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Malvasier - Die Legende
ОглавлениеDen Wein erwähnen fast alle Deutschen in ihren Schriften über die Kanarischen Inseln - Anbau, Produktion, Arten, Handel, Geschmack, Trinksitten.
„Im Jahre 1503 teilte Alonzo de Lugo das ganze Val Taoro, das Tal von Orotava, in kleine Parzellen und gab es seinen Officieren, mit der ausdrücklichen Bedingung, Zuckerohr darauf zu bauen. Dies wollte jedoch nicht so gelingen, wie auf dem wärmeren Canaria. Schon im Jahre 1507 überzeugte sich der Gouverneur selbst, daß der Weinbau viel einträglicher sei und das ganze Tal ward mit Weinreben bepflanzt. Man holte sie von Madeira, wohin sie der Prinz Heinrich von Candia und aus dem Pelopones hatte versetzen lassen. Auf diese Verpflanzung deutet noch jetzt der Name des ,Malvasiers’ von Icod, Reben von Malvasia. Mit ihnen fanden griechische Pflanzen den Weg zu den Inseln: Anethum foeniculum, Coyx lachrima, Rumex bucephalophorus, Rumex spnosus, Panicum crus galli und wahrscheinlich auch Delphinium Staphysagria.“ So Leopold von Buch, Geologe und Freund von Alexander von Humboldt. Und er gibt Alonzo de Lugo, „mit der bewunderungswürdigen Tätigkeit und Industrie, welche damals die Spanier vor allen andern Nationen auszeichnete“, den „Verdienst, den Weinstock den Tropenklimaten am meisten genähert zu haben. Noch immer bleiben die einträglichen Weinberge von Golfo, auf der Insel Ferro, unter 27° 48', die südlichsten der nördlichen Halbkugel und das Extrem der Weinkultur gegen die Linie“.
Für Alexander von Humboldt ist der Weinanbau auf Teneriffa so bemerkenswert, dass er eine der fünf Pflanzen-Zonen nach ihm benennt: „Die erste Zone, die der Weinstöcke, erstreckt sich vom Ufer des Meers bis auf zwei- oder dreihundert Toisen Höhe: es ist die bewohnteste und die einzige, wo der Boden mit Sorgfalt bebaut ist.“
Die Weinrebe wurde erst nach der Eroberung der Kanarischen Inseln durch ihre neuen Besiedler eingeführt und angepflanzt, nachdem die Einwohner aus ihren Besitzungen vertrieben und das Land an Soldaten und an Spanier verteilt wurde. Walter Kampf schreibt in seiner Dissertation ihre Einführung auf Gran Canaria dem Eroberer Pedro de Vera zu, der sie von Madeira holte. Der verwitterte vulkanische Boden gab in Verbindung mit dem gleichmäßigen Klima und den sonnigen Berglagen eine günstige Bedingung für das Fortkommen des Weinstockes.
1853 war für den preußischen General-Konsul Minutoli „der Wein der Canarien, welcher einen großen Ruf hatte und einen wichtigen Ausfuhrartikel bildete, leider kaum noch ein nennenswerter Ausfuhrartikel“. Minutoli benutzt für sein Werk DIE CANARISCHEN INSELN, IHRE VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT das Werk des englischen Konsuls Francis Coleman Mac-Gregor: DIE CANARISCHEN INSELN, NACH IHREM GEGENWÄRTIGEM ZUSTANDE UND MIT BESONDERER BEZIEHUNG AUF TOPOGRAPHIE UND STATISTIK, GEWERBFLEISS, HANDEL UND SITTEN, das 1831 in deutscher Sprache erschien.
