kann. Die Zeiten sind schlecht und man muss vorsichtig sein. Das gilt natürlich besonders für Josef, aber auch Franz muss aufpassen. Seine Nachbarn beobachten alles genau, keiner ist sicher, jeder bespitzelt jeden.

Die Reichstagswahl ist in Worms eine grosse Sache. Die Nationalsozialisten zeigten eindrückliche ihre Stärke. Das Stadtzentrum ist mit Hakenkreuzfahnen geschmückte. In Uniformen patrouillierte die SA und singen deutsche Lieder. Seit die Lederfabrik wieder jeden anstellt, der sich um eine Stelle bewirbt, sind in der Region deutliche mehr Leute für die Nationalsozialisten. Die sind es, welche die Lederindustie kräftig ankurbelt.

Die Parteiführung hat Anrecht auf feine Lederhandschuhe. Die gehören zur Uniformen einfach dazu, natürlich brauchen die SS und die SA zu ihren Uniformen Gürtel und meistens gehört eine Kartentasche, welche an Lederriemchen befestigt ist, zur Standardausrüstung. Weiter brauchen die in Mode kommenden Motorradfahrer eine starke Schutzhaube aus festem Leder. Von den Uniformstiefel ganz zu schweigen. Da gibt es eine Menge Arbeit, man braucht jede Arbeitskraft.

Die Wahl macht die Nationalsozialisten zur stärksten Partei. Die Mehrheit verpassen sie knapp. Da sich die anderen Parteien nicht einig sind, spaltet sich Deutschland in zwei Hälften, die kleinere Hälfe hat die Macht, die grössere Hälfte muss sich unterordnen.

Am Samstagmorgen will Franz noch die Rehfelle eines Jägers abliefern. Die Abteilung, welche die Felle normalerweise entgegen nimmt, ist mit der Abrechnung beschäftigt.

«Bring doch die Felle direkt ins Lager», schlägt der Prokurist vor, «ich habe sie in der Liste eingetragen.»

Franz nimmt die Felle und geht durch den langen Gang zum Lager. Als sich die Frau, welche im Lager die Anlieferungen entgegen nimmt, umdreht, erschrickt diese. Franz ist es sofort aufgefallen, nur warum?

Dann tritt die Frau näher und Franz erkennt Maria Goldberg. Sie macht ein Zeichen, dass er still sein soll.

«Bitte nichts verraten», flüstert sie ihm zu, «ich bin hier als Witwe Kunz angestellt.»

«Hallo Frau Kunz», begreift Franz die Situation sofort, «arbeiten sie nicht mehr als Lehrerin?»

«Nein, die Bengel haben mich zu stark gefordert, die Jungen sind nicht mehr wie früher, sie sind zu frech geworden, das mache ich nicht mehr mit.»

«Das kann ich verstehen», antwortet Franz, «ich habe hier fünf Rehfelle, die machen vorne die Abrechnung und hatten keine Zeit sie zu liefern, da habe ich sie selbst vorbei gebracht.»

«Wie geht es Wilhelm?»

«Der studiert in Aachen, wir sehen ihn nur noch selten, aber er kann ein Luftfahrtstudium machen, das war immer sein Wunsch!»

«Ja das habe ich schon damals feststellen, das Fliegen hat ihn fasziniert. Schön dass es geklappt hat.»

«Und, wie geht es ihnen Frau Kunz, sicher ist es im Lager ruhiger, als bei diesen Bengel.»

«Das schon, aber es gibt viel zu tun, leider habe ich keine Zeit zum schwatzen. Die Felle müssen noch eingeräumt werden», sie reicht ihm die Hand und drückt sie sanft, zum Dank, dass er so gut mitgespielt hat, «hat mich gefreut etwas von meinem einstigen Schüler zu erfahren. - Heil Hitler, Herr Wolf.»

Franz geht nachdenklich ins Lohnbüro, er ist froh, dass die Goldbergs wenigstens einen Lohn haben, so können sie überleben. Er weiss, dass sich Josef gut verstecken kann, um ihn macht er sich keine Sorgen und wenn Maria wieder Witwe Kunz spielt, bleibt sie unbehelligt.

