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Wieder in Berlin. Noch ein paar Tage im Hotel. Dann wird die neue Wohnung bezogen. Der Start für eine neue Karriere. Ein neues Glück. Richard drückte seine Fäuste zusammen. Er fühlte sich stark und auf einem guten Weg. Das wäre in Bielefeld nicht möglich gewesen. Heute sollte der Mietvertrag für die neue Wohnung unterschrieben werden. In Bielefeld hatte Richards Familie in den letzten Jahren von Schwiegermutters Gnaden gewohnt. Symbolisch gehörte dazu der große Garderobenspiegel, den seine Schwiegermutter ihm geschenkt hatte, als er mit seiner jungen Frau die Bielefelder Wohnung bezogen hatte.

Jetzt konnte Richard erstmals eine Heimstatt für seine Familie ohne Einfluss Dritter schaffen. Es war für ihn so, als wenn er Verliebtsein, Hochzeit und die Geburt der Kinder verdichtet erleben würde. Seine Erfolgsfreude packte ihn. Jetzt konnte er seiner Familie endlich zeigen, dass er ihnen ein schönes Leben gestalten könne. Weit weg von Bielefeld. In einem neuen Heim. In Berlin. Mit einem neuen wichtigem beruflichen Schritt, bei dem die Schwiegermutter endlich keine Rolle mehr spielen würde.

Er war mit der Maklerin verabredet. Marianne von Bülow, Immobilien Hengst. Sie trug ein dunkelgraues Kostüm kombiniert mit einer engen schmalkragigen Bluse, die die Wölbung ihrer Brüste betonte. Sie genoss, dass Richard während ihrer Unterredung seinen Blick nur selten woanders hinlenkte. Sie trafen sich im reste-fidèle, um den Mietvertrag zu unterzeichnen.

“Wollen wir den Abschluss nicht mit einem Gläschen begießen?“

Richard nickte und hatte Wohlgefallen an ihrer Figur gefunden. Er fühlte sich bestätigt. Er war zum ersten Mal in seinem Leben in einer Situation, die sein gewachsenes Selbstbewusstsein verstärkte. Er entschied mit seiner Unterschrift über das neue Heim für seine Familie. Er würde mit seinem neuen Beruf für eine schönere, wohlhabendere Zukunft sorgen. Er schaute die Maklerin an und glaubte, dass sie ihn mochte, als sie ihm ihre private Karte beim Abschied sanft in die Hand drückte.

Richard war überzeugt, dass er von nun an mit seiner neuen Aufgabe ein besseres Ansehen genießen würde. Schließlich war er jetzt Marketing Manager in einem weltweit arbeitenden Konzern. Marianne von Bülow hatte zu Drink und Imbiss eingeladen. Das war ein guter und selbstverständlicher Abschluss der Vertragsunterzeichnung. Eine Art gefühlter Erfolgsprämie. Erfolg ist süß und macht hungrig. Er dachte an Morgen.

Das war sein erster Tag in der neuen Firma. Auf dem Weg zum Besprechungszimmer fiel ihm, dass er die Firma, in der Jeannette arbeitete, immer noch nicht angerufen hatte.

„Meine Damen und Herren, hiermit möchte ich ihnen den neuen Marketingchef vorstellen. Es ist Diplom-Ingenieur Richard Benn. Er verfügt über besondere, wenn nicht einzigartige Kenntnisse in Fernüberwachungssystemen, einem, wie Sie wissen, Schwerpunktbereich für die Zukunft. Ihnen ist ja bekannt, dass für diesen Bereich ein Vorprojekt existierte. Dieses ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird nun mit neuer Energie aufgegriffen und fortgeführt. Dazu werden Sie zu gegebener Zeit weitere Informationen erhalten. Herr Benn wird sich Ihnen in Einzelgesprächen selbst vorstellen. Dann können Sie auch Ihre etwaige Neugierde befriedigen. Ich möchte Sie bitten, konstruktiv mit ihm zusammenzuarbeiten. Er wird zunächst einige Tage im Unternehmen als Fragender verbringen, um unsere Strukturen kennen zu lernen. Danach übernimmt er die volle Verantwortung für den Bereich Marketing und Vertrieb.“

Dr. Hartweich schaute in die Runde der Mitarbeiter und deutete auf Richard Benn. Richard verneigte sich vor der Schar seiner neuen Mitarbeiter:

„Guten Tag, meine Damen und Herren. Ich freue mich, im Hause der SignaTec AG diese große Verantwortung übernehmen zu können. In den nächsten Tagen werde ich mit jedem von Ihnen Einzelgespräche führen. Danach kann ich Ihnen etwas über die weiteren Aktivitäten in unserer zukünftigen Zusammenarbeit sagen. Frau Brammert wird die entsprechenden Termine rechtzeitig mit Ihnen abstimmen.“

Frau Elisabeth Brammert war die Vorzimmerdame für den Bereich Marketing und Vertrieb. Sie begleitete Richard Benn zu seinem neuen Büro.

