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An einem Morgen Anfang März 1265 verzögerte sich das Maischen um eine Weile. In der Regel teilten sie die Arbeit so ein, dass sie beide während des Brauens eine Pause einlegen konnten, um zu Tisch zu gehen. Während Niklas noch mit dem Mörser hantierte, hatte Thomas seinen Teil der Arbeit schon erledigt.

»Ich gehe zu Tisch«, sagte er, »du kommst dann nach.«

Bis Niklas zum Essen erschien, hatten die anderen ihre Mahlzeit bereits beendet und Thomas kehrte ins Brauhaus zurück. Niklas aß allein, ging dann wieder ins Brauhaus, konnte aber Bruder Thomas nicht finden.

Niklas rief nach ihm und lief umher, um ihn zu suchen. Noch nie hatte er seine Arbeit mittendrin verlassen; das heiße Wasser hätte längst aufgegossen werden sollen! Schließlich lief er zum Maischbottich, da erblickte er ihn. Es sah aus wie ein Bild aus der Hölle!

Thomas war anscheinend auf dem Podest gestolpert und mit dem heißen Kessel in den Händen in den Bottich gefallen.

Seine Augen starrten leblos aus dem roten, verbrühten Gesicht. Von den Knien an aufwärts lag er im Bottich mit der heißen Maische, nur seine Füße ragten über den Rand. Kein Zweifel, er war tot!

Der verdrehte Oberkörper und die am Bottichrand festgekrallten Hände zeigten Niklas, dass sein tapferer Lehrmeister noch um sein Leben gekämpft hatte, bevor die Verbrühungen ihm so zugesetzt hatten, dass er aufgab.

Da das neue Brauhaus großzügig bemessen worden war, lag es etwas abseits. Bestimmt hatte Bruder Thomas nach Hilfe gebrüllt und gerade da war er, Niklas, nicht da gewesen.

Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, stand er da und bemerkte, wie ihm die Tränen die Backen hinabliefen.

Er wusste nicht mehr, wie lange er so dagestanden hatte. Schließlich riss er sich zusammen und ging näher an die Leiche heran. Er überlegte, ob er sie allein aus dem Bottich ziehen könnte oder ob er Hilfe holen sollte.

Während er so davor stand und mit sich rang, betrat plötzlich Bernard von Dauerling das Brauhaus. Voller Schrecken erfasste er schnell die Situation und lief los, um Ansgar und andere Helfer herbeizuholen.

Mit vier Mann hievten sie den heißen, verbrühten Körper aus dem Bottich heraus und legten ihn auf den Boden.

»Weißt du, wie das passiert ist?«, herrschte Ansgar Niklas an. »Oder warst es am Ende du, der ihm einen heimtückischen Stoß versetzt hat? Du kannst wohl nicht schnell genug Vorsteher der Brauerei werden?«

Die älteren Männer befragten auch Bernard, ob er etwas gesehen habe, was dieser verneinte. Er gab Niklas mit der Hand ein kurzes Zeichen und grinste ihn mit seinen schiefen Zähnen an, was Niklas so verstand, dass Bernard ihm helfen wollte.

Niklas stand den Vorwürfen völlig fassungslos gegenüber. Er hätte niemals nur im Traum daran gedacht, dass ihm so etwas passieren könnte. Alles, was er die letzten sechs Jahre gelernt hatte, erschien ihm mit einem Mal bedeutungslos.

Erstaunlicherweise fühlte er sich mitschuldig am Tod seines Lehrers.

Am nächsten Tag kamen alle Bewohner des Klosters zusammen. Abt Kilian betrauerte den Tod von Bruder Thomas, lobte seinen Charakter, seinen Glauben und seine Brauer­kenntnisse und verkündete die Vorkehrungen zu seinem Begräbnis.

Dann wandte er sich vor dem versammelten Kapitel an Niklas:

»Niklas, du bist jetzt einige Jahre bei uns hier in Urbrach. Niemals hast du dir etwas zuschulden kommen lassen. Einige unserer Brüder«, mit einem kurzen Seitenblick auf Ansgar, »behaupten, dass du an dem Unfall nicht ganz unschuldig gewesen seist. Ich meine zu sehen, dass deine Trauer echt ist, und glaube dir, dass dich an diesem grauenhaften Unfall keine Schuld trifft. Dennoch gibt es Regeln hier im Kloster. Und eine davon besagt, dass im Fall einer unbewiesenen Anschuldigung ein Gottesurteil zur Anwendung kommt. Diese Vorschrift ist sehr alt und sehr unüblich, und ein Gottesurteil wurde hier bei uns in Urbrach noch niemals ausgeführt. Trotzdem frage ich dich: Wirst du dich diesem Urteil stellen, egal, wie es aussieht und wie es ausgeht? Du solltest wissen, dass aufgrund eines Gottesurteils niemand verurteilt werden kann. Eine Schuldaussage in diesem Falle gilt lediglich innerhalb unseres Ordens. Das Schlimmste, was dir geschehen kann, ist die Verbannung aus Urbrach.«

Niklas zögerte kurz.

