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Die drei Arten von Leid

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Es gibt viele Arten von Leid, und wenn wir tiefer darüber nachdenken, sehen wir, daß sie in drei Arten eingeteilt werden können. Die erste Art ist das Leid, das alle Wesen als solches erkennen. Die zweite und dritte Art sind viel schwieriger zu verstehen.

1 Leid der Schmerzen

Die erste Art von Leid wird als Leid der Schmerzen bezeichnet oder als offensichtliches Leid. Das ist uns allen deutlich – unsere körperlichen Schmerzen wie Krankheit, Knochenbrüche, Krebs und Herzanfälle zum Beispiel, und unsere geistigen Schwierigkeiten – Sorgen, Enttäuschung, Kummer und Angst. Wir alle können solche Erfahrungen als Leid erkennen, und es ist diese Art von Leid, die wir ständig zu vermeiden und zu beseitigen versuchen. Tiere versuchen ebenfalls, ihm zu entrinnen, aber in dieser Hinsicht sind die Menschen überlegen. Aufgrund ihrer Fähigkeit zu denken und zu folgern haben sie viel raffiniertere Mittel ersonnen, um Leid zu erleichtern. Ein Tier mag fähig sein, augenblickliches Leid zu hemmen, aber es ist unfähig, Vorkehrungen zu treffen, um Leid in der Zukunft zu vermeiden. Menschliche Wesen verfügen über diese Fähigkeit, zu denken und vorauszuplanen. Wenn wir das erkennen, müssen wir uns bemühen, diese Möglichkeit voll auszuschöpfen und unseren Geist mit allen seinen Fähigkeiten einzusetzen.

Wozu sollen wir unseren Geist benützen? Wir werden ihn dazu benützen, Leid zu beseitigen. Nicht nur unser gegenwärtiges Leid, sondern auch das, das sonst in der Zukunft entstehen könnte, in diesem Leben und in zukünftigen. Es gibt Zeiten in unserem Leben, in denen unser Leid aufzuhören oder nachzulassen scheint, wie zum Beispiel, wenn wir zum Arzt gehen und von einer Krankheit geheilt werden, aber auf diese Weise kann Leid nicht für immer ausgemerzt werden. Wenn wir es ganz entwurzeln möchten, müssen wir Dharma anwenden. Leben wir weiterhin so wie in der Vergangenheit, dann gibt es keine Möglichkeit, Leid zu beenden. Es mag zeitweise abnehmen oder subtiler werden, aber es verschwindet nicht und wird uns nur einen vorübergehenden Aufschub gewähren. Selbst wenn wir frei von körperlichen Krankheiten sind, werden wir oft von geistiger Unruhe gequält. Wenn nicht durch unseren Körper, dann sind wir durch unseren Geist in diesem Netz von Sorgen gefangen. Das sollte uns allen klar sein. Unsere Hoffnung liegt in der Tatsache, daß wir Leid vollständig zerstören können, indem wir unseren Geist benützen und ihn entwickeln.

Von den beiden Arten von Leid, dem körperlichen und dem geistigen, ist es für uns viel wichtiger, das geistige zu beseitigen. Denn geistiges Leid ist schwerer zu ertragen. Auf die gleiche Weise ist geistiges Glück viel dauerhafter und stärker als körperliches Wohlbefinden. Aus diesem Grund steht der Geist in der Anwendung von Dharma an erster Stelle. Erfährt jemand geistigen Schmerz, dann wird er sich auch in der allerschönsten Umgebung elend fühlen. Das sollte uns aus unserer eigenen Erfahrung klar sein. Wenn man dagegen einen friedlichen und ausgeglichenen Geist hat und körperliche Härte und Not erfährt, ist es viel leichter zu ertragen, und zwar weil der Geist zufrieden ist. Deshalb ist es wichtig, daß wir geistiges Leid beseitigen und Frieden im Geist erlangen. Da es mit Hilfe des Dharma möglich ist, dies zustande zu bringen, können wir also durch die Anwendung von Dharma glücklich werden und allem Leid ein Ende setzen.

Um dies klarer zu verstehen, können wir folgendes Bild verwenden. Auch wenn eine Person unermeßlich reich ist, solange ihr Geist nicht ruhig und glücklich ist, wird sie nie wirklich zufrieden sein. Ein vertrautes Beispiel sind Leute in politischen Machtpositionen. Ein Mann oder eine Frau mag Präsident oder Premierminister werden und von vielen geachtet und geehrt werden. Aber es wird für sie außerordentlich schwierig sein, sich wirklicher geistiger Ruhe zu erfreuen, solange sie sich mit Politik beschäftigen. So kann es sein, daß trotz der Autorität, die sie vorübergehend innehaben mögen, trotz ihres Reichtums, ihr Geist ruhelos bleibt. Wenn wir darüber nachdenken, wird uns die Bedeutung klar. Dagegen wird eine Person mit einem glücklichen und ruhigen Geist, auch wenn sie nicht genügend Nahrung und Kleidung hat, trotz solcher Schwierigkeiten glücklich sein.