Von Mac-Gregor weiß man nur wenig. Im Jahre 2005 erschien sein Werk in spanischer Übersetzung von Jose Juan Batista Rodriguez mit einem inhaltsreichem Vorwort. Darin sind einige biographische Mitteilungen. Francis Coleman Mac-Gregor wurde am 10. September 1783 in Hamburg geboren und starb am 3. Dezember in Tik0b in Dänemark. Seine Familie war seit seines Großvaters Zeit in Deutschland. Er wuchs in Deutschland auf und studierte in Göttingen. Göttingen ist natürlich schon viel. Die Universität Göttingen wurde gegründet und betrieben nicht bloß als Sitz der Gelehrsamkeit, man dachte stets zugleich an die Verwendbarkeit, an die praktische Brauchbarkeit des Erforschten. In Göttingen schufen die Professoren Gottfried Achenwall (1719 - 1772) und August Ludwig von Schlözer (1735 - 1809) die Statistik als Wissenschaft, als umfangreiche Beschreibung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Besonderheiten eines Staates. Ob Mac-Gregor noch Schlözer in Göttingen erlebt hat? Die Ideen der beiden großen Gelehrten sind aber bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen und sein Werk ist als ertragreiche Ernte von den deutschen Forschern und Reisenden ausgiebig genutzt worden. Zwischen 1825 und 1830 war er britischer Konsul auf Teneriffa.
Nach Göttingen zu Schlözer führt noch eine andere Spur eines Berichterstatters, der ebenfalls viel benutzt und zitiert wird und deshalb hier genannt wird. George Glas GESCHICHTE DER ENTDECKUNG UND EROBERUNG DER KANARISCHEN INSELN. Dies ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Das Original erschien 1764, 1777 erschien die deutsche Übersetzung. In der Vorbemerkung heißt es: „Zur Empfehlung gegenwärtiger Geschichte und Beschreibung der Kanarischen Inseln, welche bereits im Jahr 1764 in London herausgekommen, wird es genug sein, wenn wir sagen, daß ein Schlözer die Übersetzung derselben gewünscht und empfohlen hat.“
Der Wein floss reichlich von den Kanarischen Inseln über den Atlantik nach Europa und Amerika. Um 1700 wurde die Hälfte bis zwei Drittel der eingeführten Manufakturwaren in Wein bezahlt. Genaue Nachrichten über den Wein flossen recht spärlich. MacGregor nennt an Weinarten den Malvasia, der aus den reifen Trauben einen feurigen Wein liefert, aus den schon trocknenden den süßen Malvasia, den man auch den Kanariensekt nannte. Dann die Viduena-Traube, auch Vidonia, Vidogne, Verdona genannt - die einen troknen, dem Madeira sehr ähnlichen Wein liefert, den Listan blanco, Albillo vesdillo, Negro muello.
Über den Weinanbau im sechzehnten Jahrhundert und bis Mitte des nächsten wird kaum berichtet. Kampf schreibt, dass im 16. Jahrhundert die Kanarienweine, vornehmlich Malvasier, Sekt und Vidueno, zu den besonderen Genüssen des schwelgenden Nordens gehörten und das ganze westliche und nördliche Europa sich damit auf dem Stapel von Antwerpen versah.
Mit dem Stapel von Antwerpen war es bald vorbei. Der Krieg Spaniens gegen die Niederlande dauerte von 1568 bis 1648 und verlagerte den Handel nach Amsterdam und London. Die Kanarischen Inseln mit ihrem fruchtbaren Boden waren auf Handel angewiesen, wollten sie gewinnbringend Landwirtschaft treiben. Dicht bei Afrika gelegen hatten sie dort keine Abnehmer für ihren Wein, ihre Zwiebeln, Orseille und Barilla. Ihr Handel musste immer weit geführt werden: Westeuropa, Ostindien, Nordamerika. Hatten sie eigene Schiffe zum Handel? Darüber flüstern die Quellen nur Unklares. Die Angabe Mac-Gregors „... alles größtenteils in Englischen Schiffen und für Englische Rechnung, da bis zum Ausbruche des Spanischen Erbfolgekrieges (1701) keine Kaufleute und Faktoren anderer Nationen auf den Inseln ansässig waren“, spricht nicht für eine kanarische Handelsflotte. Sicher hatten die Kanarier Schiffe, wie alle Bewohner einer freien Küste und trieben damit Handel, wie es alle Bewohner einer freien Küste tun, nur erscheinen diese Schiffe und ihr Handel in keiner amtlichen Studie. Es gibt eine Aussage, dass Spanien den Archipel um 1650 vollkommen vom Amerikahandel ausschloss und sonst nur eine geringe Menge amtlich zuließ. War das eine Strafe für ihren kreativen Handel?
