Читать книгу Die Scharfrichter - Gregg Hurwitz - Страница 13
8
ОглавлениеReporter drängten sich auf den Stufen des Gerichts wie Tauben, sie zogen Kabel hinter sich her und berichteten bereits erste Eindrücke. Tim fuhr unbemerkt vorbei und bog dann durch das bewachte Tor auf den Parkplatz. Marshal Tanninos Büro und die seiner Chiefs befanden sich in einem stillen, mit Teppich ausgelegten Flur hinter dem Gericht, das eher nach einer Ostküsten-Bibliothek als einem Westküsten-Billigbauunternehmer aussah. Die administrativen Büros befanden sich weiter den Flur hinunter, vorbei an einem riesigen antiken Safe, wie ihn die Marshals im 19. Jahrhundert bei Geldtransporten eingesetzt hatten.
Bear saß in dem kleinen Empfangsraum in einem Sessel, flirtete mit der Assistentin des Marshals und hielt sich dabei eher schlecht als recht, glaubte man ihrem erschöpften Ausdruck. Er erhob sich sofort, als Tim eintrat, und zog ihn in den Flur.
»Ich muss in drei Minuten aussagen, Bear.«
»Ich hab versucht, dich zu erreichen.«
»Wir mussten die Hörer abnehmen. Zu viele ...«
»Vor zwei Tagen war ich bei euch. Abends. Dray sagte, du wärst weg, schießen.« Bear schaute Tim ins Gesicht. »Sie hat dir nicht gesagt, dass ich da war?«
»Wir haben in letzter Zeit nicht viel miteinander geredet.«
»Großer Gott, Rack. Warum zum Teufel nicht?«
Eine Stichflamme Ärger, die Tim niederdrückte. »Hör mal, ich muss mich jetzt auf meine Aussage über den Schusswechsel konzentrieren.«
»Deswegen bin ich hier.« Bear nahm einen tiefen Atemzug, hielt ihn einen Augenblick. »Sie wollen dich reinlegen.«
»Wie meinst du das?«
»Hast du Nachrichten gesehen?«
»Nein, Bear. Ich habe mich mit Wichtigerem beschäftigt. Zum Beispiel, meine Tochter zu begraben.« Bear trat einen Schritt zurück, Tim atmete tief durch, dann drückte er mit Daumen und Zeigefingern fest auf seine Augen. »So wollte ich das nicht sagen.«
»Die Berichte sind ziemlich übel. Da ist dieses Abklatsch-Foto ...«
»Das habe ich gesehen.«
Bear senkte die Stimme, als ein paar Anzugträger vorbeigingen. »Sie gehen damit um wie mit dem INS-Mitarbeiter, der Elián González mit der MP5 ins Gesicht geschossen hat. Außerdem hat auch noch ein mexikanischer Al Sharpton aus Texas seine Trommel hervorgeholt ...«
»Das ist doch lächerlich. Heidel war weiß, und unser halbes Team bestand aus Latinos.«
»Aber auf dem Foto sind Denley und Maybeck, und die sind beide weiß. Das ist alles, was noch interessiert – das verdammte Foto, nicht die Tatsachen.«
Tim hob die Hände, eine Geste der Kapitulation. »Ich kann doch nichts für die Presseberichte.«
»Wie auch immer, du wirst da drin nicht einfach nur deine Aussage wiederholen können. Mitglieder des Shooting Review Board sind aus dem Hauptquartier eingeflogen. Sie werden dich richtig in die Mangel nehmen.«
»Schon in Ordnung. Es war eine große Sache. Es gibt Vorschriften für so etwas. Ich verstehe.«
»Hör mal, Rack, wenn die Sache aus dem Ruder läuft, wenn sie dich verklagen, dann vertrete ich dich. Ist mir egal, ob ich dafür kündigen muss – ich krieg dich da raus.«
»Ich wusste, das Jurastudium macht dich paranoid.«
»Ich meine es ernst, Rack. Ich weiß, ich bin bloß ein Blödmann, der an der Abendschule war, aber ich kann dich umsonst vertreten, und ein richtiger Anwalt kann sich um die harten Sachen kümmern.«
»Ich weiß das zu schätzen, Bear. Vielen Dank. Aber es wird alles in Ordnung gehen.«
Die Assistentin des Marshals streckte den Kopf in den Flur. »Sie sind bereit, Sie zu sehen, Deputy Rackley.« Sie zog sich zurück, ohne Bear auch nur anzusehen.
