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Die neue Regelmäßigkeit beim Brauen erlaubte es Niklas, weit schneller und weit mehr, als bis dahin für einen Lehrjungen üblich, zu lernen. Die wiederkehrenden Abläufe des Schrotens mit dem Mörser und des Maischens erledigte er bald schon mit einer Routine, die Bruder Thomas staunen ließ.

Und eines Tages nahm er Niklas mit auf den geheimnisvollen Getreideboden.

Dort angekommen, forderte er Niklas auf:

»Beschreibe mir einmal, was du hier siehst!«

Niklas erkannte einen großen Haufen frischer Gerste, daneben einen zweiten mit der etwas anderen, dunkleren Gerste. Außerdem stand auf dem Boden ein großer Waschzuber und in einer anderen Ecke lag eine Fuhre nasser Gerste, deren etwas modriger und erdiger Duft in seine Nase stieg.

Im Nebenraum sah Niklas einen großen Verschlag, der ein wenig wie ein Ofen aussah und auch ein wenig rauchig, brenzlig roch, jedoch größer war. Auf diesem Ofen befand sich eine Art Plattform. All das teilte Niklas seinem Lehrmeister mit und fragte erstaunt:

»Was geht hier vor, Bruder Thomas?«

Dieser zeigte auf die frische Gerste und meinte:

»Ich nehme hier nur vorweg, was du früher mit deiner Mutter beim Brotbacken mit der Gerste getan hast. Ich weiche die Gerste in Wasser ein und lege sie hier auf den Boden, der auch Tenne genannt wird; daraufhin fangen die Körner an zu leben und zu wachsen. Das Korn wird weich, genau wie beim Backen. Man muss die nasse Gerste nur regelmäßig durch und durch wenden, so wie jetzt«, er nahm eine große Schaufel und wendete die Gerste einmal kräftig von unten nach oben, »sonst wird sie schlecht.«

Danach fuhr er fort: »Nach ein paar Tagen wird die nasse, belebte Gerste auf diesem Ofen getrocknet, den wir Darre nennen. Dadurch wird die Gerste wieder haltbar und ist zum Bierbrauen bestens geeignet. Hier, koste mal davon.«

Er reichte seinem Lehrjungen einige Körner und der erkannte sofort, dass sie süßer schmeckten als normale Gerste.

»Die Körner werden beim Backen süßer und dunkler, dem Bier ähnlich. Und das Gleiche passiert hier, wir können jedoch alles Getreide verwenden und müssen nichts erst außen anbrennen lassen, um das Innere zu nutzen. Außerdem werden die Körner erheblich haltbarer. Ich kann sie noch nach Monaten verwenden!«

Niklas erkannte gleich die große Bedeutung dessen, was Thomas ihm hier gezeigt hatte.

Im zweiten Jahr, als Niklas in Urbrach war, beschlossen die Brüder, eine neue Mühle zu bauen. Die alte Mühle war eine Reibmühle mit zwei runden Steinen. Einer der Brüder hatte auf einer Wallfahrt einen neuen Mühlentyp gesehen und sich Notizen darüber gemacht. Nach dieser Vorlage sollte jetzt gebaut werden. Es dauerte einige Wochen, den mächtigen Ständer mit seinen Kreuzstreben und Kreuzschwellen zu errichten. Die großen Windflügel waren danach aber schon von Weitem zu sehen. Nach Abschluss der Bauarbeiten durfte auch Niklas die neue Mühle besichtigen. Thomas führte ihn herum.

»Hier siehst du den Bodenstein mit dem Zapfen, der daraus hervorschaut. Auf diesem Zapfen hängt jetzt der Läuferstein. Der kann nun frei pendeln und dadurch viel besser mahlen. Man nennt diesen neuen Typus Schwenkmühle. Aber die größte Neuerung ist, dass der ganze Raum, in dem wir stehen, dieser Mühlenkasten, sich im Wind mitdreht. Dadurch kann unser Molinarius die Mühle immer in den Wind stellen und ist nicht länger auf die Windrichtung angewiesen.«

Auch hier dachte sich Niklas, dass diese Neuerung ihm in Zukunft in der Brauerei behilflich sein könnte.

Drei Jahre gingen vorbei. Niklas war immer noch mit Leib und Seele Bierbrauer. Die klösterlichen Pflichten verrichtete er mehr schlecht als recht, gerade so, um nicht aufzufallen, er zeigte aber keine übermäßige Begeisterung.

Im Jahre 1264 beschloss Abt Kilian, die Brauerei zu vergrößern und teilweise neu zu bauen. Bei dieser Gelegenheit bat er die Brüder Thomas und Niklas zum Gespräch.