„Ich kenne den Doktor schon einige Jahre. Bis vor einem Jahr saß ich noch in seinem Vorzimmer.“

Richard hielt seine spontane Frage nach dem Grund für diese Veränderung zurück und ließ sich in die Büroorganisation einweisen.

„Hier habe ich ein Organigramm für Sie. Da sind auch die Namen Ihrer Mitarbeiter eingetragen. Wenn Sie jetzt schon Näheres über die Damen und Herren wissen wollen, kann ich die Personalakten jederzeit aus der Personalabteilung holen.“

Richard winkte ab.

„Ich werde erst einmal die Gesprächsrunde wahrnehmen. Danach schauen wir weiter. Ich sehe hier, dass Herr Santier als Produktmanager für die Fernüberwachungssysteme arbeitet. Ihn würde ich gerne als ersten Mitarbeiter zum Gespräch bitten.“

Frau Brammert nahm die Wünsche auf und organisierte die Gesprächsrunde. Richard arbeitete konzentriert. Er hatte während seiner bisherigen beruflichen Laufbahn viele Mitarbeiter kennen gelernt, erlebt und beurteilt. Jetzt saß er demjenigen gegenüber, der als Produktmanager zu den Schlüsselfiguren seiner eigenen Zukunft gehörte.

„Sie sind Diplom-Ingenieur wie ich, Herr Santier.“

„Seit Abschluss meines Studiums arbeite ich für diese Firma.“

„Wie ich aus ihrer Akte sehe, leben sie mit Ihrer Familie in Berlin Hennigsdorf.“

Ferdinand Santier trug einen kleinen Kinnbart und eine Nickelbrille.

„Ich liebe unser Haus dort, eine Doppelhaushälfte mit Garten. Dort können die Kinder spielen. Das gibt mir die Basis für die Arbeit und den Willen zum Erfolg.“

„An dem Projekt Fernüberwachung ist ja schon lange gearbeitet worden.“

„Ja, natürlich. Ich war auch involviert. Aber es ist vor einiger Zeit stillgelegt worden. Ich weiß nicht genau warum. Es soll mit der Budgetierung zu tun gehabt haben. Man hatte vermutet, dass die Koordination zwischen der Planung und der Produktion nicht so richtig funktioniert hat.“

„Wer war der Projektleiter?“

„Es war mehr ein Projektkonsulat. Das waren Ihr jetziger Chef, der Doktor Hartweich und der Produktionsleiter, Herr Breuer.“

Richard merkte sich den Tonfall dieser Antwort, wollte aber wegen des Vorprojektes im Moment nicht weiter hinterfragen.

„Mir ist Ihr Name aufgefallen. Er klingt französisch.“

„Ja, das kann ich verstehen, ich werde oft deswegen gefragt. Meine Ahnen sind französische Protestanten. Die wurden auch Hugenotten genannt.“

„Ich habe erfahren, dass Sie immens viele eigene Ideen in das bisherige Projekt eingebracht haben. Ohne die wären wir jetzt nicht so weit, wie wir sind.“

„Ich hätte gerne weiter gemacht, weil noch einige Überlegungen nicht genutzt worden sind. Wir haben ja auch einige entscheidende Laborergebnisse vorliegen. Ich hoffe, dass ich die Ergebnisse jetzt werde einbringen können. Auf jeden Fall bin ich scharf darauf, in dem neuen Projekt aktiv mitzumachen.“

„Ich habe in den letzten Jahren in dem Gebiet der Fernüberwachung eine Konkurrenzübersicht aller Hersteller erstellt. Das wird uns in dem Projekt sicherlich helfen.“

Herr Santier nickte.

„Glauben Sie, dass ich das einsehen kann?“

„Das ist doch selbstverständlich.“

Frau Brammert betrat den Raum und fragte nach, ob die Herren noch einen Wunsch hätten. Sie sollte noch etwas frischen Kaffee bringen. Während sie etwas Geschirr vom Tisch räumte, und den Raum wieder verließ, betrachtete Herr Santier sie ausgiebig.

„Sie hat immer noch eine tolle Figur.“

„Was hat das mit dem Projekt zu tun?“

„Nun, bei dem Vorprojekt spielte das eine Rolle. Sie war sehr engagiert. Auch in der Projektleitung.“

Richard ging nicht auf diese Anmerkung ein. Entweder hatte sie wirklich einen Einfluss auf das Projekt und damit eine besondere Beziehung zur Projektleitung oder Herr Santier hatte eine Schwäche für Frau Brammert oder für Frauen mit Figuren wie die ihre. Als Santier sich verabschiedete, hatte Richard ein etwas mulmiges Gefühl. Er wollte von etwaigen alten Beziehungen zwischen den Mitarbeitern nichts wissen. Und schon gar nicht, wenn es eventuell seinen neuen Chef, den Co-Leiter des Vorprojektes, betraf. Er räumte weiter seine mitgebrachten Unterlagen ein.

Der rasierte Fisch

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