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Die sechs Stufen der Atemmeditation

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Nachdem man sich in der richtigen Haltung hingesetzt hat, beginnt man, sich auf den Atem zu konzentrieren. Diese Meditation des Beobachtens des Atems hat sechs Unterteilungen: Zählen, Folgen, Setzen, Untersuchen, Verändern und Vollendung.

1 Zählen

Zählen bezieht sich auf das Zählen der Ein- und Ausatmungen. Wir sitzen in Meditationshaltung und atmen langsam ein und aus. Jede Folge einer Einatmung und einer Ausatmung wird als eins gezählt. Auf diese Weise zählen wir bis zehn. Während dieser Zeit sollte der Geist vollkommen auf das Atmen konzentriert sein. Da Hindernisse entstehen, wenn man weniger oder mehr als zehn zählt, werden wir bis zehn zählen. Während wir zählen, sollte uns bewußt bleiben, daß wir jetzt einatmen, jetzt ausatmen und so weiter. Wenn wir einatmen und dabei denken, wir atmen aus, verfehlt es den Zweck der Übung. Wir müssen unablässig auf die Atemfolge achten. Wenn man diese Übung ausführt, aber dem Geist erlaubt zu wandern, wird sie keinen Nutzen bringen. Am Anfang sollten wir auf eine sanfte, natürliche Weise atmen. Schließlich wird unser Atem als Folge dieser Anwendung länger und tiefer werden. Der Geist muß dem Atemvorgang aufmerksam folgen, ohne an etwas anderes zu denken. Versuchen Sie nicht, den Atem künstlich zu verlängern. Wenn man fähig ist, zehn Einatmungen und zehn Ausatmungen zu zählen, ohne den Geist wandern zu lassen, und wenn der Atem als Resultat der Übung länger geworden ist, dann ist die erste Stufe des Beobachtens des Atems abgeschlossen. Erst dann sollte man zur zweiten Stufe weitergehen.

2 Folgen

Auf der zweiten Stufe folgt man dem Atem. Zuerst folgen wir mit unserer Aufmerksamkeit unserer Einatmung, bis sie die Höhe des Halses erreicht, und dann, während wir ausatmen, folgen wir dem Atem bis zu einem Punkt ein wenig jenseits der Nasenlöcher im Raum vor uns. Wenn uns das ganz leicht fällt, beginnen wir, der Einatmung in der Luftröhre ein wenig weiter hinunter bis zur Brust zu folgen, und in gleicher Weise eine entsprechende Entfernung aus den Nasenlöchern hinaus. Gelingt uns das gut, dann folgen wir dem Atem bis zur Höhe der Knie und wieder dieselbe Entfernung aus den Nasenlöchern hinaus. Es mag manchen von Ihnen leichter fallen, sich die durch die Kanäle streichende Luft wie einen dünnen Weihrauchfaden vorzustellen. Dabei ist es wichtig, daran zu denken, daß der Atem selbst weder Form noch Farbe hat und daß dies nur eine Hilfe für die Visualisation ist. Indem Sie auf die gleiche Weise fortfahren, sollten Sie sich dann vorstellen, daß der Atem bis zur Ebene der Füße geht und dann die entsprechende Entfernung aus den Nasenlöchern hinaus.

Obwohl ich das ziemlich schnell erkläre, sollten Sie, wenn Sie meditieren, langsam und stufenweise vorgehen, jeden Schritt beherrschen, bevor Sie zum nächsten weitergehen. Jede folgende Stufe wird viel Zeit beanspruchen. Es ist, wie wenn man ein Haus baut; man kann es nicht in einem Tag bewerkstelligen. Man baut Ziegel um Ziegel. Aber wenn jeden Tag gearbeitet wird, ist das Haus letzten Endes gebaut. Diese Meditation ist ähnlich. Wir müssen jeden Tag ein wenig tun und werden dann als Ergebnis unserer beständigen Anstrengung Fortschritt machen. Der Meditierende setzt seine Anwendung fort und stellt sich vor, daß der eingeatmete Atem über die Füße hinausgeht und desgleichen der ausgeatmete Atem eine entsprechende Entfernung über die Nasenlöcher hinaus. Wenn diese zweite Stufe der Atem-Achtsamkeit vervollkommnet worden ist, ist der Meditierende fähig, seiner Atemfolge über das Ende der Füße hinaus zu folgen, ohne daß der Geist jemals abschweift. Erst dann kann der Meditierende zur nächsten Stufe weitergehen.