»›Deputy Rackley‹«, wiederholte Tim, von ihrer Förmlichkeit irritiert.
»Ich wollte dich bloß warnen.«
»Vielen Dank.« Tim tippte gegen Bears Rippen. »Wie geht’s den blauen Flecken?«
Bear bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. »Tut gar nicht mehr weh.«
Tim ging wieder in den Empfangsraum. Als er zurückschaute, sah Bear ihm immer noch nach.
Der große Ziegel von Kassettenrekorder rauschte hypnotisch auf der Ecke des lang gezogenen Tisches. Tims Stuhl, mittelgroß und billig bezogen, war kein Vergleich zu den hochlehnigen, mit schwarzem Leder gepolsterten Teilen, auf denen seine Fragesteller ihm gegenüber saßen. Tim drückte unauffällig am Griff unter dem Sitz herum, um ihn höher zu stellen.
Mit endloser Genauigkeit waren sie jede Feinheit von Tims Bericht über seine Schüsse auf Gary Heidel und Lydia Ramirez durchgegangen. Der Mann von der Dienstaufsichtsbehörde war gar nicht so schlimm, aber die Frau aus der Ermittlungsstelle und der Typ aus der Rechtsabteilung waren Kampfhunde im Anzug. Tims Stirn war feucht, aber er wischte sie nicht trocken.
Die Frau löste ihre überkreuzten Beine voneinander und beugte sich vor, ihr Finger folgte etwas in der Akte vor ihr. »Sie behaupten, Sie seien aus der Straße herausgelaufen und hätten gesehen, wie Carlos Mendez nach seiner Waffe greift?«
»Ja.«
»Haben Sie Mr. Mendez eine Warnung zukommen lassen?«
»Das Abfeuern von Warnschüssen ist uns untersagt.«
»Ebenso wie das Abgeben von Schüssen auf fliehende Verdächtige, Deputy Rackley.«
Der Inspektor der Dienstaufsichtsbehörde schaute sie mit gerunzelter Stirn an. Er war älter, wahrscheinlich war er zu IA gewechselt, um noch ein paar Dienstjahre einzufahren, bevor er in Rente ging. Tim erinnerte sich, dass der Mann sich als Dennis Reed vorgestellt hatte. »Das war nicht nur ein fliehender Verdächtiger, Deborah. Er war bewaffnet und hatte vor, zu schießen.«
Sie vollführte eine beruhigende Geste mit den Händen. »Haben Sie eine mündliche Warnung an Mr. Mendez abgegeben?«
»Wir haben in den vorhergehenden sieben Minuten ohne jeden Erfolg mündliche Warnungen von uns gegeben. Zwei Menschen waren bereits tot, da die Flüchtigen diesen Warnungen nicht Folge leisteten.«
»Haben Sie direkt, bevor Sie auf Mr. Mendez schossen, eine weitere mündliche Warnung abgegeben?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es blieb keine Zeit.«
»Es blieb keine Zeit, dass Sie irgendeine endgültige Warnung abgeben konnten?«
»Genau das habe ich gerade gesagt.«
»Aber Sie hatten genug Zeit, Ihre Waffe zu ziehen und drei Schüsse abzugeben?«
»Die letzten beiden Schüsse waren irrelevant.«
Wenn Reeds Grinsen etwas zu bedeuten hatte, dann gefiel ihm Tims Antwort.
»Lassen Sie mich meine Frage anders formulieren. Es blieb Ihnen genug Zeit, Ihre Waffe zu ziehen und den ersten Schuss abzugeben, aber nicht für eine weitere mündliche Warnung?«
»Ja.«
Sie täuschte unglaubliches Erstaunen vor. »Wie ist das möglich, Deputy Rackley?«
»Ich kann sehr schnell ziehen, Ma’am.«
»Verstehe. Und Sie sorgten sich, dass Mr. Mendez auf Sie schießen würde?«
»In erster Linie galt meine Sorge der Sicherheit anderer. Wir befanden uns auf einer Straße voller Zivilisten.«
»Darf ich das so verstehen, dass Sie sich keine Sorgen machten, dass er auf Sie schießen würde?«
»Ich dachte, er würde wahrscheinlich erst mal auf einen der Polizisten vor ihm schießen.«
»›Dachte‹«, sagte der Rechtsverdreher. »›Wahrscheinlich.‹«
»Korrekt«, sagte Tim. »Bloß habe ich die Worte in einem vollständigen Satz verwendet.«
»Sie müssen sich nicht verteidigen, Deputy Rackley. Wir sind hier alle auf derselben Seite.«
»Aha«, sagte Tim.
