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Aufbruch

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Der Kaiser verbrachte zwei Wochen in Straßburg. Von dort begab man sich auf ein Schiff und fuhr rheinabwärts Richtung Neuss, das seit Juli 1474 von Karl dem Kühnen belagert wurde. Die Nachrichten, die mittlerweile mit schöner Regelmäßigkeit rheinaufwärts kamen, klangen dann allerdings beruhigend. Da die Neusser tapfer Widerstand geleistet hatten, bis Friedrichs Armee auf der Bildfläche erschienen war, hatte Karl die Stadt nicht einnehmen können. Und im Juni, nach einem Jahr der Belagerung, hatte Karl der Kühne schließlich aufgegeben. Was sicher auch damit zu tun hatte, dass seine Soldaten zwischendurch immer wieder einmal ihre Kampfhandlungen unterbrochen hatten und zum Grab des heiligen Quirinius in Neuss gepilgert waren. Dort hatten sie gebetet und geopfert, danach wurde wieder fröhlich weitergekämpft.

Friedrich hätte eigentlich frohlocken sollen, wieder einmal war der Kaiser ein Rätsel für die Menschen in seiner Umgebung. Seine kleinen, tief liegenden braunen Augen verrieten Unschlüssigkeit und alles andere als Freude.

Sein optimistischster Kommentar war noch:

»Das wird dem alten Hitzkopf eine Lehre sein!«

Von Meldegg ergänzte:

»Und es schwächt seine Position für die Heiratsverhandlungen.«

Dem konnte Friedrich nur zustimmen.

Als Treffpunkt für die Verhandlung schlug Friedrich Trier vor. Immer wieder hielt das Schiff an, um Nachrichten abzugeben oder aufzunehmen. Die Kuriere Karls und Friedrichs ritten hin und her und sich die Hintern wund, bis eine Einigung erzielt war.

»Wir sind den Trierern ja noch etwas schuldig, da wir die Krönung Karls vor zwei Jahren abgesagt haben.«

Auch hierzu hatte der kaiserliche Medikus ein Bonmot parat:

»Erinnert Ihr Euch noch, dass Karl in seinem Triumphgefühl bei den Trierer Handwerkern bereits eine Königskrone in Auftrag gegeben hatte? Da war die Enttäuschung groß gewesen, nachdem diese Träume zerplatzt waren und er die Krone abbestellte.«

Er lachte schelmisch, der Kaiser schwieg dazu.

Friedrich war meist auf Ausgleich bedacht, und Trier war außerdem gewissermaßen neutrales Gebiet, da der Erzbischof von Trier, der ebenfalls Kurfürst war, sich von niemandem dreinreden ließ.

»Ob der Erzbischof nach meiner Abreise wohl alle Rechnungen bezahlt hat, wie ich es ihm aufgetragen hatte«, fragte Friedrich, jedoch mehr als Selbstgespräch. »Ich habe auf jeden Fall niemals eine Rechnung von ihm erhalten. Also hat er noch etwas gut bei mir!«

Und außerdem wollte Friedrich dort die zwei Jahre zuvor gegründete Universität besuchen.

Das Treffen in Trier Anfang Oktober 1475 verlief, im Gegensatz zu dem von Karl mit großem Aufwand inszenierten Treffen zwei Jahre zuvor, ohne großen Pomp. Maximilians Schwiegervater in spe, angetreten als frisch Besiegter zweier sicher geglaubten Schlachten, war nicht in Streitlaune.

Schnell wurden die Modalitäten vereinbart. Die Hochzeit wurde für August 1477 festgelegt.

Karl der Kühne ließ keinen Zweifel daran, warum er so schnell zugestimmt hatte.

»Ihr werdet noch sehen, was Ihr mit Marias Taufpaten, König Ludwig XI., für eine Freude haben werdet. Er ist ein heimtückischer und herrschsüchtiger Charakter und hat es bereits auf mein Burgund abgesehen. Sogar seine Untertanen nennen ihn ›Den Grausamen‹!«

Er sah Friedrich genau in die Augen.

