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Elvira gesellte sich zu zwei Damen an der Champagnerbar im KaDeWe. Hinter ihnen entdeckte sie Rico, der sich einen blauen Schal umgelegt hatte. Er hatte schon zwei Gläser Champagner bestellt.

„Champagner rosé, in Blau können sie leider noch nicht liefern.“

„Rico, Du bist ein Spinner. Danke, auf Dein Wohl!“

„Auf unser Wohl!“

„Hast Du inzwischen eine konkrete Vorstellung für das Bild in Blau?“

Elvira schaute auf seinen blauen Schal, fühlte den Stoff zwischen zwei Fingern, schmiegte sich kurz an den Kaschmirstoff und schaute Rico über dem erhobenen Glas an.

„Du hast Dich heute noch gar nicht rasiert, mein Lieber.“

„Ich hatte einfach keine ruhige Hand, weil ich so aufgeregt war wegen unseres Treffens.“

„Wahrscheinlich hast Du zu lange geschlafen.“

„Nein, ehrlich, ich bin gut geduscht, habe ein wenig Obst gefrühstückt und stehe mit offenem Herzen vor dir. Alles für Dich.“

Elvira stellte fest, dass sie seine Stimme mochte.

„Alles für mich? Was würdest Du für mich tun?“

„Verehrte Elvira, wisse, dass ich Dir gehöre. Du bist mein Traum. Für diesen Traum gebe ich alles. Meine Bilder sind nicht von mir. Sie sind unsere Kinder. Wenn ich male, führst Du meine Hand. Du bist meine Muse. Können wir nicht im Atelier weiter sprechen?“

Elvira nickte, hakte sich unter und behielt das Ende seines blauen Schals in ihrer Hand. Bis zum Atelier in der Wichmannstraße war es nicht sehr weit. Das Atelier ist von der Straßenseite nicht einsehbar. Die große Arbeitsfläche mit einigen Staffeleien, wenigen Skulpturen aus Sandstein und zwei Werkbänken mit allerlei Werkzeug grenzen an einen offenen Raum, der als Ruhezone dient. Ihm gegenüber ist eine Küche mit einem schweren Holztisch und einer Bestuhlung aus verschiedenen Stilrichtungen eingerichtet. Ein Barwagen befindet sich vor der Küche. Rico reichte Elvira eine Flute.

„Blau ist eigentlich die Farbe aller denkbaren Sehnsüchte. Nicht umsonst haben die Menschen in vielen Kulturen diese Farbe ...“

Sie nahm das Glas aus seiner Hand, stellte es auf den Barwagen, ergriff beide Enden seines blauen Schals und zog Rico an sich, bis sich ihre Lippen trafen.

„Du kannst mich ruhig kratzen mit Deinem Bart, Du blauer Künstler.“

Rico umarmte sie im Kuss. Sie schwebten. Elvira ließ die blauen Blätter um sich wachsen und spürte das ersehnte große Blau auf ihrer warmen, nach und nach entblößten Haut. Die vierte Dimension und eine weitere nahm sie gefangen. Elvira wusste, dass ein Bild nie fertig ist, auch wenn es einen Rahmen hat. Es gibt eine unendliche Auswahl an Blautönen. Und da kann es stimmen, dass eine Komposition gefällt, wie die Komposition aus Küssen und Berührungen. Das ist wie erfülltes Sehnen. Kommen die Farben der Bilder auch aus dem Gefühl des Sehnens auf die Leinwand? Elvira hörte auf, darüber nachzudenken. Sie ließ einfach die Zeit weg.

Es gibt Zeiten, die ohne Raum sind. Es gibt Räume ohne Zeit.

Der rasierte Fisch

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