Die Frau blätterte in der Akte, dann runzelte sie die Stirn, als hätte sie gerade etwas entdeckt. »Im Bericht der Spurensicherung steht, dass Mr. Mendez’ Waffe immer noch hinten in seiner Jeans steckte, als sie seine Leiche untersuchten.«
»Dann sollten wir dankbar sein, dass er nicht die Gelegenheit hatte, sie zu ziehen.«
»Er hat also nicht versucht, seine Waffe zu ziehen?«
Tim sah zu, wie die Räder des Aufnahmegerätes ihre lethargischen Kreise drehten. »Ich sagte, er hatte nicht die Gelegenheit, sie zu ziehen. Er versuchte aber, sie zu ziehen.«
»Wir haben unterschiedliche Augenzeugenberichte über diese Tatsache.«
»Ich war der Einzige hinter ihm.«
»Aha. In der kleinen Gasse.«
»Das stimmt.« Tim ließ den Atem zwischen seinen Zähnen hindurchströmen. »Wie ich schon sagte, er war eindeutig ...«
»Eine Bedrohung der Sicherheit anderer«, sagte sie. Seine Rezitation der Vorschrift zum Einsatz tödlicher Gewalt ließ sie höhnisch klingen, wie eine Parodie.
Der Jurist richtete sich auf seinem Stuhl auf, ganz offensichtlich empfand er dies als Startschuss. »Sprechen wir einmal über die ›Sicherheit der anderem. Hatten Sie das Ziel im Visier?«
Reed schnitt eine Grimasse. »Wenn Sie sich mal die Leiche anschauen, dann muss man davon ausgehen, dass er den Kerl verdammt gut im Visier hatte, Pat.«
Pat ignorierte ihn und sprach weiter zu Tim. »Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass Zivilisten im Hintergrund standen, als Sie den Schuss abgaben? Eine ganze Menge sogar?«
»Ja. Diesen Zivilisten galt meine Sorge. Deswegen habe ich mich entschieden, einen tödlichen Schuss abzugeben.«
»Wenn Sie ihn verfehlt hätten, dann hätte Ihre Kugel mit allergrößter Wahrscheinlichkeit einen dieser Zivilisten getroffen.«
»Das ist ausgesprochen fragwürdig.«
»Aber was, wenn Sie ihn verfehlt hätten?«
»Beim Einsatz-Briefing wurden wir eindeutig darüber informiert, dass die Flüchtigen nichts zu verlieren hatten, und dass sie mit Sicherheit nicht bereit wären, sich verhaften zu lassen. Mendez’ Verhalten, von dem Augenblick an, in dem er Beihilfe dazu leistete, mich als Geisel zu nehmen, bestätigte diese Informationen eindeutig. Er war, wie Heidel und Ramirez, bereit, egal wie viele Menschen zu töten, um einer Verhaftung zu entgehen. Insofern war es eine einfache Rechnung: Meine Chance, ihn auszuschalten, war viel größer, als die Chance, dass er niemanden tötete, wenn er erst einmal seine Waffe gezogen hätte.«
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Deputy Rackley.« Kindell schob sich einen Kugelschreiber hinters Ohr und verschränkte die Arme. »Was, wenn Sie ihn verfehlt hätten?«
»Als Ranger habe ich durchgehend zwanzig aus zwanzig bei den Pistolenprüfungen geschossen, und als Deputy Marshal wurde ich sechsmal nacheinander qualifizierter Dreihunderter-Schütze. Ich hatte nicht vor, ihn zu verfehlen.«
»Na, wunderbar. Aber ein Deputy Marshal im Einsatz muss in der Lage sein, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.«
Reed beugte sich vor und ließ seine Ellenbogen auf den Tisch sacken. »Nur weil er sich bereit erklärt hat, Fragen zu beantworten, haben Sie nicht das Recht, ihn über Kohlen zu zerren. Zu jeder Entscheidung, einen Todesschuss abzugeben, gehört ein subjektives Element. Wenn Sie je eine Waffe getragen hätten, wäre Ihnen das klar.«
»Aber sicher, Dennis. Ich hab mir auch sagen lassen, eine Knarre lässt einen das Gesetz gleich viel besser interpretieren.«
Reed zeigte auf Pat. »Passen Sie auf. Ich lasse nicht zu, dass Sie einen guten Deputy in den Schmutz ziehen. Nicht in meiner Gegenwart.«
»Machen wir weiter«, sagte die Frau. »Soweit ich weiß, haben Sie in letzter Zeit ein persönliches Trauma erlitten?«
Tim wartete mehrere Sekunden, bevor er antwortete. »Ja.«
»Ihre Tochter wurde ermordet?«
»Ja.« Trotz aller Bemühungen kroch ein wenig Empörung in seine Stimme.
