Читать книгу Die Scharfrichter - Gregg Hurwitz - Страница 14
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ОглавлениеAuf Tims Nachhauseweg quälte sich ein weißer Camry neben ihm durch den Mittagsverkehr. Eine Bewegung ließ ihn auf den Rücksitz des Wagens schauen. Dort drückte ein kleines Mädchen in einem gelben Kleid sein Gesicht an die Fensterscheibe, um die Fahrer der übrigen Autos zu erschrecken.
Tim sah sie an. Sie presste ihre Nase an die Scheibe, aufwärts wie ein Schweinchen. Sie schielte und streckte die Zunge heraus. Sie tat so, als popelte sie. Ihre Mutter schaute entschuldigend zu Tim herüber.
Der Wagen blieb mehr oder weniger neben ihm, er fuhr und bremste im gleichen Rhythmus. Er versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren, aber die Bewegungen des Mädchens und sein leuchtendes Kleid zogen seinen Blick immer wieder an. Als die Kleine bemerkte, dass Tim wieder zu ihr hinschaute, zerrte sie ihre blonden Haare zu Pippi-Langstrumpf-Zöpfen. Sie lachte unschuldig mit offenem Mund, wie es nur Kinder können. Als das Mädchen jedoch auf Tims Gesicht nach einer Reaktion suchte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich. Das Lachen verblasste, dann verschwand es, ersetzt durch Unsicherheit. Das Mädchen glitt auf seinen Sitz zurück, es verschwand aus Tims Blickfeld, abgesehen von der Oberseite des Kopfes.
Als Tim nach Hause kam, war sein Hemd durchgeschwitzt. Er ging hinein und hängte sein Jackett über einen Küchenstuhl. Dray saß auf der Couch und schaute Nachrichten. Sie wandte sich um, betrachtete ihn und sagte: »Oh, nein.«
Tim ging zu ihr hinüber und setzte sich neben sie. Die piepsige KCOM-Nachrichtensprecherin Melissa Yueh berichtete von der Schießerei. Die Grafik einer Pistole erschien in der rechten oberen Bildschirmecke, vor einem Schattenriss zweier sich abklatschender Hände. Tims ganz persönliches Logo. Darunter stand in Großbuchstaben: SCHLACHTFEST VOR DEM MARTÍA DOMEZ HOTEL.
»Ist es so schlimm gelaufen, wie du guckst?«, fragte Dray.
»Sie wollen herausgeben, dass ich an einem Kurs zur Zügelung meines Temperaments teilnehme, und mich dann an den Schreibtisch verbannen, bis die Sache in Vergessenheit geraten ist. So können sie sich von allem freisprechen, ohne irgendein Schuldeingeständnis abgeben zu müssen.«
Dray streckte den Arm aus und legte die Hand auf seine Wange. Sie war warm und ungeheuer beruhigend. »Scheiß drauf.«
»Ich hab gekündigt.«
»Natürlich. Darüber bin ich froh.«
Eine gut aussehende afroamerikanische Reporterin erschien auf dem Bildschirm, sie holte Meinungen von Passanten über den Schusswechsel ein. Ein übergewichtiger Mann mit einem kleinen Ziegenbärtchen, der seine Dodgers-Kappe verkehrt herum trug – genau der richtige Mann von der Straße für diese Zielgruppe und Sendezeit –, gab begeistert seine Meinung von sich. »Ich sehe es so, wenn einer vor den Bullen wegläuft, hat er’s verdient, abgeknallt zu werden. Drogendealer, Copkiller, Mann, ich bin dafür, wir knallen die alle schon ab, bevor der Hammer des Richters fällt. Dieser US-Marshal-Typ, ich hoffe, er kommt damit durch.«
Na toll, dachte Tim.
Als Nächstes setzte eine Frau mit schreiend grünem Eyeliner hinzu: »Unsere Kinder leben sicherer ohne solche Drogendealer. Mir ist egal, wie die Polizei es schafft, Hauptsache, sie verschwinden von den Straßen.«
»Sieh dir diese Leute an«, sagte Tim. »Die haben keine Ahnung, worum es geht.« Die Bitterkeit in seiner Stimme überraschte ihn.
