Читать книгу Galan - Giovanna Lombardo - Страница 12

Kapitel 9

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Ich trat aus der Hütte und spürte Jeremias Blick auf mir. Meine Mutter erwartete mich draußen. Ich blickte nicht mehr zurück, auch wenn ich ihn gern noch einmal gesehen hätte. All das, was in der Hütte geschehen war, hatte mich zur glücklichsten Frau in ganz Galan gemacht. Alle meine Zweifel waren wie eine Last von mir abgefallen. Er hatte es auch gefühlt. In dem Moment, als ich eingetreten war, als er zu mir kam und vor mir stand, konnte ich die Spannung und Intensität zwischen uns beiden fast greifen. Als dann seine Hand über mein Gesicht strich, verlor ich mich in seinen Augen. Ihn wirklich und wahrhaftig zu spüren, löste ihn mir ein Feuerwerk von Glücksgefühlen aus. Seine Berührung brannte noch immer auf meiner Haut. Mutter schaute zu mir und sah das Strahlen in meinem Gesicht, das ich nicht zu verbergen versuchte. Ich wusste, dass ich auch an sie denken sollte, denn sie plagte großer Kummer. Ich hingegen war so glücklich über das Treffen mit Jeremia, dass ich diesen besonderen Moment für einen kurzen Augenblick halten wollte. Auch er würde in den Krieg ziehen und daran wollte ich einfach nicht denken. Noch hatten meine Familie und ich drei Tage und diese mussten wir genießen.

„Liebe, kleine Isma, ich freue mich so sehr für dich“, verkündete Mutter gönnerhaft. Ihre Worte klangen aufrichtig.

„Ach Mama, ich weiß, gerade jetzt ist nicht die Zeit, glücklich zu sein, aber es war so schön, ihn zu sehen und ich glaube, er mag mich auch!“

„Und wie er dich mag. Er konnte kaum seine Augen von dir lassen. Jazem hat das gar nicht gefallen. Isma, ich glaube, es wird Zeit, dass wir deinen Brüdern deine Situation erklären, damit auch sie verstehen, was gerade passiert ist.“

„Ich glaube nicht, dass es dann besser wird. Meine Brüder glauben immer noch, sie müssen mich beschützen. Für sie bin ich doch nur das kleine Mädchen aus Salin.“ Ich sah zu den frischen Rekruten der Familie DiSole hinüber, wie sie stolz ihre Uniformen musterten.

„Ich weiß, aber ich habe es gesehen und gespürt, wie ihr beide zueinander steht. Jeremia braucht dich, so wie du ihn brauchst. Alle Anwesenden in der Hütte spürten diese magische Anziehungskraft zwischen euch, selbst Jazem hat es bemerkt. Er wird etwas länger brauchen, um zu begreifen, dass du zu Jeremia gehörst, aber er wird es verstehen, denn er liebt dich und möchte dich glücklich sehen. Aber der Krieg ... Jazem weiß, dass er uns verlassen muss und das macht ihm Sorgen. Wenn du dich jetzt auch noch in einen Krieger verliebst, kann das für dich sehr bitter werden und du leidest umso mehr, und das möchte Jazem nicht für dich. Kannst du das verstehen?“

Ich dachte nach. Dann nickte ich nur. Natürlich konnte ich das verstehen, aber ich wollte die kurze Zeit, die uns blieb, nicht mit Streiten verbringen. Ich musste mit Jazem und den anderen sprechen. Sobald wir in Tante Lanas Haus zurück sein würden, erzähle ich ihnen alles. Sie sollten wissen, wer ich bin und welche Gefühle ich für Jeremia hege. Wir stiegen gemeinsam in die Kutsche, die uns zurück brachte. Jazem würdigte mich keines Blickes. Seine Wut und Verärgerung war ihm anzusehen. Als die Kutsche sich in Bewegung setzte, flogen meine Gedanken zu Jeremia. Ich konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Ich nahm mir vor, wenn ich das Gespräch hinter mich gebracht hatte, würde ich sofort zu Bett gehen, damit ich zu Jeremia seelenwandern konnte. Er zog mich an wie das Licht die Motte. In meiner Magengegend machte sich dieses wunderbare Kribbeln breit, so wie das nur richtig Verliebte kannten. Schmetterlinge im Bauch. Dabei strich ich mir unbewusst über meine Wange und ich empfand ein wohlig warmes Gefühl. Ich hatte mich hoffnungslos verliebt. Erwiderte er meine Liebe?

