Читать книгу DIE KANARISCHE FIBEL - Günter Voss - Страница 5

Die Eidechsen der Herren Juba und Simony

Оглавление

Auf allen sieben Inseln kann man beobachten wie sie aus ihren Schlupflöchern heraus kommen, sich an den Strahlen der Sonne wärmen, ihren Bauch an die warme Erde drücken und ihre Beine abwechselnd von sich strecken und bei der geringsten verdächtigen Erschütterung pfeilschnell im Gesträuch oder in ihren Höhlen verschwinden. Sie waren bestimmt schon da, als die Teilnehmer der Forschungsreise im Auftrag des mauretanischen Königs Juba II. (* ca. 50 v. Chr; f 23 n. Chr.) die kanarischen Inseln besuchten. Leider gibt es von der Reise nur die kurze Stelle in der NATURGESCHICHTE des Gaius Plinius Secundus etwa aus dem Jahre 77: „Capraria wimmelt von großen Eidechsen.“ Von Eidechsen auf anderen Inseln steht nichts darin. Leider ist auch keine Karte der besuchten Inseln überliefert, um sie mit den heute bekannten zu identifizieren, was zu Spekulationen führte. Meistens ist die Insel Hierro das Capraria des Plinius. Und leider gibt es keine Maßangabe für ,groß’.

Jahre später, etwa 1405, sahen die beiden Priester Bontier und Le Verrier, die die Eroberer nach den Kanaren begleiteten, auf der Insel Hierro, Eidechsen, groß wie Katzen, wie es im Kapitel LXV ihres Eroberungsberichtes steht. Waren die Eidechsen gewachsen oder hatten sie eine andere Insel als Capraria besucht? Auch bei ihnen ist von diesen Tieren nicht mehr zu lesen als dieses.

1867 schreibt Karl von Fritsch in seinen REISEBILDERN: „Es scheint nach den vielfach an mich gerichteten Fragen der Herrenos, ob ich solche Tiere nicht gesehen, daß - besonders im Ostteile der Insel und beim Salmore-Felsen, der dort isoliert aus der See aufragt - die von den Bethencourtschen Kaplänen im Mittelalter erwähnten, aber wohl noch von keinem Zoologen untersuchten großen Eidechsen (Cameleones der Einwohner), ,des lezarda grands comme des chats et hideux’, noch vorkommen und von der etwa 30 Zentimeter langen größeren Eidechse, die auf den Canaren häufig ist, verschieden sind.“

Und in der der Arbeit ÜBER DIE OSTATLANTISCHEN INSELGRUPPEN von 1870: „Als hauptsächlichster Fundort wurden mir die Umgebungen des isolierten Salmore-Felsens, der Nordteil der Insel, genannt. Obwohl ich nun nie ein solches Tier zu Gesicht bekam, glaube ich dasselbe doch nicht für eine Ausgeburt der Phantasie ansehen zu dürfen und hoffe, daß reisende Zoologen endlich dieses Wesen zur Untersuchung und Vergleichung werden sammeln können.“

Karl von Fritsch brachte von seinen Reisen 1862 und 1872 einige Eidechsen mit nach Frankfurt, Friedrich Carl Noll von seiner Reise 1871. Alle wurden von Oscar Böttger untersucht und nur die seit 1839 bekannte Lacerta Galloti nachgewiesen.

So blieb es bei den großen Eidechsen auf Capraria bis der sechsunddreißigjährige Wiener Mathematiker Oskar Simony von allen sieben Inseln lebende und tote Exemplare der Eidechsen mit nach Wien brachte und Franz Steindachner, Direktor am K. u. K. Hofmuseum, zur Bestimmung überließ. Das Ergebnis der vorzüglich erhaltenen, mit zuverlässigen Fundortsangaben versehene Kollektion gab den ersten gründlichen Einblick in die eigentümliche Reptilienfauna: auf Lanzarote, Fuerteventura und auf den kleinen Inseln der östlichen Gruppe lebt die bekante Lacerta atlantica, auf Palma und Teneriffa die auch schon bekannte Lacerta Galloti und auf Hierro und Gran Canaria eine von diesen verschiedene Art, die Steindachner Lacerta Simonyi nannte. Welche Ehre für einen Mathematiker, zweitausend Jahre nach Juba II. für seine wissenschaftliche Aufklärung der ,großen Eidechsen’.