Der Krieg Spaniens gegen die Niederlande wandelte die englischen und spanischen Flotten für Handel in Flotten für Krieg. 1588 wurde die erste Armada Spaniens in der Nordsee von den Engländern und vom Sturm zerstört, die letzte 1607 in der Bucht von Gibraltar von Holländern und Seeländern, das war das Ende der spanischen Seemacht. Spanien hatte noch Schiffe, aber keine Flotte.
Dem Weinhandel hat das wohl nicht geschadet, wie Mac-Gregor bemerkt, für spätere Zeit (1700) gibt er etwa 60 000 Hektoliter nach England, Holland, Hamburg, Schottland und Irland an. Dazu kam noch der Westindienhandel, von dem Kampf, schreibt: „Die unmittelbare Verbindung mit den spanischen Besitzungen in Amerika war seit 1611 , wo Philipp III. sie ganz untersagte, nachher aber wieder frei gab, stets unzuverlässig für die Inseln und gefesselt durch Beschränkungen auf gewisse Häfen, Zahl der Schiffe, Zeiten, Maße und Gewichte; eine Erlaubnis zur Teilnahme an demselben mit 600 -1000 Schiffstonnen war eine Vergünstigung, die nur von Zeit zu Zeit mit großer Mühe und unter steten Geldopfern bei dem Hofe zu Madrid zu erlangen war.“
1643 war ein bedeutendes Ereignis für ganz Europa. Ludwig XIV. bestieg den französischen Thron. Er war gerade vier Jahre alt und es dauerte dann bis 1661, als er Spanien zwang, seinen Vorrang in Europa anzuerkennen. Ein Jahr vorher hatte er Maria Theresia, die erbberechtigte Tochter des spanischen Königshauses geheiratet, die Erbberechtigung führte dann zum Spanischen Erbfolgekrieg, für den Handel der Kanaren mit Europa nicht günstig.
Der kanarische Wein, vorrangig Malvasia, feurig oder süß, musste seinen Vorrang unter den Weinen an den von Ludwig XIV. bevorzugten Geschmack abtreten.
Die britische Krone und das Parlament förderten den aktiven Handel der englischen Flotte durch Gesetze, z. B. durch die Navigationsakte von 1651, nach der die gesamte Einfuhr außereuropäischer Güter nach England der britischen Flagge vorbehalten wurde und damit den einträglichen holländische Zwischenhandel ausschalteten. Der kanarische Handel nach englischen Kolonien in und vor Amerika war davon betroffen.
Um 1660 wurde es richtig ernst mit dem Wein. Die Kanarier erhöhten wegen des guten Absatzes in England jedes Jahr den Preis und ließen sich ihn stets bar bezahlen, ohne englische Manufakturwaren mitzunehmen. Diese schlechte Handelsbilanz versuchten die Engländer 1665 durch Gründung einer Handelsmonopolgesellschaft zu verbessern. Aber da hatten sie sich bei der Municipalität von Teneriffa verrechnet, die „im folgenden Jahre sogar beschloß, die Faktoren aus dem Lande zu entfernen und den Landeigentümern zu untersagen, der Compagnie Wein zu verkaufen, welches zu einigen Unruhen Veranlagung gab.“ So MacGregor. Was aus dem Anbau und Export des Weines wurde schreibt er nicht, nur das diese Gesellschaft 1667 wieder aufgelöst wurde. Statt zu verhandeln wurde der wichtigste Abnehmer ausmanövriert.