In Aachen setzt sich Willi im Studium ein und hat seinen Rückstand auf Sepp aufgeholt. Ob der politischen Lage ist das Studium etwas in den Hintergrund getreten. Nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten erscheinen einige Studenten in Uniform zum Unterricht. Anfänglich wollten die Lehrer sie aus dem Saal weisen, doch mittlerweile ist das zu gefährlich. Der erste Dozent welcher die Studenten aus dem Saal verwies, wurde auf den Heimweg verprügelt. Der nächste Dozent gab seinen Widerstand schnell auf, ihm kann es egal sein, er liebt seinen Beruf und will sich aus der Politik so gut wie möglich heraushalten.

Inzwischen hat Willi seine SA-Uniform bekommen. Am ersten Abend feiern sie mit Sepp und seinen Freunden aus der SA dieses Ereignis. Endlich gehört Willi dazu. Im Studentenlokal spendiert er eine Runde Bier. Das verkraftet sein Budget eben noch. Es wird ein geselliger Abend.

Auf dem Heimweg zu ihrer Studentenbude marschieren sie in Viererkolonne, singend durch die Stadt. In einem Park treffen sie auf einen Obdachlosen, welcher sich auf einer Parkbank für die Nacht eingerichtet hat. Er wird sofort angepöbelt. Ein Wort gibt das andere. Dann eskaliert die Situation, Sepp schlägt zu. Mit einem kritischen Blick fordert er Willi dazu auf, sich nicht nur aufs zuschauen zu begrenzen. Auch Willi gibt dem armen Penner eins auf die Nase. Die beginnt zu bluten, was man in der Dunkelheit aber nicht sieht. Willi bemerkt das Blut an seiner Faust erst, weil etwas Warmes über seine Hand läuft.

Als er feststellt, dass auch die neue Uniform mit Blut verschmiert ist, wird er wütend und schlägt noch drei Mal heftige zu. Der Mann geht zu Boden und bleibt wimmernd liegen. Mit einem Fusstritt in die Rippen verabschiedet sich jeder der Gruppe von ihrem Opfer.

«Dem haben wir’s gegeben», grölt Sepp und klopft Willi stolz auf die Schulter, «du hast dich gut gehalten, ich dachte schon, du traust dich nicht.»

Bei Willi halten sich die Freude darüber, dass er nun dazu gehört und die Scham, dass er einen Wehrlosen zusammengeschlagen hat, die Waage. Er rechtfertigt sich damit, dass man Deutschland vor solchen Schmarotzer befreien muss.

Nachdem er eine Nacht schlecht geschlafen hat, geht er zur Tagesordnung über. Er stürzt sich ins Studium. Abends ist er nun vermehrt in Uniform mit seinen Freunden unterwegs. Lediglich die Tatsache, dass sich in Aachen keine asozialen Leute mehr auf die Strasse wagen, ist es zu verdanken, dass er keine weiteren Personen zusammenschlagen muss. Die Leute haben gelernt und vermeiden es, auf den Strassen von Aachen aufzufallen. In den kleinen Gemeinden der Umgebung sind sie sicherere.

Einmal begegneten sie auf dem Heimweg einer jungen Frau, welche eine Freundin besucht hatte und nun zu spät nach Hause will. Sie umringen die Frau und beginnen sie zu schubsen. Die Frau reagierte überraschend.

«Ich habe nichts gegen einen harten Pimmel», erklärt sie den verdutzten Jungs und beginnt ihre Bluse zu öffnen, «es darf ihn aber nur einer reinstecken und von dem hätte ich gern seinen Namen! Ich muss ja wissen, wie der Vater meines Kindes heisst, sollte es eines geben. Die anderen dürfen zuschauen, wer will mich haben?»

Die Jungs schauen sich verdutzt an. Damit haben sie nicht gerechnet. Nach einigen kritischen Blicken ist die Entscheidung gefallen, sie ziehen gemeinsam ab. Die Frau kann ihre Bluse wieder zuknöpfen.

«So eine Schlampe!»

Beschämt zieht die Bande weiter. Inzwischen wird ihnen klar, dass die Freizeit nicht mehr mit herumziehen gestaltet werden kann, sie müssen sich etwas Neues einfallen lassen. Die meisten konzentrieren sich wieder auf das Studium, wie es Willi noch so gerne tut. Nun hat er abends wieder seine Ruhe.