»Ich bin sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie ihr beide die Brauerei betreibt. Aber vergesst ihr nicht manchmal die Dinge der Kirche und des Glaubens? Etwas mehr Freude, Demut und Gottesfurcht hierbei stünde auch euch beiden gut zu Gesicht!«

Die Angesprochenen blickten betroffen zu Boden, entschuldigten sich und versprachen Besserung. Sie wussten, dass ihre Arbeit für das Kloster unabdingbar war und Kilian sie unmöglich aus der Brauerei versetzen konnte. Die Gelegenheit, die Brauerei nach ihren Vorstellungen zu erweitern, musste genutzt werden.

Kilian fragte die Brüder nach ihren Ideen und besonders Niklas vergaß alle Demut und sprudelte nur so über:

Er würde die großen Maischbottiche einen über den anderen stellen, aber trotzdem nebeneinander.

»So, dass wir den oberen noch leichter über einen Hebel umkippen könnten zum Ausleeren in den niedrigeren. Vielleicht finden wir auch einen Weg, um das Abseihen der Maische mit den Weidenkörben zu erleichtern.«

Außerdem würde er einen festen, gemauerten Ofen unter dem niedrigeren Bottich bauen, »damit man gleich gut einheizen kann und nicht immer mit heißem Wasser aufgießen muss«.

Daraufhin staunte Kilian nur und sagte:

»Und wie willst du den Boden machen, wenn auf der unteren Seite das Feuer ist und darüber unsere Maische? Es gibt noch keine Methode, so große Töpfe aus Eisen zu bauen, wie wir sie hier benötigen. Zumindest keine Töpfe, die dicht sind. Wie wir das Abseihen erleichtern wollen, das könnt ihr euch ja in nächster Zeit überlegen. Deine Vorschläge sind gut, aber zu viele Neuerungen erwecken Misstrauen bei unseren Mitbrüdern. Lasst uns daher nur die wichtigsten umsetzen.«

Und so wurde die neue Brauerei nur mit teilweisen Verbesserungen gebaut.

Jedoch besonders die neue Anordnung der Maischbottiche zeigte große Vorteile. Bei den Mengen, die sie mittlerweile produzierten, wäre es nicht mehr so leicht gewesen, einen Bottich in den nächsten umzufüllen, wenn die beiden auf gleicher Ebene gestanden hätten. So aber war es recht einfach.

Nur das Zubrühen mit kochend heißem Wasser war nach wie vor mühsam. Da hatten sie trotz vieler Überlegungen noch keinen anderen Weg gefunden.

Niklas machte sich weiterhin Gedanken, wie man die festen und flüssigen Bestandteile voneinander trennen könnte. Sie und eigentlich alle anderen Brauer fischten mit Körben die festen Bestandteile der Körner aus der heißen Flüssigkeit heraus. Das war nicht nur mühsam, sondern ließ immer viel zu viele Körner in dem Sud zurück.

Als sie mit dem Maischen wieder einmal so weit fertig waren, dass der Bottich praktisch leer war und nur die letzten Reste der festen Bestandteile darin lagen, lehnte sich Niklas wie immer ganz tief in den Bottich, in der Hand einen kleinen Abseihkorb.

Während er mit dem Korb hantierte, blieb sein Blick plötzlich an einem Zeichen hängen, das in den Bottichboden eingebrannt war. Es war ihm vorher noch niemals aufgefallen. Er hielt das Zeichen zuerst für den Stempel des Tischlers, der den Bottich gezimmert hatte.

Aber dann müsste er es schon des Öfteren gesehen haben, da alle Tische, Stühle und Schränke vom gleichen Tischler gemacht waren. Das seltsame Zeichen bestand aus zwei Dreiecken, die so ineinander gelegt waren, dass sie einen sechszackigen Stern bildeten.

Niklas erinnerte sich plötzlich, dass er dieses Zeichen bereits zweimal gesehen hatte. Einmal zu Hause in Hahnfurt, dort hatte seine Mutter eines Tages einen derartigen Stern, aus Holz geschnitzt, über die Tür gehängt. Zum zweiten Mal war ihm dieses Symbol aufgefallen, als er mit seinem Vater nach Urbrach unterwegs gewesen war. Sein Vater hatte auf das Schild gezeigt und gemurmelt: »Dort wohnt ein Geldverleiher, ein Jude, ein Christusmörder.«

Wie kam dieses Zeichen hierher in die Brauerei? Wie passte es zu seiner Mutter? Und wieso deutete es auf einen jüdischen Geldverleiher?

Niklas’ Gedanken schwirrten umher, er wollte nach Antworten suchen.

Aber wo?


Der ›Pyrprew Herrtel‹ aus der Chronik von Konrad Mendel (1388) ist die älteste Darstellung eines deutschen Bierbrauers. Man beachte den Stern links oben.

Der Bierzauberer

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