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Probleme mit Gabi /1937

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Ab Herbst werden die Briefe von Gabi seltener. Schrieben sie sich früher mindestens einmal in der Woche, so kommt es jetzt vor, dass bis vier Wochen vergehen, ehe ein kurzer Brief eintrifft. Willi weiss nicht was los ist, er ist froh, dass er über Weihnachten keinen Urlaub bewilligt bekommt. Die Fabrik muss so schnell wie möglich die Produktion steigern.

Seit die Briefe von Gabi so selten geworden sind, geht er vermehrt mit Freunden in die Kneipe in Rostock. Während er früher sich konsequent weigerte, sich mit einem der Mädels einzulassen, erwidert er nun die Blicke der Mädels und es kommt zu Umarmungen. Besonders Rita macht ihm schöne Augen und richtet es meistens so ein, dass sie neben ihm zu sitzen kommt.

Am Silvesterabend ist die Stimmung ausgelassen und Rita weicht nicht von seiner Seite. Um Mitternacht ist sie zur Stelle und überrascht ihn mit einem Zungenkuss. Eine Sekunde lang ist er verblüfft, doch dann erwidert er den Kuss.

Nach Mitternacht spielt das Trio, welches für Musik sorgt, nur noch langsame Stücke. Willi geniesst es, wieder engen Kontakt mit einem weiblichen Wesen zu haben.

Gegen zwei Uhr verlassen die beiden eng umschlungen die Kneipe. Es bleibt Willi nichts anderes übrig, als Rita nach Hause zu begleiten. Draussen ist es zu kalt und Rita wohnt mit einer Freundin zusammen in einem kleinen Zimmer bei einer Schlummermutter. Leise schleichen sie in ihr Zimmer und verschwinden sofort unter der Bettdecke. Das Jahr 1937 beginnt ja sehr aufregend. Ab jetzt trifft er Rita regelmässig, allerdings gibt es nur selten längeren Ausgang. Die Wehrmacht achtet streng darauf, dass ihre jungen Männer nicht auf dumme Gedanken kommen.

Zur Fastnacht bekommt Willi wieder einmal Urlaub. Enttäuscht stellt er fest, dass Gabi nicht in Worms ist. Auch ihre Eltern wohnen nicht mehr in Worms. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit einigen seiner ehemaligen Schulkollegen an den Faschingsball zu gehen. Die meisten hat er seit der Schulzeit nicht mehr gesehen.

Statt mit Mädels rumzuhängen, singt er mit seinen Schulfreunden um die Wette. Es wird reichlich getrunken. Jeder weiss eine Anekdote über einen Lehrer und noch viel besser, über eine Lehrerin zu berichten.

Jeder erzählt, was er so treibt. Die meisten sind in der Wehrmacht. Stolz informiert Willi, dass er nach dem Urlaub mit der Pilotenausbildung beginnen kann. Der Ingenieur hätte ihn vor seinem Urlaub noch informiert, dass er die letzten Monate seiner Wehrpflicht, als Belohnung für seine gute Arbeit, den Pilotenschein machen darf. In Sommer sind die vorgeschriebenen zwei Jahre Wehrdienst vorbei. Dann möchte er sein Studium in Aachen abschliessen. Wenn er in der Wehrmacht den Pilotenschein macht, darf er sich als Pilot bei den aufkommenden Fluggesellschaften bewerben.

Ohne dass er Gabi getroffen hat, muss er zurück nach Rostock. Er ist nicht traurig, so hat er kein schlechtes Gewissen, wenn er mit Rita in den Ausgang geht.

Wie vom Ingenieur versprochen, darf er mit dem Flugunterricht beginnen. Am Morgen macht er seinen Kontrollgang in der Fabrik und am Nachmittag nimmt er am Flugunterricht teil.

Die Übungen welche ihm Georg angeraten hat, wirkten. Beim ersten Flug mit dem Fluglehrer, wird ihm nicht schlecht. Beim Erstflug werden keine waghalsigen Manöver geflogen, das verkraftet er gut und mit jedem weiteren Flug, kann er sich an die Bedingungen gewöhnen. Seine theoretischen Kenntnisse helfen ihm und es dauert nicht lange, biss er das Flugzeug selber steuern darf.

Nach drei Wochen überlebt er seine erste selbst gesteuerte Landung. Gut sie strapazierte das Fahrwerk aufs Äusserste, doch der Fluglehrer ist zufrieden, er hat schon schlimmeres erlebt.