Am Haus angekommen verschwand Jazem wortkarg in sein Zimmer. Auch meine Eltern zogen sich zurück. Theran, Talon und Casper setzten sich ins Wohnzimmer und begannen eine Unterhaltung über das am nächsten Morgen stattfindende Manöver. Ich lief auf mein Zimmer und zog das wunderschöne Kleid aus. Vorsichtig hängte ich es in den Schrank. Es hatte mir Glück gebracht, und ich wollte mich zu gegebener Zeit bei Tante Lana noch einmal dafür bedanken. Ich nahm einen blauen Rock und eine helle Bluse aus meiner Reisetasche und zog sie an. Danach band ich meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging in die Küche. Meine Tante stand am Herd und kochte wieder viel zu viel. Ich begann das Geschirr aus den Schränken zu holen und deckte den Tisch.

Als Tante Lana mich sah, legte sie ihr Schneidemesser zur Seite und wandte sich mir zu. Sie nahm mich wortlos in die Arme und hielt mich einfach nur fest. Als sie mich dann losließ, lächelte sie mich an. „Jeremia ist ja ein stattlicher junger Mann, und er ist anscheinend ganz verrückt nach dir“, stellte sie fest.

Meine Miene hellte sich auf. „Glaubst du wirklich, dass er mich mag?“ Ich war mir darüber nämlich gar nicht ganz sicher.

„Machst du Scherze? Wenn dein Bruder nicht dazwischen gegangen wäre, würde er dich immer noch festhalten.“

Jetzt strahlte ich auch. Es war schön zu wissen, dass meine Tante es so sah. „Danke, ich hoffe, es wird so sein. Tante Lana, ich habe noch nie so viel für einen Mann empfunden und deswegen weiß ich nicht, wie ich sein Verhalten einschätzen soll.“

„Mach dir mal keine Sorgen. Ihr beiden gehört zusammen, das hat jeder gespürt. Allein die Tatsache, dass sogar deine Seele den Weg zu ihm gefunden hat, sagt schon alles. Du liebst ihn doch? Oder etwa nicht?“

Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht. Diese Erkenntnis, die mein Herz schon geahnt, ich aber noch nie laut ausgesprochen hatte, würde ich jetzt Lana offenbaren. „Ja, ich liebe ihn von ganzem Herzen.“ Diese Worte auszusprechen, machten es plötzlich so real. Ich liebte ihn. Einerseits sollte ich überglücklich sein, aber anderseits plagten mich Zweifel und Angst, dass ich ihn verlieren könnte, bevor ich ihn überhaupt erst richtig kennengelernt hatte. Schnell fegte ich diese Gedanken aus meinem Kopf. Trotzdem, tief in meinem Herzen, setzte sich dieses Gefühl langsam fest, dass ich ihn verlieren könnte.

Lana drückte mich noch einmal. „Komm mein Schatz, ruf die anderen zum Essen!“

Ich rief die Namen aller ins Treppenhaus hinaus, und nach ein paar Minuten saßen wir bei Tisch. Schon wieder essen, was bei Familienzusammenkünften üblich war. Jeder starrte auf seinen Teller.

Plötzlich warf mir Jazem einen missbilligenden Blick zu und herrschte mich wutschnaubend an. „Was sollte das vorhin? Der Kerl hat dich berührt, hat dich gestreichelt und du hast es einfach so hingenommen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass meine Schwester sich dem Willen fremder Männer widerstandslos beugt“, tobte er. Dann wandte er sich vorwurfsvoll meinen Eltern zu. „Und ihr? Ihr habt es einfach zugelassen, dass er sie berührte. Ihr habt nichts dagegen unternommen. Ich verstehe das einfach nicht“, schimpfte er wie ein Rohrspatz.

„Hör sofort damit auf!“, wollte mein Vater ihn beruhigen.

„Nein, das tu ich nicht. Er hat sie angefasst, und es ist mir egal, ob er der Sohn eines Herrschers ist oder eines Schweinehirtens. Er hat nicht das Recht, meine Schwester anzustarren, geschweige denn, sie zu berühren. Hätte ich ihn nicht zurückgehalten, hätte er sich auf sie gestürzt, wie ein Raubtier auf seine Beute.“

„Jazem, es reicht!“, mahnte mein Vater verärgert, dabei schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Geschirr klirrte. Erschrocken schauten wir Keleb an. „Glaubst du wirklich, ich hätte das zugelassen? Ich bin ihr Vater. Sie ist meine einzige Tochter“, betonte er mit Nachdruck. Er atmete tief durch. Selten kam es vor, dass Vater wütend wurde, aber jetzt war er explodiert. Nun bemühte er sich, sich zu beruhigen, um sachlich die Lage zu erklären.