Die Engländer schlossen dann als Folge des Spanischen Erbfolgekriegs 1703 einen Vertag mit Portugal, der den portugiesischen Wein billiger nach England fließen ließ, als den kanarischen. Aus! mit dem Weinhandel von den Kanaren nach England.
„Der Geschmack an Malvasier und andern süßen Weinen hatte sich schon zur Zeit des siebenjährigen Krieges, wo die Französischen anfingen bekannter zu werden, sehr in Europa vermindert und der unpolitische Methuen-Traktat (1703) den Verbrauch der Port- und Madeiraweine in England allgemein gemacht. Die Weinbauer auf den Canarien, mit Besorgnis die sich jährlich vermindernde Frage nach ihren Weinen wahrnehmend, begannen nun, sich mehr auf die Cultur der Viduena-Traube zu legen und brachten es bald dahin, einen Wein zu erzielen, der an Güte und Geschmack dem Madeira beinahe gleichkam. Von jetzt an öffneten sich diesem Weine allmählig vorteilhafte Märkte, sowohl in England wie in den kürzlich anerkannten vereinigten Staaten von Nord-Amerika, deren aufblühender Handel und schnell wachsende Bevölkerung die Insulaner die Aussicht zu einem erweiterten Verkehr erblicken ließ.“ Mac-Gregor.
Der schottische Händler George Glas meldet, dass man zu seiner Zeit von Teneriffa „jährlich nicht weniger als 15 000 Pipen (1 Pipe 477 Liter) Wein und Branntwein ausführt, die große Menge, die in der Insel selbst konsumiert wird, ungerechnet“.
Für Walter Kampf beginnt 1786 mit der Freigabe des Handels der Kanaren nach den westindischen Inseln und der Terra firma durch den Vizekönig von Neuspanien Galvez eine neue Periode des Handels. Die wohltätigen Folgen die Maßregel wurden durch den nordamerikanischen Freiheitskrieg unterbrochen, die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten wirkte belebend, die französische Revolution gab den Handel Schwungkraft und viel Geld in das Land. Nachdem Spanien gegen England in die Waffen getreten war, wurden die neutralen Amerikaner, Dänen, Schweden und Hamburger die Abnehmer des Weins. Der Handel mit der Costa firma lag bald danieder, Spanien verlor seine amerikanischen Besitzungen und auf der Halbinsel kämpften Parteien fortwährend gegeneinander. 1810 und 1811 verwüstete das gelbe Fieber den Archipel. Von Teneriffa gingen nach London zwischen 1812 - 20 nur noch 15 000 Hektoliter Wein.
Leopold von Buch bemerkt: „Seitdem aber das Cap der guten Hoffnung von den Engländern in Besitz genommen ist und die Eingangszölle der Cap-Weine bedeutend vermindert worden sind, dadurch aber die Weinkultur am Cap sich um vieles gehoben hat, ist die Weinausfuhr auf Teneriffa so sehr herabgekommen, daß viele und sehr bedeutende Häuser sie gar nicht mehr betreiben. Es ist daher leicht möglich, daß jetzt (1825) die Südseite der Insel zur Ausfuhr gar nichts mehr beiträgt. Gran Canaria hatte im Jahr 1815 ungefähr eine Ausfuhr von 900 Pipen eines nicht sehr geschätzten Weines. Auch diese wird wahrscheinlich aufgehört haben. Lancerote braucht von Teneriffa jährlich mehr als tausend Pipen. Was man auf der Insel selbst gewinnt, wird größtenteils zu Branntwein ,agua ardiente’ verwendet. Die große Insel Fuertaventura produziert im Ganzen nur 200 Pipen und bedarf auch der Zufuhr von Teneriffa. Dagegen ist der Wein von Hierro berühmt, allein kein Gegenstand der Ausfuhr und nirgends ist die Erzeugskraft der Natur größer, als im Tale del Golfo auf dieser kleinen Insel. Denn hier gibt eine Fanegada 9 bis 10 Pipen Wein; die beste auf Teneriffa dagegen kaum fünfe. Eine Fanegada enthält 400 Estadals, ein Estadal aber 4 Varas im Quadrat, daher 1600 Quadrat-Varas eine Fanegada ausmachen.