Читать книгу Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes - Страница 8
Vier Tage später
ОглавлениеEs stank.
Es stank zum Himmel.
Es stank zum Gotterbarmen.
Sogar für mittelalterliche Verhältnisse.
Der groß gewachsene, kahlköpfige Brauherr Paul in seiner Arbeitskleidung – ledernes Wams mit leichtem Pelzbesatz, eine enge Leinenhose, die in hohen Lederstiefeln steckte, sowie eine barrettartige Kopfbedeckung – und der dicke Matthias, seines Zeichens Büttel des Fürsten Friedrich des Friedfertigen, des Landgrafen von Thüringen, standen am Ufer des aufgestauten Bachs, der normalerweise in die Unstrut abfloss, mittlerweile aber eher einem kleinen See glich.
Beide hatten das Gefühl, mitten in einer Kloake zu stehen.
»Wer hat das aufgestaut?«
Paul, ansonsten eher die Ruhe selbst, war außer sich vor Zorn.
»Sieht mir nach einer Biberburg aus«, entgegnete Matthias, sah auf zu dem mehr als einen Kopf größeren Brauer und hielt beide Hände vor dem gewaltigen Körperteil verschränkt, dem er seinen Beinamen ›der Dicke‹ verdankte und der in ein Wams gepackt war, welches es jederzeit zu sprengen drohte. In Pauls braunen Augen, die sein kahler Schädel umso größer erscheinen ließ, las er dagegen alles andere als Zustimmung zu dieser banalen Feststellung.
»Eine Biberburg aus Baumästen und aufgestauter Scheiße?« Pauls Stimme drehte vor Empörung ins Falsett. »Nein, das ist Menschenwerk. Die Biber wissen schon, was sie uns als Fastenspeise schuldig sind, und suhlen sich nicht in unserem Kot. Diesen Damm hat jemand mit Absicht errichtet, damit ich kein sauberes Wasser zum Bierbrauen habe.«
»Wieso bist du so sicher?«
Der Büttel blieb ruhig, konnte er doch Pauls Folgerung nicht unbedingt nachvollziehen.
Paul fuchtelte mit seinen langen Armen unbestimmt in der Luft herum.
»Ich kann es schwerlich beweisen, aber mein Gefühl hat mich noch selten getäuscht.«
Matthias versuchte vergeblich, Paul zu beruhigen.
»Wer auch immer Schuld hat an dieser Schweinerei, das Gerede bringt uns nicht weiter. Was willst du jetzt tun?«
Er dachte auch als Erster wieder praktisch.
»Das Bier für unsere Markttage kann ich natürlich vergessen«, erwiderte der wütende Braumeister.
»Und den Zehnten deines Herrn dafür auch«, setzte er gleich noch eins drauf. »Aber er trägt seinen Spitznamen ›Der Einfältige‹ ja nicht zu Unrecht, also wird er es wahrscheinlich gar nicht bemerken.«
Der Ordnungshüter schaute erst böse drein, als sein Herr beleidigt wurde, er war desgleichen jedoch schon gewohnt, und so trug er es mit Fassung.
»Das bedeutet also nichts anderes, als dass wir das Bier wieder einmal aus Nordhausen heranfahren müssen. Wir machen uns langsam zum Gespött des Landes. Seit 150 Jahren haben wir eine Bierbannmeile, um zu verhindern, dass jemand im Umkreis von einer Meile rund um Weißensee Bier verkauft oder ausschenkt, außer wenn es von dir stammt.«
Die Erwähnung der Bierbannmeile brachte Pauls Gestik wieder auf Touren, seine Arme rotierten wie Windmühlenflügel.
»Und zum wiederholten Male müssen wir den Bann aufheben, weil wir sonst kein Bier haben. Ich verliere so langsam die Lust am Bierbrauen. Du musst mir helfen und den Mistkerl finden, der verhindern will, dass wir hier gutes Bier brauen.«
Matthias langte nach oben und schlug Paul jovial auf die Schulter.
»Wir werden ihn finden, und ich verspreche dir, er wird es teuer bezahlen.«
Er drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.
»Komm mit zum Essen. Das wird dich aufmuntern. Es gibt gedämpfte Biberschwänze.«
Er lachte hämisch.
»Das ist das Beste, was wir auf dem Speisezettel haben, solange die Fastenzeit noch andauert.«
Paul schaute immer noch grimmig drein.
Dann entspannte sich seine Mimik, und er stimmte ins Lachen seines Gefährten ein.
»Ja, lass es uns den Viechern heimzahlen, falls sie es doch gewesen sind.«