Jazem war mit erschrockener Miene zurückgewichen. Papas Ausbruch hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Ihm wurde klar, dass er Vaters Autorität untergraben hatte. Seine Anspannung und Wut ließen nach, und er sackte in sich zusammen. Reumütig sah er zu Vater auf. Als der ihn so da sitzen sah, war seine Wut verflogen.

Ich hasste es, wenn gestritten wurde. Es kam selten vor, aber wenn, floh ich immer sofort auf mein Zimmer. Diesmal ging das nicht, da dieses Streitgespräch sich um mich drehte.

Vater erhob sich und bat Casper, der neben Jazem saß, mit ihm den Platz zu tauschen. Papa setzte sich und legte seine Hand auf Jazems Schulter. Diese Geste war entgegenkommend. „Mein Junge, ich weiß, wie du dich heute gefühlt hast und ich verstehe, dass du so wütend geworden bist. Es ist auch für mich schwer, aber wir müssen langsam akzeptieren, dass Isma zu einer wunderschönen Frau herangewachsen ist, und dass Männer sich nach ihr umschauen.“

„Aber Vater, Jeremia Nahal hätte sie mit seinen lüsternen Blicken, wenn er gekonnt hätte, wahrscheinlich weggezerrt. So wie er sie angestarrt hat, war es niederträchtig und billig.“

„Jazem, es gibt Dinge, die du noch nicht weißt, die wir nach dem Essen, dir und deinen Brüdern endlich erzählen müssen. Deine Schwester und deine Mutter werden euch alles erklären“, dabei drehte er sich in meine Richtung und nickte mir zu.

Jazems böser Blick traf meinen, doch ich hielt stand. Ja, ich war nun eine Frau und ich liebte Jeremia und ich würde alles tun, um ihn nicht zu verlieren, auch wenn es bedeutete, dass ich zum ersten Mal meinem Bruder die Stirn bieten müsste.

Ich nickte meinem Vater zu.

„So, dann wäre das fürs Erste geklärt. Lasst uns nun zu Ende essen. Wir haben nicht mehr lange die Möglichkeit, als Familie zusammenzusitzen“, bat mein Vater.

Nachdem Mutter, Tante Lana und ich den Abwasch erledigt hatten, wechselten wir mit einer Kanne frischem Tee von der Küche ins Wohnzimmer, wo mein Vater mit meinen Brüdern wartete. Mutter setzte sich neben Vater, während Lana jedem noch eine Tasse Tee einschenkte, bevor sie sich auch niederließ. Ich blieb an der Türschwelle stehen. Alle warteten gespannt auf das, was ich nun zu sagen hatte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und berichtete, was mir in den letzten Wochen passiert war. Ich erzählte ihnen von den Träumen, die ich von dem Territorium Cavalan hatte. Wie ich von dem Krieg erfuhr. Meine Ängste wegen meiner Unwissenheit. Dass Mutter und ich Seelenwanderinnen sind. Ich versuchte, ihnen meine Gefühle zu Jeremia zu erklären, auch wenn es mir sehr schwer fiel, so offen zu sprechen.

Als ich geendet hatte, wartete ich auf Reaktionen. Doch Minuten des Schweigens entstanden, die mir vorkamen wie Stunden, bis sich Mutter erhob und sich neben mich stellte.

„Diese Gabe ist in der heutigen Zeit sehr schwierig. Wir Seelenwanderinnen mussten uns immer verstecken, da es Menschen gibt, die uns hassen. Deswegen habe ich meine Gabe nicht mehr genutzt und verschwiegen. Als ich dann von Aaron erfuhr, dass Isma an ihren Träumen und Zweifeln fast zerbrechen drohte, wusste ich, dass es Zeit war, ihr davon zu erzählen. Wichtig ist: ihr dürft mit niemanden darüber sprechen. Wenn die falschen Leute erfahren sollten, dass Isma eine Seelenwanderin ist, droht ihr Schlimmes.“

„Und was ist mit Jeremia? Darf sie ihm davon erzählen?“, wollte Casper wissen.