Wir wenden Dharma an, um Leid zu beseitigen und um Glück zu erlangen, um geistigen Schmerz zu beenden und geistiges Wohlbehagen zu erreichen. Das Dharma ist das einzige Mittel, mit dem dieses Ziel verwirklicht werden kann. Die erste Art des Leids, das Leid der Schmerzen, sollte jetzt klar sein. Es bezieht sich auf körperliches und geistiges Leid, auf Krankheit, Hunger, Durst, Depression, Verzweiflung und so weiter. Sie alle haben solches Leid erfahren, und so ist es nicht nötig, näher darauf einzugehen.

2 Leid der Veränderung

Die zweite Art von Leid ist schwieriger zu verstehen. Sie wird Leid der Veränderung genannt und ist das, was im allgemeinen als Glück betrachtet wird. Wir mögen zwar denken, daß das, was wir gewöhnlich Glück nennen, tatsächlich Glück ist, in Wirklichkeit ist es jedoch nicht ein Zustand dauernden und beständigen Glücks. Wenn das, was wir Glück nennen, wirklich Glück wäre, müßten wir es unendlich lange Zeit genießen können. Es würde sich nie verändern, und wir könnten immer in demselben glücklichen Zustand bleiben. Aber wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung, daß es nie anhält. Langsam ändern sich die Umstände, und unser Glück verschwindet, und statt dessen bleiben wir in einem Zustand von Gleichgültigkeit oder Trübsal zurück.

Jetzt zum Beispiel ist es Sommer, und die Leute machen Ferien in den Bergen oder an den Seen in der Umgebung, um zu entspannen, das Wetter zu genießen und natürlich, um glücklich zu sein. Das betrachten sie alle als wirkliches Glück. Aber wenn wir so denken, überlegen wir falsch. Es ist wahr, daß wir uns, wenn wir an unserem Lieblingsferienort ankommen, für eine Weile ganz glücklich und zufrieden fühlen können. Aber wenn wir gezwungen wären, für unbestimmte Zeit in dieser Situation zu bleiben, würde sich unser Glück langsam in Niedergeschlagenheit verwandeln, und aus Unzufriedenheit und Langeweile heraus würden wir uns danach sehnen, woanders hinzugehen. Bei manchen würde diese Unrast als eine Folge körperlicher Mühsal entstehen, und sie würden beginnen, die Bequemlichkeiten daheim zu vermissen. Bei anderen wäre die Unzufriedenheit geistiger Art. Sie würden sich rastlos und gelangweilt fühlen und etwas anderes unternehmen wollen. Auf die eine oder andere Weise würde das Glück abnehmen und sich schließlich in das Gegenteil verwandeln. Wenn es wahres Glück wäre, müßte es unbegrenzt fortdauern und immer befriedigender werden. Daher wird diese Art von Leid als Leid der Veränderung bezeichnet. Zuerst ist das, was wir erfahren, angenehm und erfreulich, doch im Lauf der Zeit verwandelt es sich schließlich in Unzufriedenheit.

Wenn es uns an einem Hochsommernachmittag wie diesem zu heiß ist und wir uns nicht wohl fühlen, denken wir daran, wie schön es wäre, unten am See zu sein, und wir sind unglücklich, weil wir nicht dorthin gehen können. Und wenn wir zum See gingen und in das kühle, erfrischende Wasser untertauchen könnten, wäre es für eine Weile angenehm. Müßten wir aber eine oder zwei Stunden im See bleiben, würde das bald zur Quelle wirklichen Leids werden. Dieses gleiche Prinzip gilt für Besitz, Reichtum, gesellschaftliche Stellung und so weiter. Wenn wir diese Dinge nicht haben, sehnen wir uns sehr danach und sind überzeugt, daß sie die wirkliche Ursache wahren Glücks sind. Aber auch wenn wir tatsächlich erlangen, was wir wünschen, und eine kurze Zeit der Befriedigung erleben, scheint oft etwas schiefzugehen, und bald beginnen wir, uns zu ärgern und mit unserem Glück unzufrieden zu sein. Früher oder später wird es zur Quelle von Leid. Ich übertreibe das nicht. Wenn Sie Ihre eigenen Erfahrungen im Leben ins Gedächtnis zurückrufen und tief darüber nachdenken, werden Sie selbst sehen, daß es so ist.

Bis jetzt haben wir alle das, was wir Glück nennen, als wahres und beständiges Glück betrachtet und endlose Stunden damit verbracht, ihm nachzujagen. Jeder kann die erste Art des Leids verstehen; es ist ganz offensichtlich. Aber es bedarf gründlichen Nachdenkens und Überlegens im Licht von Dharma-Unterweisungen, um zu erkennen, daß die zweite Art von Leid, das Leid der Veränderung, das wir für gewöhnlich als Glück betrachten, ebenfalls eine Art von Leid ist.