»Aber wenn jemand mein Burgund für meine Tochter verteidigen kann, so ist es Eure habsburgische Landesmacht.«

Dann trennten sich ihre Wege.

Karl reiste zurück nach Dijon, Friedrich doch noch nach Neuss.

Denn trotz dieser Abmachung hatte Friedrich noch eine kleine Rache für Karls Neusser Angriff parat. Die Stadt Neuss erhielt aus Friedrichs Hand das Münzprivileg, das Recht, mit rotem Wachs zu siegeln, die Rechte einer Hansestadt sowie ein neues Wappen. Fortan war er dort sehr gerne gesehen.

Von Neuss aus reiste Friedrich auf kürzestem Wege zurück nach Wiener Neustadt. Der Winter nahte, und da waren lange Reisen mühsam.

Von Meldegg fuhr rheinaufwärts, legte in Straßburg an und holte Georg ab.

Der Abschied von Daniel war bewegend. Wenn jemand Georg ein paar Jahre früher erzählt hätte, dass er bei der Trennung von Daniel Fischer Tränen in den Augen haben würde, den hätte er ausgelacht. Auch Sonja hatte ihn mittlerweile lieb gewonnen wie einen Sohn und weinte hemmungslos. Sie bat darum, Fafnir behalten zu dürfen.

»Damit wir eine Erinnerung an dich haben.«

Georg zögerte, von Meldegg aber meinte auch, die Reise, jedoch erst recht das Leben am Hof würden Fafnir nicht guttun.

»Hier in der Braustube fühlt er sich zu Hause. Also lass ihn hier.«

Schweren Herzens gab Georg nach, umarmte Daniel und Sonja.

»Gib uns Nachricht, wie es dir ergeht! Oder komm uns einmal besuchen!«

Beide hatten keine Ahnung, wie dieser Wunsch in Erfüllung gehen würde.

Zu zweit ließ sich schneller reisen, nur in gefährlichen Gegenden schlossen sie sich einer bewaffneten und eskortierten Reisegruppe an.

Als sie nach Überlingen kamen, blieben sie ein paar Tage dort und ruhten sich aus.

Hier erkannte Georg zum ersten Mal die Möglichkeiten, die man als Angestellter eines Kaisers haben konnte: Herr von Meldegg besaß ein eigenes Schloss!

»Das Schloss hat meine Familie erst vor fünf Jahren fertiggestellt und es ist unsere Stadtresidenz«, erklärte der Leibarzt. »Ich bin so viel auf Reisen, da möchte ich wenigstens wissen, wo ich daheim bin, wenn ich einmal Ruhe habe.«

Georg war so beeindruckt von Haus und Garten, dass er es nicht verbergen konnte.

»Die Gartenanlage hat einen Ausblick sowohl auf die Stadt wie auch auf den See.«

Auch von Meldegg war sichtlich stolz auf seine Residenz.

Bald rüsteten sie wieder zur Weiterreise. Unterwegs redeten sie viel, von Meldegg versuchte hier bereits, Georg etwas Bildung zu vermitteln, sodass er als Brauer am Kaiserhof bestehen konnte.

»Lesen und Schreiben ist wichtig, aber nicht alles. Auch in der Sprache musst du gewandter werden«, erklärte er Georg.

»Der kaiserliche Hof ist nicht so streng zeremoniell wie andere Fürstenhöfe. Aber dennoch eine Schlangengrube. Voller Günstlingswirtschaft, Verleumdungen und falscher Freunde. Sei also gewarnt! Wenn du zu gutgläubig bist, wirst du dort nicht bestehen.«

Die Worte erinnerten Georg einmal mehr an Michels Warnungen und seine ständige Angst davor, ›behumst‹ zu werden.

»Ist die Welt wirklich so schlecht«, dachte er bei sich.

Nun, er war zumindest vorgewarnt.

Ein gutes Stück reisten sie per Schiff auf der Donau, das Wetter war auf ihrer Seite, und mit Unterricht im Lesen und Schreiben verging die Zeit schneller als erwartet.

So erschienen sie im März 1476 auf Kaiser Friedrichs Burg in Wiener Neustadt.

Das Erbe des Bierzauberers

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