“ Und auch dem Generalkonsul fiel auf: „Inzwischen hat die Weinkultur im Süden Spaniens große Fortschritte gemacht. In Andalusien ist es nicht mehr ausschließlich Xeres, welches mit seinem Gewächs die europäischen Märkte versieht. Von Alcala ab, den Guadalquivir hinauf und hinab und in dem breiten Talbette des Guadalete nimmt der Weinbau außerordentlich überhand und die dortigen Trauben haben den Canarienwein ersetzt und verdrängt. Dieser leichtere andalusische Wein ist nicht sowohl zum Zusetzen des schweren Xeres um 100 % besser als Wasser; er liefert aus seinen Träbern einen trefflichen Sprit und Branntwein und bildet zur Zeit den deutschen Weinfabrikanten das beste Mittel zum Fälschen oder Schneiden, oder wie man sonst diese künstliche Manipulation zu bezeichnen für gut befinden mag. So ist mit der verminderten Ausfuhr an Wein, die Weinkultur rückwärts gegangen.“
Und dann kam das Schicksalsjahr 1826: „Im Jahre 1826 brachte die spanische Kriegsbrigg ,Soberano’ von Cadix und wahrscheinlich aus dem dortigen medicinischen Garten, drei kleine Töpfe mit Cochenille an das Consulado (damals eine administrative Behörde) in La Laguna auf Tenerife gerichtet.“ Hermann Honegger in EINFÜHRUNG UND CULTUR DER COCHENILLE. Aber bis die Cochenille sich über die Kanaren verbreitete, ging es mit dem Wein noch mehr bergab. Als 1850 die Rebenkrankheit, verursacht durch Oidium Tuckeri, auch die Kanaren heimsuchte, war der Weinbau schon so tief gesunken, dass er nur noch eine geringe Bedeutung hatte. Was davon noch übrig war, fiel dem zerstörenden Pilze anheim. Der Weinexport sank 1869 auf den Tiefpunkt von 1252 Hektoliter. 1870 belebte sich der Weinanbau wieder.
Für Francis Coleman Mac-Gregor haben die Kanarischen Inseln, „früher geschmeichelt mit dem Namen der glückseligen, an diesen Ehrennamen indessen schon seit langer Zeit alle Ansprüche aufgegeben“, wie er im ersten Satz seiner Einleitung schreibt und begründet als Göttinger Schüler dies auch beim Thema Wein. Bei der Weinernte „geht man im Allgemeinen nicht mit der Sorgfalt und Reinlichkeit zu Werke, die dabei angewandt werden sollte. Man nimmt zum Beispiel keinen Anstand, die reifen und unreifen, die guten und verdorbenen Trauben bei der Lese untereinander zu mischen. Beim Keltern verfährt man mit eben so großer Nachlässigkeit und es ist nichts Seltenes, dass man die verschiedenen Moste untereinander gießt, obgleich bei einigen bereits die Gährung eingetreten ist. Die Weinpresse oder Kelter mit ihren Zubehörungen ist gewöhnlich voll von Unrat: denn sie wird das ganze Jahr hindurch, bis man ihrer bedarf, dem Federvieh, oder Hunden und Katzen zum Aufenthalte Preis gegeben. Sie besteht in einem schlecht gezimmerten hölzernen Troge von sechs Fuß im Quadrat und zwei Fuß tief, über welchem ein Hebel von unförmlicher Dicke angebracht ist. Wenn der Trog beinahe voll ist, springen ein halb Dutzend Bauerburschen hinein und treten den Saft mit ihren bloßen Füßen aus... Die Fässer, worein man ihn füllt, werden aber vorher nicht gehörig gespült und ausgebessert; in den Weinlagern selbst sieht es oft eben so unreinlich aus und man trifft dort Dinge an, die allein schon hinreichend sind, den besten Wein im Entstehen von Grund aus zu verderben.“
Über den Geschmack des Weines - er wird ja nicht nur gehandelt, sondern auch getrunken - äußert sich schon George Glas, auch diese Urteile getrennt nach den Inseln, wie man es von dem genauen Beobachter Glas erwartet.
