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Mittagsessen im Restaurant? Zu viele Umstände. Zurück nach Hause sind es wenig mehr als zehn Minuten. Auf dem Magnetherd gelingen mir beinahe im Handumdrehen schmackhafte Eintöpfe mit Zutaten eigener Wahl. Wenn sogar Mona mir dafür gelegentlich ein Lob ausspricht, bleibt in der Hinsicht wenig zu wünschen übrig.

Nach der Mittagspause räume ich Damenunterwäsche sowie meine Oberhemden in die Schränke, hocke am Schreibtisch und notiere das Wichtigste aus Frau Röderers frauenpsychologischen Einsichten.

Mein Kenntnisstand zum Fall Neskovaja bereitet mir gemischte Gefühle. Was ich seit Samstag Abend herausgefunden habe, dürfte Corinna nur mäßig beeindrucken.

Mein Herzblatt.

Ich hätte gern mehr von ihr als unsere Wochenenden. Mit dem Auto braucht man von hier über Eschborn zum Präsidium selten mehr als fünfzehn Minuten. Gemeinsames Wohnen geht weniger ins Geld und verträgt sich besser mit meiner Vorstellung von Beziehung. Jeden Morgen miteinander aufwachen, sich beim Frühstück zwischen Müslikauen und Teeschlürfen etwas Nettes sagen, meine Hauptkommissarin vor dem Aufbruch zum Dienst mit einem Küsschen verabschieden.

Ist das zuviel verlangt?!

Mona arbeitet in Fechenheim. Dass sie während der Arbeitswoche in ihrer kleinen Wohnung nahe dem Ostpark schläft, ist klug und praktisch. Erspart ihr den morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr von Steinbach quer durch ganz Frankfurt, locker vierzig Minuten in eine Richtung.

Meine anfänglichen Versuche, Corinna zum dauerhaften Zusammenleben zu überreden, verfingen nicht. Erstens liefe uns das nicht weg, zweitens sollte ich sie – in unserem jugendlichen Alter – nicht mit Beziehungsromantik nerven und drittens endlich anerkennen, dass sie eine sehr umgängliche Frau geblieben sei. Trotz gut zwanzig Jahren als Alleinerziehende.

Natürlich findet sie die Gründe für ihre Haltung überzeugend; für mich jedoch sprechen sie klar für das Zusammenleben; natürlich. Auch wenn Corinna gern beteuert, dass ihre Liebe zu mir nicht von wenigen Stunden Freizeit abhängt, dass sie niemandem so sehr vertraut wir mir. Wahrscheinlich ist sie nur die gelebte Bestätigung für eine in ihren Kreisen oft zu hörende Redensart. Danach sind gute Polizisten an erster Stelle mit ihrem Beruf verheiratet.

Vor mehreren Monaten hat Corinna mich – mit Billigung ihres Chefs – einige Male auf die Schießbahn im Präsidium mitgenommen. Wer sie dabei beobachtete, wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass sie von Freitag bis Montag ein Doppelbett mit mir teilt. Doch seit meiner Rückkehr aus Kalifornien ist diese von mir gern gepflegte Gemeinsamkeit nach und nach seltener geworden.

Gründe für die weniger werdenden Schießtreffen fanden sich bei Corinnas schnell wechselnden dienstlichen Verpflichtungen leicht. Dennoch empfand ich manche ihrer Absagen eher wie Ausreden.

Meine verbesserten Schießkünste begleitete sie anfangs mit milder Verwunderung, später mit spitzen Bemerkungen. Richtig abfällig äußerte sie sich, als ich den Fehler beging, das hervorragende Training durch Tammy Quan, eine amerikanisch-chinesische Personenschützerin, und Black Buffalo Carey zu erwähnen. Meine Freude am Schießtraining mit Corinna erhielt dadurch einen spürbaren Dämpfer. Ich schätze, das ist eine der alltäglichen Reibflächen, die am Reiz des Zusammenlebens mehr oder weniger unvermeidbar schleifen.

Zum Glück ist Corinna weiterhin für Überraschungen gut. Als ich im Februar von mir aus anfing, regelmäßig in der Sportschule an der Mainzer-Landstraße zu üben, erwachte in ihr eine neue Lust am Pistolentraining.

Schließlich hatte sie selbst mich erstmals auf diese private Schießbahn „entführt“. Zwei Tage nach dem verhängnisvollen Schusswechsel mit Oberkommissar Schuster im vergangenen August. Damals brachte sie mir – in einer Art therapeutischer Absicht – die Grundlagen des Pistoleschießens bei. Inzwischen darf ich ihr ein- oder zweimal im Monat vorzugsweise mittwochs einige der Griffe und Bewegungen zeigen, die meinen Umgang mit dem Schießgerät seit Kalifornien nachhaltig verbessert haben.

Dennoch überkommt mich hin und wie ein schales Gefühl, wenn wir nach dem Schießen und einem Espresso an der Sportstudio-Bar in die Autos stiegen und zu getrennten Schlafstätten davonfahren.

