Читать книгу Ich war eine Ärztin in Auschwitz - Gisella Perl - Страница 12

Vorwort

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Heinrich Heine, der große deutsche Dichter, prophezeite vor hundert Jahren die unvermeidliche »Renaissance« des Geistes der Zerstörung, der die deutsche Seele bewohnt. »Das Christentum – und das ist sein schönes Verdienst – hat jene brutale germanische Kampflust einigermaßen besänftigt«, so schrieb er, »konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nordischen Dichter so viel singen und sagen … Kommen wird der Tag, wo die alten steinernen Götter sich dann aus dem verschollenen Schutt erheben und sich den tausendjährigen Staub aus den Augen reiben, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen Dome.«1

Ja, Heine hatte Recht. Das alte, sadistische Deutsche erstand aus seinem Grab, zog eine SS-Uniform an, erhob sein infernalisches Hakenkreuz zum Hohn auf das Christuskreuz und fuhr fort zu zerstören, zu verbrennen, zu plündern, zu foltern und zu morden. Hitler, dieser degenerierte Faust, und seine Handlanger verwandelten das deutsche Volk in ein williges Instrument zu Eroberung und Gemetzel.

Wir werden niemals verstehen können, wie ein Volk, das Kant, Goethe, Beethoven, Bach, Dürer und viele andere unvergleichliche Genies hervorgebracht hat, so tief in den Morast aus Verdorbenheit, Verbrechen und der Lust an Folter sinken konnte, dass jedes menschliche Wesen, das dies mit ansah, sich schämte, derselben Spezies anzugehören.

Mein Buch ist ein Zeugnis, das an die Ereignisse der Jahre 1940 bis 1945 erinnern soll, an die Bestialität, den Sadismus, die Unmenschlichkeit der Nazis und an den Tod ihrer sechs Millionen schuldlosen jüdischen Opfer. Jede individuelle Geschichte, jedes Bild, jede Beschreibung ist nur ein Stein in diesem Monument, das die Welt für immer an diese schmachvolle Phase der Geschichte erinnert und sie zur Wachsamkeit aufruft, damit sich die Ereignisse dieser Jahre nicht wiederholen.

»L’Allemagne Éternelle«, das sich der skrupellosen Grausamkeit seines Volkes rühmte, zeigt sein wahres Gesicht auf den Seiten dieses Buches. Ihr, die ihr unter dem Schutz der Freiheitsstatue gelebt habt, haltet vor diesem Denkmal inne und lest seine Inschriften. Lest sie, prägt sie in eure Seelen ein und tragt sie als Memento mit euch! Die Toten sprechen hier zu euch. Die Toten, die euch nicht um Rache für sie bitten, sondern nur darum, sie zu erinnern und darüber zu wachen, dass keine weiteren unschuldigen Opfer deutscher Unmenschlichkeit je wieder ihre Reihen füllen …

G.P., Juli 1946

1 Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Drittes Buch, hier zitiert nach: Heinrich Heine, Werke und Briefe in zehn Bänden, Band 5, Berlin und Weimar 1972, S. 305.

Ich war eine Ärztin in Auschwitz

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