Die größten Exemplare fing Simony auf der kleinen Felseninsel Zalmor bei Hierro und nach ihm manch anderer Forscher, bis sie dort nicht mehr zu finden waren. Ausgeforscht nach zweitausend Jahren. Simony fing sie „mittels zerquetschter Früchte einer Varietät von Solanum Lycopersicum, welche auf den Canarischen Inseln als Tomate bezeichnet wird, leicht in ein schräg auf den Boden aufgelegtes Schmetterlingsnetz“.

Steindachner bemerkt noch, dass die L. Simonyi phylogenetisch der Urform der Echsen näher steht als L. Gallotii und es daher höchst wahrscheinlich ist, dass Gran Canaria und Hierro einer früheren erdgeschichtlichen Periode ihre Entstehung verdanken als die übrigen Mitglieder des Archipels.

Auf Hierro sollen sie jetzt noch vorkommen, die Einwohner gaben ihr den Beinamen ,gigantisch’. Die größten Exemplare, die Simony fing, waren 525 mm lang.


Oscar Simony 1852 - 1915 Mathematiker

Oskar Simony wurde am 23. 4. 1852 in Wien geboren. Er studierte an der Universität dort Mathematik und Physik und wurde 1880 als ordentlicher Professor an der Hochschule für Bodenkultur in Wien in den Fächern Mathematik, Physik und Mechanik angestellt.

In den Sommerferien der Universität reiste er nach den Kanarischen Inseln. August - 10. Oktober 1888, Mitte Juli - 8. Oktober 1889 und August 1890 - 4. November 1890. Während der ersten Reise zum Studium des Sonnenspektrums nahm er auf 420 Fotoplatten die atmosphärischen Absorptionslinien auf.

„Während jenes Aufenthaltes in der vulkanischen Hochregion ergab sich vielfach Gelegenheit zu anderweitigen naturwissenschaftlichen Beobachtungen, sowie zu photographischen Aufnahmen landschaftlich, beziehungsweise geologisch interessanter Szenerien, die vermöge ihres eigentümlichen Charakters besser durch Bilder als durch Worte geschildert werden.“

Daraus ergab sich im Laufe der drei Reisen eine Sammlung von einer Guanchenmumie, neun Guanchenschädel, circa 160 teilweise neue Arten von Reptilien und Fischen in circa 1200 Exemplaren, etwa 600 Spezies von Insekten aller Ordnungen in circa 4000 Exemplaren, sowie eine umfangreiche Kollektion vulkanischer Gesteine, namentlich merkwürdiger - bis zu 50 kg schwere - vulkanischer Bomben und 413 fotografische Aufnahmen in der Größe von 21 mal 16 cm, die er dem K. u. K. Naturhistorischen Hofmuseums als Geschenk übergab. Seine geologischen Funde wurden von Berwerth, seine Sammlung von Krebstieren von Koelbel ausgewertet.

Im Winter 1898/1899 nahm er an der Expedition der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften nach Südarabien und Sokotra zur topographischen und geologischen Erkundung der Küstengebiete teil. Hugo Lojander erwähnt in seiner Dissertation die Insel Sokotra, von der im Altertum meistens das Drachenblut-Harz des Drachenbaums kam.

