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IV

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Es wird gut sein, auch das Unvernünftige jener Leidenschaft des Hochmuts zu betrachten, damit wir, wenn wir die Demut leichter und sicherer erlangen, auch die Seligpreisung leichter erwerben. Wie erfahrene Ärzte dadurch, daß sie zuvor die Ursache der Krankheit aus dem Körper entfernen, leichter die Krankheit bewältigen, so wollen auch wir den Hochmütigen dadurch, daß wir ihrer nichtigen Aufgeblasenheit mit Gründen der Vernunft auf den Leib rücken, den Weg zur Demut erleichtern. Womit könnte man wohl das Törichte des Hochmutes kräftiger nachweisen als damit, daß man aufweist, welche Bewandtnis es mit unserer Menschennatur hat? Denn wer auf sich selbst sieht, und nicht auf das Äußere, das ihn umgibt, von dem ist es nicht gut denkbar, daß er in jene Leidenschaft verfällt. Was ist nun der Mensch? Willst du, daß ich eine Art Lobeshymnus auf dich anstimme? Nein, sogar derjenige, der unsere Natur verherrlichen und den Adel des Menschen ziemlich stark preisen möchte, führt seine Entstehung auf ― Lehmerde zurück, und die vornehme Abstammung, mit dem der Hochmütige prunken will, macht ihn verwandt mit ― dem Backstein! Willst du aber deinen unmittelbaren, allernächsten Ursprung hervorheben ― weg damit! Sprich hierüber kein Wort! enthülle nicht, wie es im Gesetze heißt, die Scham deines Vaters und deiner Mutter (Lev. 18, 6)! ziehe nicht in die Öffentlichkeit, was vergessen und in tiefes Schweigen gehüllt werden soll!

Und da schämst du dich nicht, du Erdenkloß, der bald wieder in Staub zurücksinkt, der du, einer Wasserblase gleich, schnell zerstiebende Luft in dir birgst, ― da schämst du dich nicht, mit Hochmut dich zu füllen, vor Eigendünkel aufzuschwellen und deinen Geist in törichter Einbildung emporzurecken? Offensichtlich vergissest du ganz auf die beiden Pole des Menschenlebens, wie es nämlich anfängt und wie es aufhört, sondern bist stolz auf deine Jugend, schaust auf dein blühendes Alter und gefällst dir in deiner Lebensfrische, weil deine Arme voll strotzender Kraft sich bewegen, deine Füße behend im Springen sich zeigen, deine Locken in den Lüften wehen, der Flaum deine Lippen untermalt und weil dir dein Kleid in Purpurfarbe leuchtet und deine seidenen Gewebe dir bunt geschmückt sind mit Bildern von Schlachten und Jagden und ähnlichen Darstellungen! Oder du siehst vielleicht mit Stolz auf deine Fußkleidung, die in tadellosem Schwarz funkelt und in überkünstlicher Weise noch durch ihre eingesteppten Zieraten ergötzen soll! Auf solche Sachen fällt dein Blick, und auf dich selbst schaust du nicht? Ich will dir wie in einem Spiegel zeigen, wer du bist und welches deine Beschaffenheit ist. Hast du noch auf keinem Beerdigungsplatz die Geheimnisse unserer Natur beobachtet? Hast du nicht die aufeinandergehäuften Knochen gesehen, die von Fleisch entblößten Schädel, wie sie furchtbar und gräßlich mit den leeren Augenhöhlen uns anstieren? Hast du den zähnefletschenden Mund gesehen und die übrigen Gliedmaßen, wie sie umherliegen, aufs Geratewohl hingestreut? Hast du dies gesehen, so hast du darin ― dich selbst gesehen. Wo sind die Zeichen deiner gegenwärtigen Blüte? wo die schöne Farbe deiner Wange? wo deine reizenden Lippen? wo die kecke Schönheit deiner Augen, die unter geschwungenen Brauen hervorleuchtet? wo die geradlinige Nase im feinen Antlitz? wo die um den Nacken wallenden Haare und die Locken um die Schläfe? Wo sind die Hände, die den Pfeil vom Bogen schnellen, die Füße, die das Pferd spornen? Wo ist der Purpur, wo das feine Linnenkleid aus Byssos, wo der Mantel, der Gürtel, die Schuhe? Wo ist das Pferd und sein Lauf, sein Übermut? Wohin ist alles, was jetzt deinen Hochmut nährt? Sag an, wo ist hier das zu finden, weshalb du dich überhebst und dich groß dünkst? Wo ist hier noch ein so eitler Traum? wo noch solche Wahnvorstellungen eines Schlafenden, wo ein so schwaches, ungreifbares Schattenbild wie das der Jugend? Alles erscheint wie ein Traum, der kaum gekommen, sogleich vorüberhuscht!