Dray sah zu ihm herüber. »Immerhin hast du ein paar Verbündete.«
»Solche Verbündeten sind schlimmer als Feinde.«
»Sie können sich vielleicht nicht so gut ausdrücken, aber sie haben Ahnung von Gerechtigkeit.«
»Aber keine Ahnung von Gesetzen.«
Sie rutschte auf dem Sofa herum, verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Du glaubst, die Gesetze ergeben am Ende Gerechtigkeit, aber so ist es nicht. Es gibt Spalten und Risse, Durchlässe und Windungen. Es gibt Pressearbeit, Wahrnehmung, Gefälligkeiten, und manche Dinge gehen einfach schief. Sieh doch nur, was mit dir passiert ist. War das Gerechtigkeit? Wohl kaum. Das ist eine große, sich selbst reinigende Maschine, die einfach vorwärts walzt und dich unter sich begräbt. Und sieh dir doch an, wie sie den Mord an Ginny untersuchen. Wir werden nie erfahren, was wirklich passiert ist, wer dahintersteckt.«
»Und du bist wütend auf mich, weil ...?
»Weil meine Tochter ermordet wurde ...«
»Unsere Tochter.«
»... und du die Gelegenheit hattest – eine einzigartige Gelegenheit –, für Gerechtigkeit zu sorgen. Und stattdessen hast du dich an das Gesetz gehalten.«
»Es wird Gerechtigkeit geben. Morgen.«
»Und was, wenn sie nicht vollstrecken?«
»Dann rottet er den Rest seines Lebens in einer Gefängniszelle vor sich hin.«
Drays Gesicht lief rot an, es war beängstigend. Sie bohrte eine Faust in ihre Handfläche. »Ich will, dass er stirbt.«
»Und ich will, dass er redet. Er soll rausrücken, was wirklich passiert ist. Damit wir wissen, ob es noch jemanden gibt, noch jemand, der für den Tod unserer Tochter verantwortlich ist.«
»Wenn du ihn einfach erschossen hättest, statt ihn zu fragen, dann hätte sich uns dieses Rätsel nie gestellt. Dieses Nichtwissen. Das ist schrecklich. Es ist schrecklich, nichts zu wissen – und zu glauben, jemand wäre dort draußen, jemand, den wir vielleicht kennen oder auf der Straße sehen, und wir würden nie darauf kommen ...«
Ihr Gesicht fiel in sich zusammen, und Tim rückte näher, um sie in die Arme zu nehmen, aber sie stieß ihn weg. Sie erhob sich, um ins Schlafzimmer zu gehen, blieb aber in der Tür stehen. Ihre Stimme war heiser und unsicher. »Das mit deinem Job tut mir leid.«
Er nickte.
»Und ich weiß, dass es mehr für dich war als nur ein Job.«
Der morgendliche Regen war abgeklungen, zurück blieb eine feuchte, lähmende Hitze, die das gesamte Gerichtsgebäude durchdrang. Tim hatte vor Erschöpfung und Stress Kopfschmerzen. Während der letzten Nacht hatte er sich auf der Couch hin- und hergewälzt, ohne schlafen zu können. Er schwitzte seine Frustration über das Shooting Review Board heraus und dachte über die bevorstehende Anhörung nach. Er sah das kleine Mädchen in dem Camry vor sich, ihre blassen, dünnen Arme. Ginnys Gesicht im Leichenschauhaus, als er das Laken zurückgeschlagen hatte. Die Haarlocke, die sich in ihrem Mundwinkel verfangen hatte. Der Fingernagel, den sie am Tatort gefunden hatten – abgerissen, während sie verzweifelt versuchte, sich zu wehren.
Sein Geist wurde zu feindlichem, tückischem Gelände. Immer geringere Bereiche konnte er friedlich für sich beanspruchen.
