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Aber noch etwas Tieferes als das Gesagte scheint das Wort Gottes zu enthalten; indem es von einer fortgesetzten Übung der Trauer spricht, fordert es uns nämlich auf, noch an etwas anderes zu denken. Denn wenn es nur auf die Reue über die Sünde hätte hinweisen wollen, so hätte es folgerichtiger diejenigen seliggepriesen, welche getrauert* haben, nicht jene, welche immerfort trauern. So preisen wir ― um abermals den Krankheitszustand zum Vergleiche beizuziehen ― diejenigen glücklich, welche mit Erfolg eine Kur gemacht haben,* nicht jene, welche immerfort eine Kur* machen*; denn die Fortsetzung der Kur verrät die Fortdauer der Krankheit. Aber daß das Wort Gottes nicht bloß in dem oben dargelegten Sinne, als ob es nur den Reumütigen die Seligkeit zuspräche, aufgefaßt werden darf, ergibt sich uns noch aus einem anderen Grunde. Wir finden nämlich gar viele, die ein ganz tadelloses Leben führen, so daß es vom Worte Gottes selbst als tugendhaft bezeugt wird. Welche Habgier gab es an einem Johannes? welchen Götzendienst bei einem Elias? welche andere größere oder kleinere Sünde nennt die Geschichte ihres Lebens? Wie nun? Wird nun das Wort Gottes verkünden, sie stünden außerhalb der Seligpreisung, sie, die niemals in eine Seelenkrankheit gefallen sind und daher auch nicht nötig hatten, das oben dargelegte Heilmittel, nämlich den Reueschmerz, anzuwenden? Wäre es nicht ungereimt, solche Männer von der göttlichen Seligkeit ausgeschlossen zu wähnen, deshalb, weil sie weder gesündigt noch die Sünde durch Trauer getilgt haben? Oder wäre es da nicht besser, zu sündigen als ohne Sünde zu leben, wenn einzig und allein den Reumütigen die Gnade des Trösters in Aussicht steht? Es heißt ja: „Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden!“

Wir wollen daher nach Möglichkeit, wie Habakuk sagt, dem folgen, der uns nach oben führt (Hab. 3, 19) und den im Worte liegenden Sinn erforschen, damit wir sehen, welcher Trauer die Tröstung des Heiligen Geistes versprochen ist. Erwägen wir also, was denn zunächst die Traurigkeit an sich ist im menschlichen Leben und wodurch sie hervorgerufen ist. Soviel liegt klar vor aller Augen, daß die Trauer eine trübe Stimmung der Seele ist, hervorgerufen durch den Verlust eines geliebten Gegenstandes; dieser Zustand greift nicht Platz bei jenen, welche ihr Leben in lauter Freude zubringen. Recht glücklich z. B. ist einer im Leben: alle seine Geschäfte gehen ausgezeichnet; er hat seine Freude an seiner Ehegattin, ist stolz auf seine Kinder, hat Sicherheit durch Eintracht mit seinen Verwandten, genießt Ansehen in der Gemeinde und Ehre von seiten der Mächtigen, ist furchtbar seinen Gegnern, geschätzt von seinen Untergebenen, seinen Freunden zugänglich, prangend in Reichtum, fähig, das Leben zu genießen, frei von Kummer, von kräftiger Gesundheit, im Besitz alles dessen, was in dieser Welt als wertvoll gilt: ein solcher lebt gewiß in Frohsinn, weil ihm Freude aus allen seinen gegenwärtigen Verhältnissen zuströmt. Falls aber ein Umschwung am heiteren Himmel seines Glückes eintritt, etwa eine Scheidung von seinen Lieben, ein Vermögensverlust oder eine durch welchen Zufall nur immer herbeigeführte Schädigung seines körperlichen Wohlbefindens, so entsteht durch die Trennung von dem, was ihm Freude verschaffte, die entgegengesetzte Stimmung, die wir Trauer nennen. Demnach ist die aufgestellte Begriffsbestimmung richtig, daß die Traurigkeit ein schmerzliches Empfinden des Verlustes von Dingen ist, welche uns erfreuen.

Essentielle Schriften, Band 2

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