Читать книгу Von Homer zu Jesus - Gregor Bauer - Страница 23

Sind Polytheisten fairer?

Оглавление

Theologisch sind Götter irritierend, die einander in die Parade fahren, die sich gegenseitig beschimpfen und vor Lachen beeumeln, wenn ihnen ihr humpelnder Mitgott Hephaistos seine in flagranti ertappte Gattin Aphrodite mit dem Kriegsgott im Bett vorführt. Aber für den Dichter sind solche Götter ein Glücksfall.

Besonders in der Darstellung kriegerischer Konflikte erweist sich die polytheistische Brille als vorteilhaft. Wenn es nur einen Gott gibt, dann ist auch nur eine Seite im Recht: Nämlich die, mit der es dieser Gott hält. Deshalb kommt in den alttestamentarischen Kriegsschilderungen die Gegenseite praktisch nicht vor. Dort sind die Feinde nur und ausschließlich Feinde. Sie unbarmherzig zu vernichten ist Gottesdienst, Mitleid wäre Gotteslästerung. Wenn es aber viele Götter gibt, dann kann die Gegenseite ebenso unter einem göttlichen Auftrag stehen wie die eigene. Das versetzt Homer in die Lage, den Konflikt zwischen Griechen und Troern so darzustellen, dass man als Zuhörer mit beiden Seiten mitfiebern kann – wie im Fußball, wo ja auch beim selben Spiel der eine mit der einen, der andere mit der anderen Mannschaft zittert.

Ja, der Grieche Homer geht sogar so weit, den sympathischsten Charakter der ganzen Ilias auf der gegnerischen, der trojanischen Seite zu zeichnen: Es ist Achills Gegenspieler Hektor, ein gottesfürchtiger und friedliebender Familienmensch, der nur zur Waffe greift, um die Seinen zu schützen.

All das bedeutet aber nicht, dass die homerischen Helden weniger grausam wären als die gottbeseelten Kriegsverbrecher des Alten Testaments. Odysseus trägt den Ehrentitel „Städteverwüster“ mit gutem Grund. Der Unterschied zwischen Homerischer und alttestamentarischer Perspektive ist ein anderer: Während die Gewalt im Alten Testament stets höheren Zielen dient – der Eroberung des Gelobten Landes, der Durchsetzung göttlicher Gebote und später der Vertreibung götzendienerischer Besatzer –, braucht die Gewalt bei Homer keine solche Rechtfertigung. Der Krieg ist herrlich, denn er bietet dem Dichter Stoff für aufregende Geschichten. Ist das nicht Grund genug, um einen Krieg vom Zaum zu brechen?

Homer ist überzeugt, dass die Götter den Tod unzähliger Griechen und Trojaner beim Kampf um Troja verhängt haben, „damit die Enkel davon singen können“ (Od 8,580).

Von Homer zu Jesus

Подняться наверх