»Wenn es Euer Wunsch ist und ich dadurch meine Unschuld beweisen kann, werde ich jedes Gottesurteil annehmen.«

Kilian fuhr fort:

»Wir werden morgen nach der Vesper zusammenkommen, um das Urteil zu vollstrecken.«

Damit war die Versammlung beendet und Niklas verbrachte eine schlaflose Nacht. Er hatte schon von Gottesurteilen gehört, aber nie geglaubt, dass es einmal ihn treffen würde. Es gab zum Beispiel die Methode, jemanden in den Teich zu werfen. Schwamm man oben, war er oder sie schuldig; ging er oder sie unter, galt es als Zeichen der Unschuld.

Niklas hoffte nur, dass Kilian sich ein Gottesurteil ausdachte, bei dem er eine Möglichkeit hatte, mit heiler Haut herauszukommen.

Der nachfolgende Tag tröpfelte für Niklas zäh dahin. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als die kommende Herausforderung schon abgeschlossen zu haben.

Schließlich war es so weit.

Kilian und fünf ausgesuchte Brüder kamen, um ihn abzuholen. Rainald, der Prior Karlmann, ein anderer Kilian, Otto und Michael waren gemeinsam mit dem Abt die ältesten und klügsten Mönche.

Sie gingen zusammen in die Brauerei, in der trotz der aus diesem Anlass verhängten Braupause alle Öfen brannten.

Kilian stellte sich vor Niklas:

»Wir haben lange überlegt, welches Gottesurteil wir dir zukommen lassen. Dabei sind wir zu dem Entschluss gelangt, dass es etwas mit dem Vergehen zu tun haben sollte, dessen man dich bezichtigt. Bruder Thomas ist in der Maische verbrannt, daher wollen wir sehen, ob du der Hitze besser standhalten kannst.«

Niklas fuhr der Schreck in alle Glieder und er konnte einen Schrei gerade noch unterdrücken.

»Wir werden gleich einen heißen, glühenden Stein aus dem Ofen holen und in deine Hand legen. Hältst du den Stein so lange fest, wie diese Sanduhr hier läuft, hat Gott dich diese Prüfung bestehen lassen. Lässt du ihn fallen, musst du uns verlassen.«

Niklas nickte mit dem Kopf, holte tief Luft und versuchte, sich gegen den überwältigenden Schmerz zu wappnen, der ihn gleich erwartete. Einer der Brüder ging zum Ofen, holte mit der Zange einen faustgroßen Stein heraus und kam näher.

Die Sanduhr wurde umgedreht.

Dann setzte der Schmerz ein!

Niklas schrie auf und versuchte mit allen Mitteln, seine Beherrschung zu behalten und den Stein nicht fallen zu lassen.

Und genauso plötzlich, wie der Schmerz gekommen war, war er auch schon wieder vorbei.

Mit einem Mal erkannte Niklas, dass dies nicht viel schlimmer war als dutzende Male vorher, wenn die heiße Maische über seine Hand lief.

Die Hornhaut, die sich über die Jahre auf seiner Hand gebildet hatte, war ihm endlich von Nutzen: Es schmerzte, jedoch nicht so, dass er es nicht aushalten konnte.

Die Sanduhr lief schneller leer, als er dachte. Die sechs Brüder, die im Halbkreis um ihn standen, sahen ihn mit Verwunderung an, unter die sich Achtung mischte.

Kilian entnahm den abgekühlten Stein aus Niklas’ Hand. Ein anderer Bruder schüttete kaltes Wasser über die Hand, legte einige kühlende, minzeartig duftende Kräuter darauf und wickelte ein Tuch darum.

Kilian meinte:

»Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, doch es ist deutlich, dass du den Gottesbeweis eindeutig für dich entschieden hast. Von heute an bist du der Vorsteher unserer Kloster-Brauerei. Und unserem Bruder Ansgar wird ein wenig Eremitendasein gut tun. Vier Wochen lang soll er fasten und beten. Bernard soll in dieser Zeit unsere Brote allein backen.«

Der Bierzauberer

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