Das Semester geht zu Ende. Seine Noten sind ausgezeichnet und die Promotion ins nächste Semester ist nicht gefährdet. Nun geht es darum, in den Sommerferien ein Praktikum zu machen. Sein Vater hat ihm angeboten, bei der Lederfabrik in der Produktion zu arbeiten. Das Angebot lehnt er ab. Er will in der Luftfahrt Erfahrungen sammeln. Dank seinem Professor darf er nach Friedrichshafen, da bauen sie an einem grossen Luftschiff.

Willi kann für drei Tage nach Worms, dann muss er weiter mit dem Zug über Basel nach Friedrichshafen. Die Zeit in Worms ist kurz, aber es reichte für einige schöne Stunden mit Gabi. Es ist für Willi ungewohnt, in ziviler Kleidung rumzulaufen. In Aachen trägt er entweder die Schulkleidung oder im Ausgang die SA-Uniform. Nun freut er sich, endlich ein Luftschiff zu sehen. Die LZ129 soll im Bau sein.

Am Bahnhof in Friedrichshafen wird er von der Frau des Ingenieurs abgeholt. Er darf für die sechs Wochen bei der Familie wohnen. Die Frau ist sehr elegant gekleidete, so feine Damen sieht man sonst selten.

«Heil Hitler!», begrüsst sie ihn, «ich bin Elfriede, aber nenn mich Elfi, so nennen mich Freund.»

«Heil Hitler! Ich bin Wilhelm, die Freunde nennen mich Willi.»

«Dann wollen wir schauen, dass wir nach Hause kommen», schlägt Elfi vor, «mein Automobil steht da drüben.»

Jetzt wird Willi nervös, sie ist mit einem Automobil gekommen. Er ist noch nie mit einem Automobil mitgefahren.

«Es ist eigentlich nicht mein Automobil, es gehört meinem Mann, aber ich darf manchmal damit fahren.»

Willi legt seinen Koffer in das Gepäckfach des Wagens und steigt auf den Beifahrersitz. Gespannt beobachtet er, wie sie den Motor startet. Es ist eine moderne Ausführung und lässt sich mit einem Anlasser elektrisch starten. Beim dritten Versuch startet der Motor. Noch hustet er laut. Aus dem Auspuff qualmt schwarzer Rauch. Sie lässt den Motor laufen, bis er etwas ruhiger und regelmässiger klingt, dann legt sie einen Gang ein und lässt das Kupplungspedal langsam hochkommen. Mit einem Ruck fahren sie los.

«Hoppla, das war etwas zu schnell», kommentiert Elfi den ruckartigen Start.

Langsam fährt sie über den Bahnhofsplatz und biegt in die Hauptstrasse ein. Die Leute springen zur Seite und schauen dem Gefährt nach, welches eine schwarze Rauchwolke zurücklässt. Ihr Haus liegt etwas ausserhalb von Friedrichshafen direkt am Bodensee. Willi staunt, in einem so grossen Herrenhaus war er noch nie.

«In einer halben Stunde gibt es das Nachtessen, dann wird auch mein Mann von der Arbeit zurück sein.»

Willi packt seinen Koffer und steigt die Treppe hoch. Auf der Treppe liegt ein eleganter Teppich, sicher sündhaft teuer. An der Wand hängen Ölgemälde. Das Zimmer ist gross, mit einem Fenster zum See. Ein Schrank und ein Schreibtisch aus edlem Eichenholz und ein Bett bilden die Einrichtung. Der Schrank ist für seine wenigen Kleider viel zu gross. Er hat schnell eingeräumt. Eine Durchgangstüre führt in den Waschraum. Er wäscht sich den Schmutz von der Reise ab und zieht sein bestes Hemd an.

Inzwischen hat er gehört, dass der Ingenieur nach Hause gekommen ist. Kurz darauf ruft Elfi zum Nachtessen. Hans, wie sich der Ingenieur mit seinem Vorname vorstellt, ist gross mit wachem Blick.

«Lasst uns mit dem Essen beginnen, wir haben anschliessend genug Zeit uns kennen zu lernen.»

Das Essen ist sehr gut. Gemüsesuppe, dann Teigwaren mit einem Kottelet, zum Dessert gibt es noch frische Erdbeeren. So gut hat Willi schon lange nicht mehr gegessen.