3 Setzen

Wenn ein Meditierender die dritte Stufe meistert, das Setzen, ist er fähig, den Atem zu visualisieren, als sei er ein dünner Weihrauchfaden, der bewegungslos ist und von den Nasenlöchern bis hinunter zu den Füßen reicht. Zu diesem Zeitpunkt hat jedes Einatmen oder Ausatmen aufgehört. Das wird nicht erreicht, indem man den Atem anhält, sondern ist das natürliche Ergebnis der Anwendung. Der Meditierende ist jetzt fähig, willentlich und ohne Gewalt das Atmen abzubrechen und seinen Geist auf dem Bild des Atems als einem langen, dünnen Rauchfaden festzuhalten. Er ist auch imstande, einen kleinen Teil des Geistes zu benützen, um zu untersuchen, was in seinem Körper vorgeht; zum Beispiel, welche körperlichen Empfindungen während der meditativen Versenkung auftreten. Es ist wichtig, daß alle diese Übungen ausgeführt werden, ohne dem Atem Gewalt anzutun. Man sollte entspannt sein und sich wohl fühlen. Wenn Sie zu übertreiben versuchen, wird der Geist angespannt und erregt und die Meditation unwirksam. Meistert der Meditierende diese Übung, dann ist er fähig, ruhig und gleichmäßig zu atmen, den Atem anzuhalten und über lange Zeitspannen hinweg konzentriert zu bleiben. Diese Fähigkeiten werden als Resultat der Anwendung natürlich entstehen und sollten nicht vorzeitig erzwungen werden. Durch diese Übung erlangt man Kontrolle über den Atem und als Folge davon über den Geist. Beide, Körper und Geist, werden entspannt und geschmeidig. Wenn wir diese vollständige Kontrolle über den Atem und damit über unseren Geist erlangt haben, müssen wir uns nicht länger zum Meditieren zwingen, noch brauchen wir jemand anderen, der uns ermutigt. Wir werden den Wunsch haben zu meditieren, gerade so wie manche Leute den Wunsch haben zu schlafen. Eine Person, die gern schläft, braucht nicht dazu aufgefordert zu werden. Sie schläft, weil sie es gern tut. Dasselbe wird mit unserer Meditation geschehen.

Obwohl wir jetzt nicht fähig sind, diese dritte Stufe, das Setzen, richtig auszuführen, sollten wir uns dennoch damit vertraut machen, weil es eine gute Schulung ist. Unsere Hauptanwendung wird die erste Atemübung sein, und von Zeit zu Zeit sollten wir die zweite und gelegentlich die dritte machen. Wenn diese drei Stufen schließlich gemeistert worden sind, kann der Meditierende zur vierten Stufe weitergehen.

4 Untersuchen

Auf der vierten Stufe, der Stufe des Untersuchens, ist der Geist hauptsächlich auf den Atem gerichtet, aber ein kleiner Teil des Geistes analysiert und untersucht gleichzeitig die geatmete Luft, um zu verstehen, daß diese Luft aus unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt ist: aus Festigkeit, Flüssigkeit, Hitze und Bewegung (Erde, Wasser, Feuer und Luft); auch daß sie Form, Geruch, Geschmack und Berührbarkeit hat. Diese Luft ist also aus acht Teilen zusammengesetzt. Diese Erklärung soll Ihnen nur eine Vorstellung davon geben, was auf der vierten Stufe, der Stufe des Untersuchens, geschieht, aber vorläufig sollten wir das nicht versuchen, weil es zu kompliziert wäre. Wenn diese Stufe vollkommen gemeistert worden ist, können wir zur fünften weitergehen, dem Verändern.

5 Verändern

Ich werde noch nicht über diese Stufe sprechen, weil sie nicht begonnen werden kann, solange man noch nicht viel meditiert und eine ziemlich fortgeschrittene Stufe der Entwicklung auf dem Weg erlangt hat. Für diejenigen unter Ihnen, die eine gewisse Vertrautheit mit dem Dharma haben, will ich erwähnen, daß sie mit dem Weg der Ansammlung zusammenhängt.