Soviel für die Jugend, welche infolge der Unreife ihres Alters noch der Torheit sich hingibt! Was soll man aber von den Menschen gesetzten Alters sagen, wenn zwar das leibliche Wachstum zum Stillstand kam, ihre Sinnesart jedoch noch ohne Halt ist und die Krankheit ihres Hochmutes noch zunimmt? Man nennt eine solche Geistesschwäche nicht selten „Selbstgefühl“. Bei solchen ist gewöhnlich hohe Stellung und der damit verbundene Einfluß der Grund des Hochmutes. Sie ergeben sich ihm entweder, wenn sie zu jener angesehenen Stellung gelangen, oder auch schon, wenn sie sich darauf vorbereiten, oder die bloße Rede, wenn sie sich damit befaßt, weckt die Krankheit aufs neue, auch wenn sie fast schon erloschen war. Welche Belehrung vermöchte in ihre Ohren zu dringen, da sie schon angefüllt sind von der Stimme der Herolde, die ihre hohe Stellung ausrufen? Wer könnte Menschen von solcher Geistesverfassung davon überzeugen, daß sie sich nicht im geringsten von den Leuten unterscheiden, welche auf der Bühne einherstolzieren. Denn auch diese haben, wie es ihr Beruf mit sich bringt, nicht selten eine glänzende Rolle zu übernehmen und tragen infolgedessen auch ein goldbesetztes Purpurgewand, oder sie fahren gar stattlich zu Wagen daher. Aber gleichwohl beschleicht sie nicht die Krankheit des Hochmutes, sondern die Meinung, die sie von sich vor dem Auftreten im Theater hatten, bewahren sie auch bei ihrem prunkvollen Aufzuge und betrüben sich auch nachher nicht, wenn sie aus dem Wagen steigen und ihr Kostüm wieder ablegen müssen. Gar viele aber, welche während ihrer Amtsführung feierlich auf der Bühne des Lebens einherziehen, bedenken weder, was sie vor kurzem waren, noch was sie in kurzem sein werden, sondern wie die Wasserblasen infolge der aufblähenden Luft sich ausdehnen, spreizen sie sich bei dem Ausrufen des Herolds und setzen selbst eine andere Larve auf, indem sie ihre natürliche Miene in ein strenges Gesicht verwandeln, um Furcht einzujagen. Auch nehmen sie eine Kraftstimme an und gebrauchen starke Ausdrücke, um alle einzuschüchtern, die sie hören. Nicht mehr innerhalb der Grenzen, welche den Menschen gezogen sind, wollen sie bleiben, sondern sie drängen sich in die göttliche Macht und Gewalt. Denn sie bilden sich ein, Herr über Leben und Tod zu sein, weil sie über den einen, der vor ihrem Richterstuhl steht, ein freisprechendes Urteil fällen, den anderen zum Tod verurteilen. Nicht einmal das sehen sie mehr, wer in Wahrheit der Herr des menschlichen Lebens ist, der den Anfang und das Ende unseres Daseins bestimmt. Und doch wäre dies allein schon geeignet, dergleichen Aufgeblasenheit zu dämpfen, wenn man sieht, daß viele Hochgestellte gerade in dem Augenblick, wo sie ihre Hoheit zur Schau stellen wollten, vom Herrscherstuhl herabgerissen und ins Grab gelegt wurden, wo Trauergesang das Geschrei des Herolds ablöst. Wie soll also der über fremdes Leben Herr sein, dem nicht einmal sein eigenes Leben gehört? Im Hinblick aber auf den, der für uns freiwillig arm geworden, und in Erinnerung an die Armseligkeit der uns allen gemeinsamen Natur sollen auch Hochgestellte im Geiste arm sein und sich infolgedessen keinen Übermut gegen einen Mitmenschen wegen ihrer eitlen Machthaber-Rolle erlauben; auf diese Weise nehmen sie teil an der Seligpreisung ob der Demütigung, die sie während eines kurzen Lebens geübt haben und für die sie das Himmelreich eintauschen.

Essentielle Schriften, Band 2

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