«Wie wird an der Uni der Wettstreit zwischen Luftschiff und Flugzeug beurteilt?», fragt Hans nach dem Dessert.

«Für lange Reise ist das Luftschiff im Vorteil. Zurzeit wird jedoch sehr oft über die militärische Verwendung diskutiert, da liegt der Vorteil bei den Flugzeugen, die könnten sich besser verteidigen.»

«Das mag stimmen, aber wer will den schon wieder Krieg», wendet Hans ein, «seit dem letzten sind erst fünfzehn Jahre vergangen. Haben die nichts gelernt?»

«Die Nationalsozialisten wollen unbedingt die Versailler Verträge rückgängig machen, dabei setzen sie auf das Militär.»

«Das mag sein, aber für mich ist nur die zivile Luftfahrt interessant, da liegt die Zukunft. In einer komfortablen Kabine in zwei Tagen über den Atlantik schweben, das ist Zukunft.»

«Da stimme ich zu, nur, bekommt die Uni Aachen mehr Geld zur Entwicklung von Flugzeugen. Sie haben einige Projekte, die in diese Richtung laufen. Wir haben sogar eine Maschine welche Luft in ein Rohr bläst, in der Mitte befindet sich eine Kammer für Versuche. Man untersucht den Auftrieb der Tragflächen und will bei gleichem Auftrieb den Widerstand möglichst gering halten. Leider dürfen sich nur die Abschlussklässer mit dieser Maschine beschäftigen, wir müssen mit komplizierten Formel den Auftrieb berechnen.»

«Das geht?»

«Ja, zumindest gibt es ein Resultat, später muss die Berechnung an einem Modell bestätigt werden.»

«Ich weiss, die Mathematik hat grosse Fortschritte erzielt. Bei den Luftschiffen ist immer noch die Erfahrung entscheidend. Natürlich rechnen auch wir, aber ich kann die Resultate mit meiner Erfahrung voraussagen.»

«Das kann ich mir gut vorstellen. Im Luftschiffebauen, sind wir auf dem Weltmarkt stark, das werden auch die Nationalsozialisten anerkennen. Bei den Flugzeugen liegen wir hinter den anderen europäischen Staaten zurück, von Amerika ganz zu schweigen.»

«Gut beobachtet, aber nun ist es Zeit, die Arbeit beginnt morgens um sieben Uhr, wenn wir vorher Frühstücken wollen, müssen wir um sechs Uhr aufstehen.»

Willi verabschiedet sich und steigt die Treppe hoch in sein Zimmer. Hans weckt ihn am nächsten Morgen rechtzeitig und mit vollem Magen, machen sie sich auf den Weg zur Werfthalle. Willi bekommt ein Fahrrad und fährt hinter dem Ingenieur her.

In der Werkstatt wird er mit seinen neuen Kollegen bekannt gemacht, dann geht es los. Man zeigt ihm, wie man die Streben auf die richtige Länge zuschneiden muss. Er erhält einen Plan, in dem ersichtlich ist, wie viele Streben von welcher Länge benötigt werden. Nun ist er beschäftigt. Nach einer Stunde hat er die erste Blase an der Hand, mit der er die Säge hält. Am Mittag gibt es in einer Kantine einen Eintopf, mit Fleischklössen. Eine Stunde später arbeitet er weiter. Um fünf Uhr holt ihn Hans ab.

«Ich denke, du möchtest Mal ein Zeppelin aus der Nähe betrachten, komm mit.»

«Ja gerne», er schwingt sich aufs Fahrrad und folgt dem Ingenieur.

«Die LZ127 ist seit einer Woche zur Inspektion in der grossen Halle.»

Willi steht staunend vor der mächtigen Halle. Durch eine winzig wirkende Türe gelangen sie ins Innere der Halle. Willi ist beeindruckt. Die LZ127 ist riesig und füllt die Halle beinahe aus. Er folgt Hans, welcher auf die Kabine zugeht, deren Räder auf dem Boden aufliegen. Eine Holztreppe erlaubt einem den Einstieg in die Kabine. Nun folgt eine Führung. Der Kommandostand ist mit diversen Instrumenten bestückt. Hans erklärt die genaue Funktion jedes Geräts. Dann besichtigen sie eine Kabine für zwei Passagiere. Sie enthält ein bequemes Doppelbett, einen kleinen Schrank. Am Fenster steht ein kleiner Schreibtisch.