Dray saß neben ihm, steif vorgebeugt, die Hände auf der Rückenlehne der Bank vor ihnen gekreuzt. Sie waren früh gekommen und saßen in der letzten Reihe, erfüllt von unausgesprochenem Elend. Als Kindell von einem jungen Sheriffs Deputy und dem schäbig gekleideten Verteidiger hereingeführt worden war, hatte er weder so bedrohlich noch so widerlich ausgesehen, wie Tim sich an ihn erinnerte. Das enttäuschte ihn. Wie die meisten Amerikaner bevorzugte er es, wenn das Böse auch entsprechend aussah.
Die Staatsanwältin, eine kluge, gut vorbereitete Frau Anfang dreißig, hatte sich kurz vor Beginn der Anhörung einen Augenblick mit Tim und Dray zusammengesetzt. Sie hatte ihnen ihr Beileid ausgesprochen. Nein, sie würde den Fall nicht auf einen Komplizen abstellen, denn das könnte Kindell die Möglichkeit eröffnen, sein Strafmaß zu reduzieren. Ja, sie würde Kindells Arsch an die Wand nageln.
Trotz ihres prüden Namens – Constance Delaney – war sie eine Tigerin, sie hatte eine ausgezeichnete Verurteilungsrate. Sie eröffnete energisch, sie wehrte den Antrag der Verteidigung ab, die hohe Kaution herabzusetzen. Sie vernahm geschickt Deputy Fowler und setzte alles daran, einen hinreichenden Verdacht zu erhärten, was notwendig war, damit das Verfahren tatsächlich eröffnet wurde. Gleichzeitig gab sie so wenig wie möglich von ihrer Strategie preis. Fowler sprach deutlich, ohne dabei dressiert zu klingen. Er erwähnte Tims und Bears Anwesenheit bei Kindell nicht, ohne jedoch etwas auszusagen, dem man widersprechen könnte. Die verspätete Ankunft der Spurensicherung am Tatort kam nicht zur Sprache.
Kindell saß aufrecht, er verfolgte das Verfahren aufmerksam, sein Kopf schwang zwischen Delaney und Fowler hin und her. Erst beim Kreuzverhör begann alles auseinander zu brechen.
»Und natürlich verfügten Sie über einen Durchsuchungsbefehl, um Mr. Kindells Haus zu betreten ...?« Der Verteidiger schlurfte näher an den Zeugenstand heran, gelbe Notizblätter in der Hand. Delaney stützte ihr Kinn auf ihre Faust und machte Notizen.
»Nein. Wir haben angeklopft und uns vorgestellt. Wir haben ihn gefragt, ob wir uns umsehen dürfen. Er hat sich eindeutig mündlich damit einverstanden erklärt, dass wir seine Behausung durchsuchen.«
»Verstehe. Und Sie fanden dann Folgendes« – ein Augenblick verging, während der Verteidiger mit seinen Zetteln raschelte –, »eine Metallsäge und Lappen, die befleckt waren mit etwas, was später als das Blut des Opfers identifiziert wurde, sowie Wagenspuren, die zu denen am Tatort passten?«
»Ja.«
»Und Sie haben alle diese Dinge entdeckt, nachdem er sich mit einer Durchsuchung seiner Behausung einverstanden erklärte?«
»Ja.«
»Ohne Durchsuchungsbefehl?«
»Wie ich schon sagte ...«
»Einfach nur ja oder nein, bitte, Deputy Fowler.«
»Ja.«
»Und danach haben Sie ihn verhaftet?«
»Ja.«
»Sie sind absolut sicher, Deputy Fowler, dass Sie Mr. Kindell seine Miranda-Rechte verlesen haben?«
»Einhundert Prozent.«
»War das, bevor oder nachdem Sie Mr. Kindell Handschellen angelegt haben?«
»Währenddessen, denke ich.«
»Denken Sie?« Der Verteidiger ließ ein paar Blätter fallen und beugte sich herunter, um sie aufzuheben. Tim bekam das Gefühl, dass sein Auftritt als ungeschickter Anwalt nur eine Show war.
