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Auf der Runneburg
ОглавлениеWiederum zwei Tage später hatte auch der Landgraf von Thüringen, Fürst Friedrich, die Geschichte vom ›Scheißedamm‹ vernommen. Friedrich, mittlerweile fast 50 Jahre alt, entstammte dem Hause der Wettiner und verbrachte die meiste Zeit auf seiner Runneburg in Weißensee. Er selbst nannte sich ›der Vierte‹, während seine Untertanen, je nach Lust und Laune, entweder den ›Friedfertigen‹ oder den ›Einfältigen‹ an den Friedrich dranhängten.
An diesem Morgen passte keines der beiden Anhängsel zu seiner Laune. Aufgebracht vom Bericht des Büttels, beschloss er, an den bestehenden Gesetzen etwas zu ändern.
Sogar seine Ehefrau, die Gräfin Anna, hatte ihn selten so erregt gesehen. Normalerweise gab sie die Richtung vor, was politische Entscheidungen oder die Regierungsarbeit anging.
Der Büttel und Gräfin Anna, die ihn an Größe leicht überragte, waren zwar nur ein kleines Publikum, Friedrich plusterte sich dennoch auf, als wolle er eine Regierungserklärung abgeben. Immer wenn er sich in Pose stellte, sah das unfreiwillig komisch aus, da seine Extremitäten für seine durchschnittliche Körpergröße zu lang und dünn geraten waren. Zusammen mit seinem leicht korpulenten Mittelteil ergab das für Beobachter den Anschein, als wäre er aus verschiedenen Körpern zusammengesetzt worden, die nicht zueinanderpassten. Seine Stimme erschallte durch das fürstliche Besprechungszimmer, das sich im Erdgeschoss der Burg gleich neben dem Audienzzimmer befand:
»Da haben wir einen prachtvollen Brauherren, den Paul, der sich nach Kräften bemüht, ein gutes und gesundes Bier zu brauen. Und immer dann, wenn ein größeres Fest oder ein Markt ansteht, pfuscht ihm jemand ins Handwerk.«
Er holte tief Luft und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug, in dem sich warmer gewürzter Wein befand.
»Ich mag das Bier aus Nordhausen nicht. Es ist gepanscht und macht bisweilen toll im Kopf, wenn sie die falschen Würzkräuter zusetzen. Nicht nur die Grutmischung ist zweifelhaft. Leider ist es das einzige Brauhaus, das immer ausreichend Bier übrig hat, um uns zu beliefern, als würden sie darauf warten, uns Bier verkaufen zu dürfen. Und das, obwohl Kaiser Karl IV. schon vor langer Zeit für den Brauherrn Dietrich in Nordhausen eine Bierbannmeile proklamiert hat. Daher sollte der sein Bier doch eigentlich in der eigenen Stadt reichlich verkaufen können.«
Erneut hob er den Zinnkrug und setzte an.
»Aber zurück zum Grund unserer Erregung. Wir werden zwei Dinge veranlassen: Du«, er zeigt auf den dicken Matthias, »wirst den Schuft finden, der unser Brauwasser verdirbt. Und du, meine Gräfin«, er winkte in Annas Richtung, »wirst dir mit mir ein Gesetz ausdenken, damit wir zukünftig hier im Fürstentum und in Weißensee sauberes Bier trinken können.«
Der Weinkrug war mittlerweile zur Gänze geleert.
»Ja, ich trinke zwar lieber den Wein als das Bier, aber ein Gesetz für sauberes Bier wäre auch ein Wunsch meines seligen Vaters gewesen. Der alte Balthasar war ein gewaltiger Biertrinker vor dem Herrn. Am Ende seines Lebens hat er nur noch in der Wartburg gesessen und sich von Bier ernährt. Wir sollten außerdem sehen, dass wir jemanden finden, der durchs Land reist und den Brauern in die Töpfe schaut und untersucht, welche Rezepturen verwendet werden. Diese Profession gibt es noch nicht, wohl weil sie nicht ohne Gefahr ist.«
Wieder einige Tage darauf hörte der dicke Matthias in einer Schenke, die er regelmäßig kontrollierte, dass Dieter, der Dorftrottel, trotz des Verbotes, ihm Bier auszuschenken, irgendwie an Bier gelangt war. Er war schnell so volltrunken gewesen, dass er nur noch stammelte. Aber was er stammelte, handelte von einem Damm, den sie angeblich für einen Gulden Lohn gebaut hatten, wobei der Auftraggeber tatsächlich der Brauherr Dietrich aus Nordhausen gewesen war. Und die Hälfte davon – »einen Viertel Gulden, ehrlich!« – hatte er erhalten, aber bereits redlich verzecht.
Es war ein Leichtes für den Büttel, vom später wieder nüchternen Dieter den Namen seines Komplizen zu erfahren, und beide erhielten prompt eine Prügelstrafe und mussten zwei Tage lang auf dem Marktplatz am Schandpranger stehen.
Dietrich selbst konnten sie leider nicht belangen, Nordhausen war ihrer Gerichtsbarkeit zwar nicht komplett entzogen, aber als Freie Reichsstadt und, seit Kurzem, auch Mitglied der Hanse wäre der zu erwartende Ärger größer gewesen als die übliche Strafe Dietrichs; daher wurde lediglich sein Bier mit einem einstweiligen Einfuhrverbot nach Weißensee belegt.