6 Vollendung

Schließlich gelangt der Meditierende dank beständiger Bemühungen zur sechsten Stufe, der Stufe der Vollendung. An diesem Punkt wird er ein Arya oder jemand, der den Weg des Sehens erreicht hat. Diesem folgt der Weg des Gewöhnens und der des Nicht-mehr-Lernens. Zur Zeit sollten wir uns nur mit den ersten drei Atemübungen beschäftigen. Ich habe die letzten drei nur erwähnt, um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben. Sie können erst angewendet werden, nachdem die ersten drei gemeistert wurden. Wir sollten verstehen, daß das Beobachten des Atems nicht nur eine einfache Atem-Achtsamkeit ist, sondern diese sechs Stufen umfaßt und den ganzen Vorgang, der damit zusammenhängt. Das Resultat ist vollständige Kontrolle über den Geist.

Es ist unerheblich, ob man jung oder alt ist, jetzt ist die Zeit, um mit der Anwendung dieser Methoden zu beginnen, damit Sie Kontrolle über den Geist gewinnen. Junge Leute besonders können dem viel Zeit und Energie widmen. Sie können auch, weil sie kräftige und gesündere Körper haben, sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Wenn wir in unserem Leben feststellen, daß wir Leid und Schmerz erfahren, ist es eine Folge unserer mangelnden Geisteskontrolle. Wir erlauben uns, unserem Geist zu folgen, wohin immer er führt, und wir werden hoffnungslos in frustrierende Probleme verstrickt. Jetzt müssen wir anfangen, Kontrolle des Geistes zu entwickeln und schließlich sein Meister werden. Es gibt viele große Denker auf dieser Erde, aber die meisten beschäftigen sich nur mit äußeren Angelegenheiten. Hier befassen wir uns mit dem, was im Geist vorgeht. Wir müssen darüber nachdenken und es beobachten. Es gibt nur sehr wenige Leute, die ihren Geist auf diese Weise gebrauchen. Aus diesem Grund ist unsere Meditation über den Atem weitaus wichtiger, als nur über Bäume und Berge nachzudenken und wo wir gern Ferien verbringen würden. Wenn unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Äußeres gerichtet ist, wird unser Geist hin-und herspringen, und es wird sehr wenig nach Ordnung aussehen. Wenn wir uns dagegen auf unsere Atmung konzentrieren, werden wir unseren Geist auf ein einziges Objekt richten und so verhindern, daß er ziellos umherwandert. Das ist eine Schlüsselanwendung, wenn wir Kontrolle über den Geist erlangen wollen.

Bevor man diese Meditation des Atem-Beobachtens ausführt, ist es am besten, die Sitzung mit dem Reinigen der drei Kanäle mit Hilfe der neunfachen Atemübung zu beginnen. Außerdem wird diese Übung bei späteren, fortgeschritteneren Anwendungen vorteilhaft sein, bei denen die gleichen Kanäle benützt werden. Aber wenn jemand diese Übung schwierig findet, ist es nicht nötig, sie anzuwenden. Man kann sie auslassen und mit dem Zählen des Atems beginnen. Man sollte diejenige Meditation anwenden, die man am nützlichsten findet. Es ist wie das Einnehmen der richtigen Medizin, um eine Krankheit zu heilen. Wenn wir krank sind, nehmen wir nicht alle verfügbaren Medikamente, sondern suchen dasjenige aus, das für unsere besondere Krankheit am geeignetsten ist.

Mit dem Beginn dieser Übungen des Atem-Beobachtens haben wir angefangen, Meditation anzuwenden. Es gibt zwei Arten der Meditation: analytische Meditation und konzentrative Meditation. Das Zählen von Atemzügen und die Übung mit den Kanälen gehören zur zweiten Art. Wir können abwechselnd unseren Atem beobachten und über verschiedene Aspekte der Unterweisungen nachdenken, die wir gehört haben; zum Beispiel über die Natur der drei Arten von Leid, ihre Ursachen und Umstände. Wir können darüber nachdenken, ob diese Überlegungen durch unsere eigene Erfahrung bestätigt werden. Und wenn ja, warum. Auf diese Weise können wir analytische Meditation mit konzentrativer Meditation abwechseln.

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