Lanzarote: Der Wein aber, den man davon macht, ist leicht, ohne Kraft und so scharf von Geschmack, daß ein Fremder ihn nicht vom Weinessig unterscheiden kann. Doch ist er sehr gesund. Fuerteventura bringt mehr und besseren Wein, als Lancerota.
Der Wein in Kanaria ist gut, hat aber nicht so viel Kraft, als der in Teneriffa und ist daher zur Ausfuhr nicht so tauglich. Doch schickt man jährlich viele Fässer desselben nach den spanischen Westindien.
Teneriffa: Die Weine sind stark, gut und zur Ausfuhr geschickt, besonders nach heißen Ländern, wo sie sich sehr verbessern. Man machte hier vormals eine große Menge von Malvasier oder Kanariensekt. Seit einiger Zeit aber macht man davon jährlich nicht über fünfzig Fässer. Man sammelt die Trauben, ehe sie zeitig sind und macht einen dürren, scharfen Wein davon, der, wenn er zwei bis drei Jahr alt ist, sich kaum von Madeira-Wein unterscheiden läßt. Ist er aber erst vier Jahr alt, so wird er so milde und süß, daß er mit dem Malaga-Wein große Ähnlichkeit hat Palma: Die Ostseite bringt gute Weine hervor, die aber einen anderen Geschmack und Geruch haben, wie die von Teneriffa und sehr schwer aufzubewahren sind, wenn sie ausgeführt werden, vornehmlich in kalten Ländern, wo sie leicht sauer werden.
Gomera: Der hiesige Wein ist überhaupt genommen schwach und scharf und also zur Ausfuhr nicht tauglich. Eine Art desselben aber übertrifft, wenn er zwei Jahr alt ist, den besten Madera an Geruch und Geschmack, wiewohl er so weiß von Farbe ist als Wasser und so schwach, wie Halbbier. Ich nahm einige Dutzend Flaschen von diesem Weine mit nach London, wo ich ihn einigen Leuten, als eine große Seltenheit, zu kosten gab, aber er schmeckte ihnen nicht, denn die Engländer verachten allen schwachen Wein, so delikat übrigens sein Geschmack und Duft sein mag. Die Weinhändler in Frankreich, Spanien, Portugal und einigen andern Orten, die dieses wissen, vermischen daher selbst die stärksten Weine, die sie nach England schicken, mit Branntwein.
Hierro: Der hiesige Wein ist schwach und schlecht, so daß die Einwohner sich genötigt sehen, den größten Teil desselben zu Branntwein zu destillieren.