3 Umfassendes Leid

Die dritte Art von Leid ist noch schwerer zu verstehen. Sie wird umfassendes Leid genannt oder das Leid, das unserem Körper und Geist, den Aggregaten, innewohnt. Tatsächlich ist verhältnismäßig leicht zu erkennen, daß das, was wir gewöhnlich Glück nennen, nicht etwas Beständiges und Dauerhaftes ist, sondern sich schnell verändert und sich leicht in Schmerz verwandeln kann. Aber zu verstehen, daß unser Körper und unser Geist, daß alles, was unsere Persönlichkeit ausmacht, von Leid durchdrungen ist, ist viel schwieriger. Wenn wir zum Beispiel eine Verletzung an unserem Arm haben und Salbe auftragen, läßt der Schmerz nach, und eine angenehme Empfindung entsteht. Wenn wir dagegen auf die Wunde schlagen oder Salz darauf streuen, verursacht das sehr großen Schmerz. Die Verletzung ist die Grundlage, auf der die beiden Empfindungen, das Vergnügen und der Schmerz, entstehen. Ihre eigentliche Natur ist Leid, aber wir spüren nichts, bis ein äußerer Faktor dazukommt, der eine angenehme oder unangenehme Reaktion hervorruft. Der Schlag auf die Wunde ist ein Beispiel für das Leid der Schmerzen. Wenn wir die Verletzung mit Salbe behandeln und ein angenehmes Gefühl entsteht, ist das ein Beispiel für das Leid der Veränderung. Wenn wir die Wunde einfach nicht beachten und weder Vergnügen noch Schmerz empfinden, veranschaulicht dies das umfassende Leid, weil die Verletzung in ihrer eigentlichen Natur Leid ist.

Das ist eine kurze Erklärung der drei Arten von Leid. Alles in allem läßt sich über unsere Situation sagen, daß wir ständig mehr oder weniger Leid erfahren. Es ist immer gegenwärtig in unserem Leben und durchdringt unser ganzes Sein. Sie sollten über diese Tatsache tief nachdenken. Wenn es keine Möglichkeit gäbe, solches Leid zu beseitigen, hätte es keinen Sinn, daß Sie hierhergekommen sind. Tatsächlich gibt es aber eine Möglichkeit, es zu beseitigen, und jeder von uns ist dazu fähig. Die Methode liegt in uns selbst. Sie besteht im wesentlichen aus dem richtigen Gebrauch der Urteils- und Denkfähigkeit unseres Geistes. Es ist nicht etwas, das wir von anderen bekommen oder in einem Fachgeschäft kaufen können. Das wäre etwas anderes. Wer wir auch sein mögen, wir haben diese Fähigkeit. Jeder ist fähig, sich aus der Herrschaft des Leids zu befreien und es vollständig zu beseitigen, ganz gleich, ob er reich oder arm, jung oder alt, Mann oder Frau ist. Die Methode besteht darin, unseren Geist für die Anwendung von Dharma zu benützen. Dazu müssen wir zuerst Kontrolle über unseren Geist gewinnen und dadurch Selbstbestimmung darüber erlangen, wie wir ihn gebrauchen. Gegenwärtig ist es, als sei unser Geist außer Kontrolle – er denkt, was er will, ohne daß wir ihn wirklich beherrschen und lenken können. Wir brauchen ihn nur ein paar Augenblicke lang zu beobachten, um zu sehen, wie wahr das ist. Mit Hilfe unserer Anwendung des Dharma versuchen wir, unseren Geist unter Kontrolle zu bringen und seiner Herr zu werden. Zur Zeit ähnelt unser Geist einem wilden Elefanten, der beim geringsten Anlaß durchgeht und eine Gefahr für uns selbst und für andere ist. Aber dieser wilde Elefant ist nicht ganz außerhalb unserer Kontrolle. Wir können ihn einfangen, zähmen, und schließlich wird er unser Diener werden, der uns in der Anwendung des Dharma hilft. Wir werden sein Meister werden und ihn führen und lenken, wie wir es wünschen.

Die Methode, um Herrschaft über den Geist zu gewinnen, ist Meditation. Wenn wir genügend Zeit hätten, würde ich Ihnen alle Stufen in der Anwendung von Meditation ausführlich erklären, und danach könnten Sie darangehen, sie anzuwenden. Da unsere Zeit jedoch begrenzt ist, werde ich Sie eine Meditationstechnik lehren, und dann werden wir sie üben. Später werde ich Sie noch eine lehren, und wir werden wieder meditieren. Auf diese Weise kann ich Ihnen mehrere Meditationsanwendungen erklären, und Sie können diejenigen benützen, die Sie für Ihre Entwicklung am hilfreichsten finden.

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