Die Flugprüfung besteht er beim ersten Mal und der Fluglehrer überreicht ihm den Pilotenschein. Endlich ist er Pilot, die zwei Jahre in der Wehrmacht haben sich ausgezahlt.

Langsam geht die Zeit in der Wehrmacht zu Ende und er muss sich mit der Planung der Zeit nach dem Wehrdienst befassen. Dass er sein Studium abschliessen will, steht fest, nur, nach seiner Entlassung, sind Semesterferien. Er sucht also nach einem Praktikumsplatz. Dazu ruft er Hans in Friedrichshafen an. Er erkundigt sich, ob der Pilotenschein auch zum lenken eines Zeppelin berechtigt. Leider wird das verneint, er bietet ihm aber an, als Bordingenieur den Kapitän zu unterstützen.

Insgeheim hofft Willi, dass er nach dem Luftfahrtstudium, sich zum Luftschiffkapitän weiterbilden kann. Er weiss, dass die Kapitäne langsam zu alt sind, da werden in Zukunft einige Plätze frei.

Willi freut sich auf Friedrichshafen, es sind bereits vier Jahre vergangen seit seinem letzten Praktikum. Hans wird ihm noch einige Ordner mit Unterlagen schicken, damit er sich bei theoretisch Fragen auf den neuesten Stand bringen kann.

In Rostock werden bereits zwei Do111 pro Woche aufs Rollfeld gerollt. Es braucht nicht mehr viel und man kann auf drei Flugzeuge pro Woche steigern. Meistens ist Willi mit seiner Inspektionsrunde am frühen Nachmittag fertig. Danach geht er spazieren.

Beim Zusammenbau der Tragflächen gibt es am Morgen Probleme, dabei hoffte Willi am Nachmittag einen Spaziergang in der warmen Maisonne zu machen. Vorher muss er das Problem mit den Tragflächen in den Griff bekommen, sonst wird es mit dem Spaziergang nichts. Durch nachmessen stellt er fest, dass die Lochabstände ausserhalb der festgelegten Norm liegen. So geht es nicht, man kann die Tragflächen nicht montieren.

Es bleibt nichts anderes übrig, als die Tragfläche auszusortieren. Danach muss man sie genau ausmessen und dann einen Flugzeugrumpf nach speziellen Massen herstellen. Eine ärgerliche Sache, für die Montage des aktuellen Flugzeug ist es nicht weiter schlimm, die nächsten Tragflächen stehen bereit, er muss nur dafür sorgen, dass sie aus den Lager ausgelagert werden.

«Wolf, sie sollen zum Ingenieur kommen», teilt ihm ein Mechaniker mit.

«Ich kann jetzt nicht weg, das sehen sie doch.»

«Ich habe meine Befehle, beeilen Sie sich.»

Was ist denn jetzt los? Wird er für den Fehler zur Verantwortung gezogen? Er beeilt sich und rennt förmliche durch den Gang. Er hat Angst, er weiss, dass der Ingenieur mächtig unter Druck von oben steht, muss er jetzt dafür büssen? Er wäre nicht der Erste.

«Was gibt es so dringendes?»

«Schmitz hinsetzen», befiehlt der Ingenieur und wartet bis der Mechaniker das Büro verlassen hat.

«Ich habe eben im Radio gehört, dass in Amerika die Hindenburg in Flammen aufgegangen ist.»

«Die Hindenburg», stammelt Willi vor sich hin, «aber das ist doch nicht möglich.»

«Doch, beim Anlegen in Lakehurst gab es ein Explosion, danach brannte das Luftschiff lichterloh und stützte ab, es gibt sicher Tote, ob jemand die Katastrophe überlebt, weiss man noch nicht!»

«Ich kann das nicht glauben, die Hindenburg war der Stolz von Friedrichshafen.»

«Ich befürchte, dass ist das Ende der Luftschiffe bedeutet.»

Willi erinnert sich an zahlreiche Diskussion mit dem Ingenieur. Der hat immer die Meinung vertreten, dass Luftschiffe zu gefährlich sind, während Willi sie verteidigte und ihnen im Langstreckenpersonenverkehr eine grosse Zukunft voraussagte.

«Wie geht es jetzt weiter?»