»Ich habe ihm seine Miranda-Rechte vorgelesen, während ich ihm Handschellen anlegte.«
»Er hat Sie also nicht angesehen?«
»Nicht die ganze Zeit. Er wurde umgedreht. Wir legen Verdächtigen standardmäßig die Handschellen von hinten an.«
»Aha.« Der Verteidiger tippte sich mit dem Bleistift gegen die Oberlippe. »Ist Ihnen bekannt, Deputy Fowler, dass mein Klient juristisch anerkanntermaßen taub ist?«
Delaneys Hand sackte herunter, schlug auf den Tisch und durchbrach die Stille im Gerichtssaal. Richterin Everston, eine kleine, sauergesichtige Frau Ende sechzig, raschelte mit ihrer schwarzen Robe, als hätte sie einen Schock erlitten. Dray presste sich die Hand so fest über den Mund, dass ihre Nägel rote Striemen auf der Wange hinterließen.
Fowler richtete sich auf. »Nein. Das ist er nicht. Er hat alles verstanden, was wir zu ihm gesagt haben.«
Mit brennendem Magen erinnerte Tim sich an Kindells undeutliche Stimme, seine merkwürdige Satzmelodie. Kindell hatte nur geantwortet, wenn man direkt mit ihm sprach, wenn er den Sprecher sehen konnte. Tims Brust wurde eng, eine Klemme zog sich zu.
Der Verteidiger wandte sich an Richterin Everston. »Mr. Kindell hat vor neun Monaten bei einer Explosion in einer Fabrik sein Hörvermögen verloren. Sein behandelnder Arzt wartet im Flur, ich kann ihn als Zeugen aufrufen, um zu bestätigen, dass er eindeutig taub ist, und ich kann zwei voneinander unabhängige, vollständige audiologische Berichte vorlegen, die beidseitige Taubheit nachweisen.« Er hob einen Umschlag, aus dem sofort alle Blätter heraussegelten, dann sammelte er sie wieder ein und reichte sie der Richterin.
Delaneys Stimme fehlte die übliche Selbstsicherheit. »Einspruch, Euer Ehren. Diese Berichte sind Hörensagen.«
»Euer Ehren, diese Berichte wurden vom USC County Medical aufgrund Inpflichtnahme Dritter direkt einem Gericht zugestellt, somit sind sie als offizielle Dokumente von der Hörensagen-Problematik ausgenommen.«
Delaney setzte sich. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Richterin Everston die Unterlagen.
»Mr. Kindell kann Lippen lesen, Euer Ehren, wenn auch nur in geringem Umfang – er hat es nie richtig gelernt. Wenn er während der Belehrung Handschellen angelegt bekam, hat er Deputy Fowlers Mund nicht gesehen. Es ist ohnehin fragwürdig, ob er seine Miranda-Rechte hätte verstehen können, aber so war es endgültig unmöglich. Er hat sein Geständnis ohne Kenntnis seiner Rechte abgelegt.«
Delaney unterbrach. »Euer Ehren, wenn diese Beamten guten Glau ...«
Richterin Everston schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Sie sollten es besser wissen, als es mit ›gutem Glauben‹ zu versuchen, Ms. Delaney.« Um Richterin Everstons Mund bildeten sich Falten. »Wenn Mr. Kindell tatsächlich taub ist, wie es die Verteidigung behauptet, stellt das ein ganz klares Miranda-Problem dar.«
Der Verteidiger verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen. »Darüber hinaus beantragt die Verteidigung, dass alle Beweisstücke, die im Haus meines Klienten aufgefunden wurden, nicht zugelassen werden, denn die Durchsuchung verletzt seine durch die Verfassung garantierte Privatsphäre.«
Drays Stimme, winzig und angespannt, drang unter der Hand hervor, mit der sie ihren Mund bedeckte. »Oh Gott.«
Delaney war aufgesprungen. »Selbst wenn der Angeklagte anerkanntermaßen taub sein sollte, kann er dennoch eine rechtlich bindende Zustimmung zu einer Hausdurchsuchung abgeben. Die Beweise dürfen daher nicht abgewiesen werden.«
»Mein Mandant ist taub, Euer Ehren. Wie um Himmels willen könnte er in voller Kenntnis und freiwillig seine Zustimmung zu einer Hausdurchsuchung geben, wenn er noch nicht einmal die Frage hören kann?«
Kindell wandte sich um, er reckte den Hals, um Tim und Dray auszumachen. Sein Lächeln war weder bösartig noch stolz; es war das zufriedene Grinsen eines Kindes, das etwas behalten konnte, was es gestohlen hatte. Drays Gesicht war bleich, und Tim war sehr sicher, dass seines genauso aussah.