»Glauben Sie, dieses Ereignis könnte Ihr Handeln während des Schusswechsels beeinflusst haben?«
Er spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. »Dieses ›Ereignis‹ hat jeden Augenblick meines Lebens beeinflusst. Aber es hat meine professionellen Einschätzungen nicht verändert.«
»Sie glauben nicht, dass Sie möglicherweise ... aggressiv oder ... rachedurstig auftreten?«
»Hätte ich nicht um mein Leben und um das Leben anderer gefürchtet, hätte ich alles unternommen, was in meiner Macht steht, um diesen Flüchtigen lebend zu verhaften. Alles, was in meiner Macht steht.«
Pat lehnte sich zurück und formte ein kleines Dach mit seinen pummeligen Fingern. »Wirklich?«
Tim stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Ich bin ein Deputy US Marshal. Komme ich Ihnen vor wie ein Söldner?«
»Hören Sie ...«
»Ich rede nicht mit Ihnen, Ma’am.« Tim löste seinen Blick nicht von Pat. Dieser blieb zurückgelehnt, die Finger aneinander gepresst. Als klar wurde, dass er nicht antworten würde, streckte Tim den Arm aus und schaltete das Aufnahmegerät ab. »Ich habe Ihre Fragen beantwortet. Alle weiteren Fragen richten Sie bitte an meinen FLEOA-Vertreter.«
Reed erhob sich, als Tim ging, aber Pat und die Frau blieben sitzen. Im Gehen konnte Tim hören, wie Reed sie anherrschte. Die Assistentin des Marshals erhob sich, als er an ihr vorbeiging in Richtung von Tanninos Büro.
»Tim, er bespricht sich gerade mit jemand. Sie können nicht einfach ...«
Tim klopfte an der Tür des Marshals, öffnete sie. Tannino saß hinter einem riesigen Holzschreibtisch. Ein übergewichtiger Mann in einem dunklen Anzug lümmelte auf der Couch ihm gegenüber und rauchte eine braune Zigarette.
»Marshal Tannino, es tut mir sehr leid, Sie zu stören, aber ich muss einen Augenblick mit Ihnen sprechen.«
»Natürlich.« Tannino wechselte ein paar Worte auf Italienisch mit dem Mann, während er ihn hinausgeleitete. Er schloss die Tür, dann wedelte er mit der Hand durch den Zigarettenrauch und schüttelte den Kopf. »Diplomaten.« Er deutete auf die Couch. »Bitte setzen Sie sich.«
Obwohl Tim es nicht wollte, setzte er sich. Sein Anzughemd war an den Schultern ein wenig zu eng.