«Das ist viel bequemer als diese engen Flugzeugsitze, da macht das Reisen spass.»

«Die Aussicht muss herrlich sein», staunt Willi, «das kostet sicher ein Vermögen, mit dem Luftschiff zu reisen. Das kann sich ein Student nicht leisten.»

«Da hast du natürlich Recht, aber Flugreisen mit dem Flugzeug sind auch nicht günstig! Zudem wird es den meisten Passagieren schlecht, weil es zu stark schaukelt, da kann keiner den Flug geniessen.»

Nach dem Besuch in der Kanzel erklärt Hans einige technische Daten. Das das Gasvolumen mehr als hunderttausend Kubikmeter beträgt und von fünf Zwölfzylinder Motoren angetrieben wird, welche über 450 PS Leistung haben, wusste Willi schon vorher. Er hatte alle Daten zur LZ127 im Kopf. Trotzdem ist er mächtig beeindruckt. Es ist schon ein Unterschied, ob man die Zahlen aus der Zeitung liest oder direkt vor dem Luftschiff steht.

«Wir müssen die Graf Zeppelin mit einem Hakenkreuze versehen», erklärt Hans, «Herr Eckert hat sich dagegen ausgesprochen, muss aber den Widerstand aufgeben, da er sonst die Betriebsbewilligung verloren hätte. Er erreichte lediglich, dass das Kreuz kleiner und nur auf einer Seite angebracht wird. Die Männer auf dem Gerüst sind die Mahler.»

Willi gibt keinen Kommentar ab, er will sich nicht politisch äusseren.

«Sobald die Mahler fertig sind, machen wir eine Probefahrt», erklärt Hans, «ich werde versuchen, dass du mitfliegen kannst. Es wird Zeit, dass du als Luftfahrtstudent deine Flugtaufe erlebst.»

«Ich darf mitfliegen?»

«Ich hoffe, es gibt noch einige Reparaturen an den Rudern, welche ebenfalls erledigt sein müssen, dann müsste es klappen. Auf Probefahrten bestimmt der Ingenieur, wer mitfliegen darf.»

«Danke!»

Mehr bringt Willi noch heraus. Damit wird seine Enttäuschung etwas gemildert, mit der er den ganzen Tag zu kämpfen hatte. Er ist von seiner Arbeit enttäuscht, nur Streben zuschneiden, ist nicht das was er von einem Praktikum erwartet hatte.

Erst nach einer Woche, nachdem er hunderte von Streben zugeschnitten, verputzt und hunderte von Löcher gebohrt hatte, wird er aus der Abteilung für mechanische Bearbeitung, in die Abteilung für die Aussenverkleidung versetzt.

Da lernte er mit Stoff umzugehen. Doch richtig interessant wird das Praktikum erst, als er in die Motorenwerkstatt verlegt wird. Endlich kann er das Herz eines Motors sehen. Einer der Motoren ist komplett zerlegt. Man ersetzt die alten Kolbenringe. Auch die Lager wurden ersetzt und mussten neu eingeschabt werden. Ein heikle Arbeit, welche nur von Spezialisten ausgeführt wird, aber er kann ihnen zumindest über die Schulter schauen und ihnen die Werkzeuge reichen.

Eine Woche später ist der Motor wieder montiert und auf dem Prüfstand bereit zum testen. Das ist für Willi sehr interessant. Jetzt kann er sich mit seiner Mathematik und seinen Berechnungen nützlich machen. Denn es zeigte sich, dass die Mechaniker gute Praktiker sind, aber von Mathe eher wenig verstehen. Der Motor würde auch ohne die Unterstützung von Willi für gut befunden. Die Leistungsdaten überzeugten den Ingenieur, dass der Motor nun wieder in Ordnung ist und im Luftschiff eingebaut werden kann.

Für den Probeflug wurde es noch eng. Erst eine Wochen vor Ende des Praktikums ist das Luftschiff für den Probeflug bereit. Vorsichtig wird der Riese aus der Halle auf das Vorfeld geschoben. Sicher vertäut werden die letzten Arbeiten ausgeführt. Ein Fotograf macht Aufnahmen für den Führer, auf denen das Hakenkreuz gut zur Geltung kommt.

