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Das zweite Gottesurteil
ОглавлениеSo saß er an seinem letzten Abend in Köln in seinem beinahe leeren Haus.
An dem kleinen Tisch, den Kopf zwischen den Händen vergraben, dachte er nach, warum alles so gekommen war, wie es gekommen war.
Bei der Tür standen zwei gepackte Kisten, das war alles, was er mit nach Urbrach nehmen wollte.
Es klopfte an der Tür.
»Kommt herein, wer immer Ihr seid! Die Türe ist offen.«
Die Tür schwang auf, ein kalter Luftzug wehte durch die Stube.
Aus den Augenwinkeln sah Niklas das grobe Leinen einer Mönchskutte.
Er drehte sich nicht einmal um.
»Du hast meine Existenz zerstört, Bernard. Alles, was mir lieb und teuer war. Hast du immer noch nicht genug?«
Niklas erhob sich und lachte heiser.
»Willst du auch mein Leben? Das wirst du nicht so leicht bekommen.«
Bernard sagte kein Wort und setzte sich auf einen der beiden verbliebenen Stühle. Erst jetzt sah Niklas, dass Bernard einen Beutel mit sich führte, in dem irgendetwas klapperte.
»Setz dich her!«, herrschte Bernard ihn an. »Wir sind noch nicht am Ende.«
Niklas setzte sich ihm gegenüber.
Bernard verbreitete einen aufdringlichen, käsigen Geruch. Es war lange her, dass er sich zuletzt gewaschen hatte. Seinem Gesicht sah man den Mangel an Schlaf deutlich an. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und versprühten eine Aura von Irrsinn.
Er nahm zwei gleich aussehende Krüge aus seinem Beutel und stellte sie auf den Tisch.
»Erinnerst du dich an das Gottesurteil, das dich damals in Urbrach gerettet hat?«
Niklas nickte stumm.
»Lass uns hier und heute mit einem weiteren Gottesurteil unsere Feindschaft ein für alle Male beenden. In einem dieser beiden Krüge ist ein gesundes, frisches Bier, in dem anderen ein Teufelsbier, gewürzt mit Bilsenkraut, Tollkirsche und Fingerhut. Aber beide sind mit deinem geliebten Hopfen gekocht worden, wodurch sie beinahe gleich bitter riechen und schmecken.«
Niklas ahnte bereits, was da kommen sollte. Er war plötzlich bereit, die Auseinandersetzung mit Bernard, obwohl er unschuldig war, bis zu diesem tödlichen Ende mitzuspielen.
Bernard nahm die Krüge.
»Wähle dir einen aus. Dann trinken wir gleichzeitig die Krüge bis zur Neige leer. Und einer von uns beiden geht zum Teufel.«
Niklas nahm den linken der Krüge, die Bernard ihm entgegenhielt, und sah Bernard direkt in die Augen.
In beiden Augenpaaren sah man nichts als Hass.
»Auf Nimmerwiedersehen, du Alptraum meines Lebens! Egal, wie es ausgeht.« Er verzichtete darauf, mit Bernard anzustoßen, setzte den Krug an und trank ihn aus. Er sah noch, dass Bernard nur zögerlich so tat, als tränke er, bevor er zu Boden stürzte.
Sein Gesicht wurde rot, die Augen verdrehten sich und quollen langsam aus den Höhlen, Speichel tropfte aus seinem Mund, ein paar Zuckungen mit beiden Armen und beiden Beinen, dann lag er still am Boden.
Bernard stand auf, hob den Krug und sagte:
»Mögest du in der Hölle schmoren, du ›Reiner Teufelsbrauer‹ Niklas!«
Dann leerte er den Krug.
Die Jagd war vorbei.