»Ich werde Ihnen keine Lügen erzählen, Rackley. Die Presse ist schlimm. Ich weiß schon, Sie waren keiner der Blödmänner, die sich abgeklatscht haben, aber Sie sind der Schütze, und wir wissen beide, dass der Schütze immer den Ärger kriegt. Ob verdient oder nicht, wir haben bei dieser Sache ein blaues Auge kassiert. Aber hier ist die gute Nachricht: Das Shooting Review Board tritt nächste Woche im Hauptquartier zusammen, und sie werden alles abnicken.«
»So sieht das für mich nicht aus. Mir erschien es, als suchten sie nach einem Sündenbock für eine Angelegenheit, die keinen erfordert.«
»Sie werden die Sache abnicken. Alle schriftlichen Stellungnahmen liegen vor und passen zueinander. Sie haben bloß ein paar Leute hergeschickt, um Ihre Aussage noch mal intern zu überprüfen, damit sie die Sache nicht nach außen geben müssen. Wir wollen nicht auch noch das FBI involvieren. Oder irgendeinen Staatsanwalt, der sich einen Namen machen will.«
»Und was ist die schlechte Nachricht?«
Tannino blies die Wangen auf und seufzte. »Wir werden Sie eine Weile leichten Dienst machen lassen. Sie können nicht auf die Straße, bis die Presse sich beruhigt hat. In ein paar Monaten verpassen wir Ihnen dann eine neue Dienstwaffe.«
Zuerst war Tim nicht sicher, dass er Tannino richtig verstanden hatte. »In ein paar Monaten?«
»Es ist keine große Sache – Sie werden einfach Analysesachen bearbeiten, statt im Feld zu sein.«
»Und während ich meine Ausbildung dazu verwende, irgendwelche Schichtpläne zu erstellen, was wird der unvergleichliche Presseapparat über mich verkünden?«
Tannino stand auf und ging ein paar Schritte hinüber zu einem alten Walker-.44-Bürgerkriegsrevolver, in den man noch Kugel und Schießpulver von Hand hatte einfüllen müssen, und der nun in Plexiglas gegossen an der Wand hing. Ein schwarzer Plastikkamm ragte aus der hinteren Hosentasche seiner Anzughose. »Dass Sie sich ganz verantwortungsbewusst in einen Kurs zur Zügelung Ihres Temperaments eingeschrieben haben.«
»Unter keinen Umständen.«
»Das ist alles. Es hat nichts zu sagen. Dann kann das Hauptquartier hinter Ihrer Entscheidung stehen, einen tödlichen Schuss abgegeben zu haben, und wir sind alle wieder eine große glückliche Familie.«
»Was hat das damit zu tun, dass Maybeck und Denley sich abklatschen?«
»Absolut nichts. Aber in diesem Scheißspiel geht es nur um den Anschein, wie Sie sehen werden, wenn Sie je das Pech haben, auf meine Flughöhe zu gelangen. Und der Anschein – wegen dieses gottverdammten Fotos – ist nun einmal, dass wir eine Bande blutrünstiger, draufgängerischer Ballermänner sind. Wenn wir darauf hinweisen, dass der Schütze die entsprechenden Problembereiche psychologisch angeht, dann können wir diesem Bild etwas entgegensetzen, und die Papierpupser im Puzzlepalast können wieder ihren normalen Dienst aufnehmen, der darin besteht, genau gar nichts zu tun. Ich darf mich in der Zwischenzeit mit dem Vergnügen herumschlagen, an allen Fronten mit diesem Mist zu kämpfen und einen meiner besten Deputies – ungerechtfertigterweise – zu bitten, es für uns auszusitzen.« Seine Grimasse deutete mehr Reue als Abscheu an. »Das System bei der Arbeit.«
Tim erhob sich. »Es war ein guter Einsatz.«
»Gute Einsätze sind so eine Sache. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, worum ich Sie bitte, Rackley, aber Ihre Karriere liegt noch vor Ihnen.«
»Aber offenbar nicht im US Marshals Service.« Tim hakte die lederne Halterung seiner Marke von seinem Gürtel los und legte sie auf Tanninos Schreibtisch.
Tannino, der selten wütend wurde, packte sie und warf damit nach Tim. Sie klatschte gegen seine Brust. »Ich akzeptiere Ihre Kündigung nicht, gottverflucht noch mal. Nicht unter diesen Umständen. Lassen Sie sich Zeit – ein kleiner Urlaub – meinetwegen ein paar Wochen. Treffen Sie jetzt keine Entscheidung, nicht unter diesen Umständen.« Er sah müde und alt aus, und Tim verstand, wie sehr es Tannino schmerzen musste, sich auf eine Art abzusichern, die er selbst stets als feige gehasst hätte.
»Das werde ich nicht tun.«
Tannino sprach jetzt leiser. »Das müssen Sie leider. Bei allem anderen kann ich Sie beschützen. Allem.«
»Es war ein guter Einsatz.«
Diesmal sah Tannino ihm in die Augen. »Ich weiß.«
Respektvoll legte Tim seine Marke zurück auf Tanninos Schreibtisch, dann ging er.