«Einsteigen!», verkündet der Kapitän.

Endlich ist es soweit. Willi besteigt das startbereite Luftschiff. Man weist ihm ein Fensterplatz zu, auf den er sich setzen kann. Von der dritten Reihe aus, kann er genau beobachten, was die Besatzung für Handgriffe tätigt und auch die Kommandos kann er gut hören. Die Motoren wurden gestartet und der Koloss setzt sich in Bewegung.

«Ballast abwerfen!»

Nun hebt das Luftschiff ab, sie schweben über dem Platz und langsam gleiten sie in Richtung See. Friedrichshafen wird immer deutlicher sichtbar. Willi ist von der Vogelperspektive begeistert. Er drückt die Nase an der Scheibe platt, wie damals, als er das erste Mal mit der Eisenbahn nach Kassel fuhr.

Die folgenden Stunden wird er wohl nie vergessen. Sie lassen den Bodensee hinter sich und gleiten nach Süden. Später, über Zürich drehen sie auf Ostkurs, überfliegen den Zürichsee und später den Walensee. Die Winde welche seitlich aus den Alpen einfallen, verursachen ein Schlingern. Der Ingenieur verlangt von Kapitän einige spezielle Manöver, um das Verhalten des Luftschiffs unter erschwerten Bedingungen zu testen. Im Magen von Willi beginnt es zu rumoren. Das Schlingern wird noch schlimmer, er muss gegen das Erbrechen ankämpfen und ist froh, als der Ingenieur seinen Test beendet und das Luftschiff wieder ruhig dahingleitet. Über Sargans dreht der Kapitän nach Norden und folgt dem Rhein bis er den Bodensee erreicht.

Sie überfliegen den Flugplatz von Altenrhein. Dort ist die Do X im Hafen verankert. Das grösste Flugzeug der Welt, ist bereit für weitere Flugversuche. Von oben sieht sie klein aus, auf dem Flugfeld stehen noch andere Flugzeug, da sieht man schon, wie viel grössere dieser Gigant ist.

Von weitem ist Friedrichshafen zu sehen. Willi ist sich nicht sicher, ob er traurig sein soll, weil der Flug nach fünf Stunden schon vorbei ist oder ob er sich darauf freut, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Sein Magen hat sich noch nicht ganz beruhigt. Die Landung erfolgt ohne Probleme, der Ingenieur ist mit dem Testflug zufrieden. Zum Abschluss stellen sich alle, welche den Flug mitgemacht haben, zu einem Gruppenbild vor dem Luftschiff auf. Nochmal gibt es Fotos für den Führer und die Presse, welche über den erfolgreichen Testflug berichtet.

Bis Willi sein Praktikum abschliessen kann dauert es noch eine Woche. Der Testflug mit dem Zeppelin war der Höhepunkt. In der letzten Woche nimmt Hans ihn noch auf einem Motorboot mit nach Altenrhein. So kann er die Do X noch aus der Nähe betrachten. Unglaublich, dass so etwas fliegen kann. An Bord gehen, dürfen sie nicht, das Flugzeug unterliegt der Geheimhaltung. Ende August ist sein Praktikum zu Ende und er besteigt den Zug in Richtung Basel.

Am Bahnhof in Worms holt ihn Gabi ab. Sie hätte ihn gerne ein paar Tage früher begrüsst, denn in Worms ist seit einer Woche das Backfischfest im Gang. Da wäre Gabi gern mit einer Begleitung durch die zahlreichen Stände spaziert. Allein wurde sie immer angepöbelt, so dass sie lieber zu Hause blieb. Nun kann sie doch noch am Abend mit Willi durch Worms flanieren.

Willi ist überrascht, er kennt Worms beinahe nicht mehr. Die Strassen sind mit Hakenkreuzfahnen geschmückte und die Strassen sind sauber herausgeputzt. Gegen Abend hatte er den Eindruck, als ob ganz Worms auf den Strassen ist. Man kann sich kaum noch bewegen. Ideal für das verliebte Paar, sie schmiegen sich eng aneinander, so kommen sie besser durch die Menge.

Der Politiker

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