«Das werden die nächsten Wochen zeigen, sicher muss man die Ursache herausfinden, danach könnte ich mir vorstellen, dass es das war. Hitler setzt sowieso auf Flugzeuge, die eignen sich im Krieg besser.»

«Aber wir haben ja keinen Krieg.»

«Noch nicht! Wolf, noch nicht, wenn Hitler die enormen Ausgaben für die Wehrmacht rechtfertigen will, muss er früher oder später einen anzetteln, fragt sich nur gegen wen.»

«Meinen sie?»

«Warten wir ab, wie läuft es mit den Tragflächen?»

«Die Lochabstände für die Verankerung sind ausser Toleranz, aber wir haben noch im Lager, sie können ausgetauscht werden. Danach müssen wir einen Rumpf bestellen, bei dem die Bohrungen auf Mass angefertigt werden. Ich hasse solche Übungen.»

«Ich auch, aber wenigstens geraten wir nicht in Rückstand. Los Wolf, das ist alles, die Arbeit wartet.»

«Zu Befehl!», Willi schlägt die Füsse zusammen und salutiert, «ein Scheisstag ist das heute.»

«Ganz richtig bemerkt, wegtreten.»

Im Laufschritt rennt er zurück in die Halle. Was wird jetzt mit seinem Praktikum in Friedrichshafen? Das kann er vermutlich vergessen. Zum Glück ist er mit dem Austauschen der Flügel gefordert, so vergisst er sein Problem mit dem Zeppelin. Der Besuch bei Rita fällt sowieso in Wasser.

Die Befürchtung bezüglich der Zukunft der Luftschiffe bestätigt sich mit jedem Bericht den er in den Zeitungen liest. Es gab insgesamt 36 Todesopfer. Von den vielen Verletzten ganz zu schweigen. Niemand wird sich mehr freiwillig in einen Zeppelin setzen. Da sorgen schon die Zeitungen dafür. Damit ist für Willi ein Berufstraum geplatzt, er muss sich neu orientieren.

Er trifft mit dem Ingenieur eine Abmachung, dass er nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht, als ziviler Mitarbeiter in der Fabrik weiter arbeiten kann, bis das Studium beginnt. So kann er sich noch etwas Taschengeld verdienen.

Mit einer feierlichen Zeremonie wird der letzte Tag in der Wehrmacht begangen. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung bekleidet Wolf den Rang eines Obersturmbannführers. Noch ein letztes Mal Salutieren und Willi ist wieder ein Zivilist. Noch sind die Wehrmänner nicht endgültig entlassen, sie können bei Bedarf als Reservisten aufgeboten werden, aber davon geht keiner aus. Die meisten hoffen, dass sie ihr Studium abschliessen können.

Noch am gleichen Tag fährt er nach Worms und besucht seine Eltern. Die arbeiten immer noch in der Lederfabrik. In Worms scheint die Zeit stillzustehen. Er hofft auf ein zufälliges Treffen, wird aber enttäuscht. Gabi muss er vergessen. Er freut sich auf die Zeit in Aachen, wer wird noch da sein? Vorerst geht es zurück nach Rostock. Rita erwartet ihn und er ist gespannt, welche Arbeit ihm der Ingenieur zuweist, er tat sehr geheimnisvoll.

Die Überraschung ist riesig, als ihm der Ingenieur den Auftrag erteilt, das eben fertiggestellte Flugzeug, zu einem Fliegerhorst in Bayern zu fliegen. Auf dem Fliegerhorst muss er noch eine kurze Einführung für die neuen Piloten durchführen, am Abend wird er noch zu einer kleinen Feier eingeladen.

Am nächsten Morgen fährt er mit der Eisenbahn zurück nach Rostock. Damit ist seine Aufgabe für die erste Woche erledigt. Er hatte genügend Zeit, sich von Rita verwöhnen zu lassen.

Noch zwei andere Piloten haben die gleiche Aufgabe. So muss er meistens einen Auslieferflug pro Woche durchführen, da bleibt viel frei Zeit. Da die Maschinen nicht immer an den gleichen Fliegerhorst geliefert werden, lernt er Deutschland sehr gut kennen. Doch schon bald musste er von Rita Abschied nehmen. Sie versprechen sich zu schreiben, aber beide wissen, dass sie einander schnell vergessen werden. Nach einem kurzen Aufenthalt in Worms, reist er nach Aachen.

Der Politiker

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