*

Heute steht kein abendliches Rumballern an. Somit auch keine Gelegenheit, ihr von meinen Erkundigungen bezüglich ihres Falls zu berichten. Sie wie ein oberschlauer Schüler anzurufen – Frau Lehrerin, ich weiß was – widerstrebt mir. Dabei werden Corinnas Ohren zuverlässig taub. Trotzdem wähle ich ihre Festnetznummer. Es klingelt lange. Aber niemand nimmt ab.

Ein Anruf auf ihrem Mobiltelefon kommt ihr – außer in dringenden Fällen – meist ungelegen. Das hat sie mehrfach erklärt. Eine kleine Aufmunterung oder liebgemeinte Grüße zwischendurch per Telefon empfindet sie albern, wenn nicht gar als ärgerliche Störung.

Doch die Ergebnisse meiner Nachforschungen wollen weitergegeben werden; böten einen Vorwand für eine vergnügliche Plauderei.

Neuer Anlauf.

Beim zweiten Klingeln meldet sich Oberkommissarin Conrad. Sie kommt sofort auf das zu sprechen, was wichtig ist.

„Hallo! Sehr schön. Sie melden sich unaufgefordert,“ trällert sie. „Das erleichtert meine Aufgabe als Ihre Bewährungshelferin. Wie sagten Sie so richtig: Hauptsache, es bleibt in der Familie. Jedenfalls haben Corinna und ich herzhaft gelacht.“

„Hurra, ich fühle mich fast schon geheilt. Obwohl, auch Schokoladensüchtige erleiden Rückfälle.“

„Kein Problem,“ findet die Conrad vergnügt; „Sie dürfen nur zur Schokolade greifen, wenn ich in der Nähe bin. Dann erfasse ich ganz fürsorglich Ihre Hand und unterbreche den Griff nach dem Suchtstoff. In Fachkreisen nennt man das Neuprogrammieren der Lust. Einverstanden?“

Die Frau sprechen und lachen zu hören ... ein echtes Vergnügen.

Das Ende ihrer therapeutischen Darlegung geht in unserem Lachen unter. Bestimmt ist Corinna außer Hörweite; sonst würde sie der Kollegen einen verschärften Verweis erteilen.

„Klingt sehr reizvoll. Ich bezweifele allerdings, dass die Chefin Verständnis für diese Therapieform aufbringt.“

Unvermittelt, wenn auch weiter angenehm im Klang, schaltet Frau Conrad um auf dienstlich.

„Also, was gibt’s, Herr Berkamp?“

„Ich versuche Corinna zu erreichen, aber leider ...“

„Ist auch besser so,“ unterbricht sie mich. „Sie steckt mitten in der Personalplanung. Wir haben zwei unerwartete Ausfälle. Es ist einfach schwierig zur Zeit. Wenn Sie wollen, ich kann ihr ausrichten ...“

„Ich rufe informell an. Es geht um Frau Dr. Neskovaja. Leider konnte ich den Täter noch nicht festnehmen. Ich hatte meine Handschellen vergessen und war unbewaffnet. Dennoch habe ich ein paar Dinge herausgefunden ...“

„Oh, schön, Herr Hobby-Bulle; das interessiert mich, sagen Sie!“

„Halt, junge Frau, ...!“

„Ach, tut mir das gut!,“ unterbricht sie aufgekratzt.

„Corinna ist nun mal Ihre Chefin und mein Boss. Und wenn es um die Arbeit geht, legt sie Wert auf die richtige Reihenfolge ...“

„Wieso, federführend in dem Fall bin ich.“

„Weiß ich. Trotzdem, seien Sie nachsichtig, Frau Conrad.“

Ihre Stimmer zu hören ist nett, die Frau zu sehen netter.

„Mein Vorschlag: Morgen Essen gehen, zu dritt, bei Ihnen in der Kantine. Wie wäre das? Ich komme gegen halbeins, und mein häuslicher Friede bleibt gewahrt.“

„Prima, gern. Das lässt sich einrichten. Ich kläre das mit Corinna und ... rufe zurück, falls etwas dazwischen kommt. Ansonsten morgen zum Mittagessen hier bei uns.“

War das eben ein Telefonflirt an der Grenze des Vertretbaren? Verheiratet ist sie nicht. Für ein Kind wird es langsam Zeit; falls sie mit ihren um die vierzig Jahren überhaupt eins will. Was mag sie für einen Freund haben? Sofern es einen gibt in ihrem Leben. Auch ein Bulle? Oder steht sie mehr auf Frauen?

Ich wüsste zu gern, wie die Frau im privaten Umgang ist. Wenn sie Kopfweh hat oder schlecht gelaunt ist; falls solche Plagen sie jemals befallen. Als Partner – wie hält man dieses hübsche, grundsätzlich freundliche Gesicht aus, das schnelle, offene Lächeln und die stets heiter klingende Stimme?

Den ganzen Tag lang?

Beneidenswert.

Wie wäre das?! Von Montag bis Freitag könnte sie bei mir wohnen.

Meine wilde Phantasie. Oder mein karges Hausmannsdasein?

Oh ja, das würde Corinna eine Lehre erteilen. Und schlagartig sowohl mein Privatleben als auch Veras Arbeitsverhältnis unheilbare zerrütten.

Die Hexe zum Abschied

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