Bei Leopold von Buch findet sich keine Bemerkung über den Geschmack des Weins und auch Mac-Gregor äußert sich nicht darüber. Bei Minutoli findet sich indirekt etwas: Sekt oder Malvasier „. wird nur an wenigen Stellen gebaut; seine Behandlung erfordert große Sorgfalt und Mühe. Es wird davon nur eine geringe Quantität gewonnen; er ist sehr teuer und nur für ein kleines Publikum bestimmt. Die Hauptausfuhr bildete der gewöhnliche canarische Landwein. Er ging zumeist nach Bremen und Hamburg, um dort mit den leichten Pfälzer-, Neckar- und Moselwein versetzt zu werden. Die Blume dieser letzteren, verbunden mit dem Feuer und der Kraft der südlichen Rebe gab den Rheinweinfabrikanten die Mittel zu glücklichen Mischungen und guten Spekulationen.“
Der Sohn eines Berliner Bierbrauers, Carl Bolle, schreibt: „Der Wein war während meines Aufenthalts auf Gomera eine wirkliche Seltenheit geworden und was davon vorhanden, so mit Brandwein, Zucker und dergl. versetzt, dass man sich durchaus kein Urteil über denselben, im unverfälschten Zustande, bilden konnte.“
Und der Schweizer Hermann Christ schwärmt: „Der Wein auf Gran Canaria ist ein sehr dunkler, fast zu milder Rotwein, während auf West-Tenerife weiße Weine und bernsteinfarbene (couleur d’ambre) vorherrschen, süß oder herb, sehr stark, aber nur hie und da das edle Aroma des Madeira bietend. Seltene Proben alter, wohl gehaltener Tenerifeweine, von dunkler Ambrafarbe, schienen mir den schönsten Madeira an Balsam und Wohlgeschmack zu übertreffen.“ Und der Deutsche Ernst Haeckel mäkelt auf Lanzarote: „Trinkbarer Wein ist auf der ganzen Insel nicht zu finden; wollen wir daher unser filtriertes Zisternenwasser schmackhafter machen, so kann dieses nur mittels Guajaven- oder Orangensaft geschehen.“ Auch die Trinkgewohnheiten wurden von den Reisenden als bemerkenswert erachtet.
„Die Bauern [Lanzarota und Fuertaventura] bilden sich sehr viel auf ihr Goffio ein und verachten die Brotesser auf den andere Inseln. Wein oder sonst irgend ein andres Getränk als Wasser, trinken sie selten. Ihr Geschäft ist Pflügen, Säen, Ernten und was sonst zum Ackerbau gehört... Nach dem Essen traktierte der Wirt die ganze Gesellschaft mit Wein, einen Becher für jede Person, welches sie beredter machte als gewöhnlich, weil dem Gesinde hier selten Wein geboten wird... Wir waren glücklich genug, auf seinem Tische, statt Goffioteiges, Brot und auch trinkbaren Wein, nebst einem Paar gebratener junger Hühner, zu finden... Dem ungeachtet sind Streitigkeiten hier nicht so häufig, als in England, welches vielleicht von den üblen Folgen, womit sie begleitet sind oder von dem Mangel der Kaffeehäuser, Weinschenken oder andern öffentlichen Häuser herrührt. Vornehmlich auch von der Mäßigkeit der Vornehmen im Trinken, ihrem höflichen Betragen und dem geringen Verkehr, welches sie mit einander haben... Die Eingeborenen dieser Inseln sind mäßig im Essen und Trinken. Würde ein Vornehmer betrunken gesehen, so wäre das ein Schandfleck seiner Ehre. Man hat mir gesagt, das Zeugnis eines Manschen, von dem man beweisen könne, daß er dem Trunk ergeben sei, vor Gericht nicht gelte. Wer daher den Wein sehr liebt, verschließt sich in seine Bettkammer, trinkt sich daselbst voll und legt sich dann zu Bette, bis er den Rausch ausgeschlafen hat.“ Glas.
Aber sechzig Jahre später: „Die Weiber [in den Städten] sind in der Regel dem Branntweintrinken ergeben und man sieht sie zuweilen im berauschten Zustande, lärmend und schimpfend durch die Straßen taumeln.“ Mac-Gregor.
Und noch 1894 beobachtet Hans Meyer Seltsames: „Das Kind verschwand bald in dem einen der beiden Familienlager, weil es die Weiber durch häufige Spenden ihres schlechten Weines total betrunken gemacht hatten. Das geschieht jeden Abend, denn man hat vielfach auf der Insel die Ansicht, daß Kinder zu kräftigem Wachstum des Weines bedürften; ,vino adelanto los ninos’ (Wein bringt die Kinder vorwärts), antwortete mir die Mutter auf meinen Einwand. Kein Wunder also, daß vielerorts der Nachwuchs verkümmert aussieht.“