„Das liegt ganz bei Isma. Sie soll es selbst entscheiden, wenn sie erkannt hat, in welcher Beziehung sie zu ihm steht. Ihre Seele wanderte zu Jeremia, auch wenn sie nie zuvor von ihm gehört hatte. Er konnte sie spüren, als ihre Seele bei ihm war, was eigentlich nicht sein dürfte. Irgendwie sind ihre Seelen miteinander verbunden und die Reaktion, die heute von Jeremia ausging, bestätigt nur, dass es Schicksal ist, dass die beiden sich begegnet sind“, erklärte meine Mutter.

„Bitte versteht mich. Ihr müsst an mich glauben. Ich brauche euren Halt. Ihr seid immer für mich da gewesen, und jetzt brauche ich euch umso mehr“, flehte ich meine Brüder an. „Es muss doch einen Grund geben, dass ich erst damit begonnen habe, zu träumen, als Netan sich entschlossen hatte, anzugreifen, um Herrscher über ganz Galan zu werden. Ich habe eine Aufgabe, davon bin ich felsenfest überzeugt und Jeremia hat auch etwas damit zu tun, sonst hätte meine Seele nicht den Weg zu ihm gefunden.“

Theran stand auf. „Es fällt mir einfach schwer, das zu glauben, Isma. Die Bürde, die du da auf dich genommen hast, kannst du doch nicht bewältigen. Du bist doch nur ein junges Mädchen. Warum soll das Schicksal dich erwählt haben?“

„Ich weiß es nicht, aber es ist nun mal so“, sagte ich trotzig.

„Gut, dann helfe ich dir; du hast meine volle Unterstützung“, antwortete mir Theran nach kurzem Zögern.

„Meine hast du auch“, ergänzte Talon.

„Was ist mit dir, Casper, glaubst du an mich?“

Er schaute mich traurig an. „Natürlich glaube ich dich. Ich habe nur Angst, dass dir etwas passieren könnte.“

Ich verstand, was er meinte. „Das habe ich auch. Ich habe aber auch Angst um euch. Wir müssen uns gegenseitig helfen und einander unterstützen.“

Er nickte und somit wusste ich, dass wir uns verstanden hatten. So war es immer zwischen uns gewesen, und ich freute mich, dass wir so ein gutes Verhältnis hatten.

Ich suchte seine Nähe und nahm ihn in den Arm, dann drückte ich auch Theran und Talon. Ich drehte mich zu Jazem um. „Und was sagst du?“, wollte ich wissen. „Ich liebe dich Jazem, und ich verstehe, dass es schwer ist, mich gehen zu lassen, aber ich habe mein Herz an Jeremia verloren. Wenn er dasselbe empfinden sollte, möchte ich, dass du das akzeptierst. Bitte, stehe unserer Liebe nicht im Weg“, bat ich ihn von ganzem Herzen.

Jazem schaute mich nur an, als wäre er noch nicht sicher.

„Jazem, deine Schwester macht genau das Richtige. Sie liebt Jeremia und nachdem, was er uns heute gezeigt hat, fühlt er etwas für sie, ob es Liebe ist, muss Isma selber herausfinden. Sie ist alt genug. Lass sie nur machen. Sie fleht dich doch regelrecht an, ihr zu vertrauen. Nun kannst du ihr zeigen, wie viel sie dir bedeutet“, sagte mein Vater.

Langsam erhob sich Jazem. Er kam zu mir herüber und blieb vor mir stehen. Seine Mimik war unergründlich. Innerlich hoffte ich, dass er zu mir stehen würde, denn ich brauchte ihn. Mehr als er vermuten würde. Mit Tränen in den Augen schaute ich ihn an.

„Bitte weine nicht!“, bat er mich und dabei strich er mir die Tränen von der Wange.

„Was weißt du schon von der Liebe? Du bist erst 19. Selbst ich bin ihr nie begegnet. Es ist so viel, was ich noch nicht begreife, aber ich möchte dich glücklich sehen, das ist auch für mich das Wichtigste. Und wenn du dein Glück mit Jeremia findest, werde ich es akzeptieren müssen.“ Dann nahm er mich in die Arme. Meine Brüder kamen zu uns und legten ihre Hände auf unsere Schultern.

Ich war erleichtert. Glücklich und zufrieden wünschte ich allen eine gute Nacht und verschwand in meinem Zimmer. Meine Vorfreude, bald auf Seelenwanderschaft zu Jeremia zu gelangen, stieg. Ich hoffte, dass ich heute Nacht noch mehr über seine Gefühle herausfinden würde. Mit seinem wunderschönen Gesicht vor Augen, schlief ich kurz danach ein.

Galan

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