»Verfügen Sie über weitere dingliche Beweise, Ms. Delaney, die Mr. Kindell mit dem Tatort und dem Verbrechen in Verbindung bringen?« Richterin Everstons knochiger Finger fuhr aus den Falten ihrer Robe und zeigte mit kaum verhohlenem Abscheu auf Kindell.
»Abgesehen von dem, was wir bei ihm zu Hause gefunden haben?« Delaneys Nasenlöcher weiteten sich. Auf ihren Wangen und ihrem Dekolleté hatten sich rote Flecken gebildet. »Nein, Euer Ehren.«
Richterin Everston stieß ein Geräusch aus, das stark nach »gottverdammt« klang. Sie starrte den Verteidiger an. »Eine halbe Stunde Verhandlungspause.« Sie ging; sie nahm die Hörtests mit und schien nicht zu bemerken, dass der halbe Gerichtssaal vergessen hatte, sich zu erheben.
Dray beugte sich vor, als glaubte sie, sich übergeben zu müssen. Sie bohrte ihre Ellenbogen in ihren Magen. Tim litt unter einem so massiven Schock, dass es in seinen Ohren zu summen begann und er unter Tunnelblick litt.
Die Pause schien Jahre zu dauern. Delaney schaute dann und wann zu ihnen herüber, nervös tippte sie mit ihrem Kugelschreiber auf ihren Notizblock. Tim saß betäubt da, bis der Gerichtsdiener hereinkam und um Ordnung bat.
Richterin Everston hob ihre Robe an, als sie auf der Richterbank Platz nahm, sie wirkte klein, bis sie sich setzte. Sie betrachtete einen Augenblick lang einige Blatt Papier, als müsste sie sich zusammenreißen, um weiterzumachen. Als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme schwer, und Tim wusste sofort, dass sie schlechte Nachrichten zu verkünden hatte.
»Es gibt Momente, in denen unser Strafsystem, das die Persönlichkeitsrechte schützt, sich geradezu gegen uns zu verschwören scheint. Es gibt Momente, in denen die Mittel einen grausamen Zweck zu heiligen scheinen, und wir müssen die Augen schließen und die Medizin herunterwürgen, um zur Gesamtgesundheit beizutragen, obwohl wir wissen, dass ein kleiner Teil von uns stirbt. Dies ist so ein Fall. Dies ist eines der Opfer, das wir bringen müssen, um in Freiheit zu leben, und dieses Opfer wird zu Unrecht einigen wenigen abverlangt.« Reuevoll sah sie hinüber zu Tim und Dray in der hintersten Reihe. »Ich kann nicht guten Gewissens Beweise zulassen, die ohnehin mit Sicherheit vom nächsten Gericht abgelehnt werden. Die Hörtests stellen ganz eindeutig Mr. Kindells beidseitige Taubheit fest, und ich kann nicht glauben, dass ein Tauber, der nicht im Lippenlesen ausgebildet wurde, die Feinheiten seiner Miranda-Rechte oder seiner mündlichen Zustimmung zu einer Hausdurchsuchung erfassen konnte. Mir bleibt daher, so gern ich mich anders entscheiden würde, nichts anderes übrig, als dem Antrag stattzugeben, alle Beweisstücke aus Mr. Kindeis Haus sowie sein angebliches Geständnis abzuweisen.«
Delaney erhob sich leicht schwankend. Ihre Stimme zitterte ein wenig. »Euer Ehren, nach der Abweisung des Geständnisses und der Beweisstücke durch das Gericht sieht sich die Anklage außerstande, fortzufahren.«
Everston antwortete mit tiefer, angeekelter Stimme. »Klage abgewiesen.« Kindell grinste schief und hob seine Hände, um sich die Handschellen abnehmen zu lassen.