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ОглавлениеDie nächsten Monate waren für Niklas ausgefüllter, als er es sich jemals hatte vorstellen können. Niemals hätte er gedacht, dass man an einem Tag so viel arbeiten konnte.
Seine Einführung in das Klosterleben brachte er mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Aufregung hinter sich. Er lernte viel Interessantes über die Anfänge des Klosterlebens, erfuhr von Benedikt und Monte Cassino, St. Gallen, Bonifatius, Cluny, der Abtei Prüm und dem Reformkloster Hirsau. Er hatte Glück. Sein Lehrmeister, Bruder Thomas, war tolerant den anderen Orden gegenüber.
Er sagte immer wieder:
»Wir alle kämpfen für die gleiche Sache, nur mit anderen Mitteln. Wenn du älter bist, wirst du dir selbst ein Bild machen können. Wir sind hier nicht so streng wie in Cluny, wo die Brüder immer mit dem Kopf nicken müssen, wenn der Prior in der Nähe ist, um ihm zu zeigen, dass sie nicht schlafen. Bei uns ist auch während des Gebets ein Nickerchen erlaubt, wenn man vorher seine Arbeit gut gemacht hat.«
Und die Aufgaben im Kloster waren weiß Gott vielfältig, jeder hatte seinen Teil zu leisten: Äcker bestellen, Gärten pflegen, Bücher kopieren, Kunstwerke malen, alles Werkzeug dazu wurde in den eigenen Werkstätten hergestellt, dazu noch backen, brauen, melken, schlachten. Besucher und Kranke mussten versorgt werden. Und schließlich war die Führung des Klosters auch außerhalb der Mauern politisch und wirtschaftlich eine Macht.
An der Spitze des Klosters Urbrach stand der Abt Kilian. Er vertrat das Kloster nach außen hin, schloss Kauf- und Pachtverträge ab, empfing die Gäste des Klosters und speiste mit ihnen an einem besonderen Tisch. Er hatte, da er über den Klosterregeln stand, eine eigene, reich und behaglich ausgestattete Wohnung und eine besondere Küche. Er leitete die kirchlichen Verrichtungen und stand im Rang eines Bischofs. Als Zeichen seiner Würde trug er bei offiziellen Anlässen einen gekrümmten Stab.
Kilian zur Seite stand der Prior Karlmann, der ihn in seiner Abwesenheit vertrat. Er leitete alle Übungen und Arbeiten der Mönche, nahm ihnen die Beichte ab, erlegte ihnen Bußen auf und überwachte die Einhaltung der Ordensvorschriften. Während alle Brüder untereinander sich mit ›Du‹ anredeten, gebrauchten sie Kilian und Karlmann gegenüber das ›Ihr‹.
Dem Provinzenmeister war die Aufsicht über die neu eintretenden Klosterbrüder anvertraut, solange sie noch nicht das Mönchsgelübde abgelegt hatten.
Der Sakristan oder Kustos hatte die äußere Ordnung des Gottesdienstes zu besorgen, zur Kirche zu läuten und alles, was zum Gottesdienst gehörte, wie Wachskerzen, Altarbekleidung, Abendmahlgeräte, in seine Obhut zu nehmen.
Der Singmeister oder Kantor leitete den Gesang in der Kirche, überwachte das Abschreiben der Bücher und hielt die Bibliothek in Verwahrung. Er hatte die größten Ohren, die Niklas jemals gesehen hatte.
Der Kellermeister Otto und Niklas’ Lehrmeister, der Brauer Thomas, waren wichtige Persönlichkeiten im Kloster und hatten mehrere Gehilfen zur Besorgung ihrer umfangreichen Ämter unter sich. Unter Ottos Aufsicht standen die Ackerhöfe des Klosters; er sorgte dafür, dass die nötigen Vorräte in die Küche und in den Keller geschafft wurden und führte die Schlüssel zu den Vorratsräumen. Sowohl Otto als auch Thomas sah man an, dass sie die geistigen Getränke verwalteten. Beide trugen einen Kugelbauch vor sich her, die roten Knollennasen und die Tonsur ließen die Männer als gemütliche, fröhliche Naturen erscheinen. Otto schien ein paar Jahre älter zu sein als Thomas, dafür war Thomas der Größere von beiden.
Der Leiter der Backstube, Ansgar, war Otto untergeordnet.