Simony veröffentlichte Publikationen über Mathematik, Physik, Astronomie und hielt Vorlesungen in den Fächern Mathematik, Physik und Mechanik, Meteorologie und Klimatologie. In der Mathematik beschäftigte er sich mit der seltsamen Aufgabe, in ein ringförmig geschlossenes Band einen Knoten zu machen. Die Knotentheorie, die mit dem verschlungenem Möbiusband 1858 begann, führte ihn zu den Geheimnissen der Primzahlen und ihrer Verbindung mit der Dimensionalität des Raumes. Die dabei benutzte 4. Dimension, in der mathematisch vieles anders ist als in der 3., wurde von seinem Zeitgenossen Rudolf Steiner in seinen verschlungenen Ideen einer anthroposophischen Weltanschauung eingegliedert, zur gleichen Zeit in der Ernst Haeckel seinen Monismus formte.

1913 emeritierte Oskar Simony und vollendete sein mathematisches Primzahlenwerk und beschäftigt sich weiter mit Knotenstudien.

Am 6. April 1915 ging er nach einem Schlaganfall in den Freitod. Sein Grabstein auf dem Wiener Friedhof Pötzleinsdorf ist mit den zwei elementarsten Simonyschen Knotengebilden geschmückt.


AUTOREN

Böttger, Oscar

Die Reptilien von Marocco und den canarischen Inseln; Abh. der Senckenberg. Gesellsch., Bd. IX, 1873 - 1875; S. 121 - 191; Frankfurt/M.

Simony, Oscar

Über eine naturwissenschaftliche Reise nach der westlichen Gruppe der Canarischen Inseln. Bericht; Mitt. d. k. k. Geogr. Ges. 33 (N. F. 23); S. 145 - 176, 209 - 231, Schluss fehlt; 16 Phototypien; Wien, 1890

Über eine naturwissenschaftliche Reise nach der westlichen Gruppe der Canarischen Inseln. Vortrag; Verh. d. Ges. f. Erdk., 17; S. 207 - 210; 3 Phototypien; Berlin, 1890 Das Sonnensprectrum und dessen ultraviolette Fortsetzung; Außerord. Beil. zu d. Monatsbl. d. Wiss. Clubs in Wien, 12. Jg.; S. 33 - 60; 2 Phototypen; Wien, 1891 Der Pik von Tenerife; Vortrag im Club; Monatsblätter des Wiss. Clubs in Wien, 12. Jahrg.; S. 3 - 10; Wien, 1891 Über eine Reihe photographischer, zu wissenschaftlichen Zwecken unternommener Aufnahmen auf den canarischen Inseln; Photogr. Rundschau 1892; Halle Das Sonnensprectrum und dessen ultraviolette Fortsetzung; Gaea, 28. Jg.; S. 65 - 72, 134 - 141, 190 - 199, 260 - 268, 305 - 317; 8 Phototypen; Leipzig, 1892 Die Canarischen Inseln, insbesondere Lanzarote und die Isletas; Gaea, 28; S. 433 - 440, 510 - 518, 563 - 568, 601 -606, 665 - 669; 2 Karten, 16 Phototypien; Leipzig, 1892 Die Canarischen Inseln, insbesondere Lanzarote und die Isletas; Vortrag; Schriften d. Ver. zur Verb. naturwiss. Kenntnisse 32; S. 325 - 398; 10 Tafeln; Wien, 1892 Über den Einfluß der fortschreitenden Entwaldung auf die Flora des canarischen Archipels; Verh. D. Ges. D. Naturf. u. Ärzte, 66. zu Wien, 2. Teil, 1. Hälfte; S. 164 - 165; Leipzig, 1895

Photographische Aufnahmen auf den Canarischen Inseln; Ann. d. k. k. naturhist. Hofmuseums, 16; S. 36 - 62; Wien, 1901

Steindachner, Franz

Über die Reptilien und Batrachier der westl. und östl. Gruppe der Canarischen Inseln; Ann. d. k. k. naturhist. Hofmus. 6; S. 287 - 306; Wien, 1891

DIE KANARISCHE FIBEL

Подняться наверх