Der Bruder Pförtner saß am Eingang des Klosters in einer besonderen Zelle. Wenn ein Fremder Einlass begehrte, meldete er ihn beim Abt und führte ihn nach erteilter Erlaubnis hinein. Die Klöster boten Pilgern und Reisenden gern gastfreundliche Herberge. An vorbeikommende Arme verteilte der Pförtner Brot und Reste vom Tisch. Amtspersonen untergeordneter Art waren der Kleidermeister, der die Schneider, Schuhmacher, Gerber und Weber beaufsichtigte, der Werkmeister, der den Bauleuten vorgesetzt war, und der Siechenmeister, der die Aufsicht über das Krankenhaus führte.
Niklas lernte unter Anleitung seiner Mitbrüder lesen und schreiben und dazu das unentbehrliche Latein. Er war so beschäftigt, dass er überhaupt nicht an Hahnfurt dachte und daran, dass er unter Umständen jahrelang nicht mehr nach Hause kommen würde.
Er wurde unterwiesen in Disziplin, Zucht und Bescheidenheit. Wer damit nicht zurechtkam, dem drohte die Klosterordnung mit schweren Strafen. Fasten, Ausschluss vom Gottesdienst, Kasteiung bis aufs Blut, mitunter sogar Verurteilung zum Hungertod und zur Einmauerung waren Strafen für Mönche, die sich Vergehen zuschulden kommen ließen.
Diese drakonischen Strafen wurden äußerst selten exekutiert und dienten mehr der Stärkung der Disziplin durch Abschreckung.
Die Novizenzeit dauerte ein ganzes Jahr lang, doch durften und mussten die Novizen schon bald wie die anderen Mönche leben und mitarbeiten. Nur trugen sie nicht die Ordenstracht. Bewährten sie sich, so erfolgte die Einkleidung als Klosterbruder. Nach dem Schwören des Ordensgelübdes wurde ihnen das Haar geschoren, das Novizenkleid abgenommen und die Mönchskutte angezogen.
Nach diesem Jahr gehörte Niklas ganz dem Kloster.
Das Leben im Kloster machte ihm Freude. Die Brüder waren ein bunter Haufen. Manche waren als Findelkinder vor der Tür gefunden worden, andere kamen aus gutem Hause, waren jedoch nur Zweit- oder gar Drittgeborene. Einige wurden als Waisen aufgenommen, andere wiederum aufgrund ihres hellwachen Verstandes.
Niklas durfte nicht gleich vom ersten Tag an mit Thomas in der Brauerei arbeiten. Er wurde zuerst einmal zwei Wochen lang zusammen mit drei anderen Anwärtern im Gästehaus einquartiert. Während dieser Zeit wurden sie geprüft, ob ihre Motive, Absichten und Zukunftspläne zum Mönch passten. Abt Kilian hatte Thomas einmal erzählt, wie viele unglücklich verliebte Männer sich zum Kloster berufen fühlen würden, dies jedoch immer nur für eine kurze Zeit.
»Sobald der Weltschmerz vorbei ist, wollen sie wieder gehen. Deswegen akzeptieren wir grundsätzlich keine Anwärter mit Liebeskummer mehr«, erzählte er Niklas später lachend weiter.
Nach zwei Wochen zog Niklas um ins Novizenquartier. Dort blieb er zwei Monate unter Aufsicht eines alten, grantigen Provinzenmeisters, der nicht nur entsetzlich aus dem Mund stank, sondern auch immer eine Fahne säuerlichen Schweißes hinter sich herzog. Dieser las mit ihm jeden Abend die Klosterregeln, bis er sie auswendig konnte. Er schätzte diese Zeit nicht, wollte er doch an den Braukessel.
Die Vorfreude darauf machte ihm vieles leichter.
Er war froh, dass ihn der stinkende Bruder ansonsten in Ruhe ließ, hatte er immerhin von anderen Anwärtern schon über unsittliche und widernatürliche Versuche älterer Brüder gehört. Und trotz harter Strafen bis hin zum Auspeitschen gab es immer wieder Vorfälle.
Und eines Tages waren auch diese zwei Monate um und Bruder Thomas holte ihn ab, um ihm sein neues Reich zu zeigen.
Ab sofort trug er eine Art Tunika aus Leinen oder Wolle, darüber einen Schulterumhang. Für die Arbeit draußen gab es lange Mäntel aus haarigem Stoff mit Kapuze, die schützten sowohl gegen Kälte als auch gegen Sonne. Weiterhin erhielt er zwei Hemden, Strümpfe, Gamaschen und Pantoffeln und für den Winter ein Schaffell.