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Allerdings klingt das Gesagte auffällig, denn wer es hört, könnte einwenden: unmöglich könne man wie in der Weise einer Stufenfolge die Erbschaft des Erdreiches über dem Himmelreiche antreffen, eher wäre, wenn die Rede dem natürlichen Verhältnis der Dinge sich anschließen will, es viel folgerichtiger, daß die Erde ihren Platz vor dem Himmel fände, da wir ja von dieser zu jenem emporsteigen müßten. Doch wenn unsere Gedanken sozusagen Flügel bekämen und uns über das Himmelsgewölbe tragen könnten, so würden wir jene über dem Himmel liegende Erde finden, die den Tugendhaften als Erbe versprochen ist. Demnach ist die Ordnung in der Reihenfolge nicht verfehlt, wenn uns Gott in seinen Verheißungen zuerst den Himmel, dann die Erde vor Augen stellt. Denn alles, was man sieht, ist für die sinnliche Wahrnehmung durch das Auge miteinander nahe verwandt, insofern auch das, was der räumlichen Dimension nach hoch erscheint, doch unterhalb der geistigen Natur liegt. Zu dieser aber kann sich unser Denken nicht erheben, wenn es nicht zuvor geistig das Reich des sinnlich Wahrnehmbaren durchschritten hat. Darüber, daß mit dem Ausdruck „Erdreich“, die höhergelegene Region bezeichnet wird, darfst du dich nicht wundern; denn das Wort Gottes läßt sich zur Niedrigkeit unseres Gehörsinnes herab, das deshalb zu uns herabgestiegen ist, weil wir nicht imstande waren, uns zu seiner Höhe zu erheben. Mit den uns bekannten Ausdrücken und Namen unterrichtet es uns über die göttlichen Geheimnisse, indem es Worte gebraucht, die im menschlichen Leben gang und gäbe sind. Auch in der vorausgehenden Verheißung hat es die unaussprechliche Seligkeit im Himmel ein „Reich“ genannt. Wollte es damit vielleicht etwas bezeichnen, was den irdischen Reichen zukommt, z. B. Diadem, vom Glanz der Edelsteine umstrahlt, Purpurkleider, die das lüsterne Auge mit leuchtender Farbenpracht ergötzen, Vorzimmer, Vorhänge, hohe Thronsessel, Soldaten in Reih und Glied und all den anderen überschwenglichen Prunk, womit diejenigen, welche den majestätischen Eindruck des Herrschertums noch steigern wollen, das große Schaustück auf der Bühne des Lebens ausstatten? Aber nachdem nun einmal der Ausdruck „Reich“ etwas Großes bedeutet und die erste Stelle unter allem einnimmt, was von den Menschen hochgeschätzt wird, so bediente sich das Wort Gottes gerade dieser Bezeichnung, um uns die Größe der geistigen Güter besser zu veranschaulichen. Würde es jedoch bei den Menschen noch etwas Höheres geben als Reich, so würde es sicher auch diese Namen verwenden, um die Seele des Zuhörers zum Verlangen nach jener Glückseligkeit zu entzünden, die unaussprechlich ist; denn unmöglich können die himmlischen Güter, die all unser menschliches Wahrnehmen und Erkennen übersteigen, uns mit ihren eigentlichen Namen enthüllt werden. Denn „kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz ist es gedrungen“ (1 Kor. 2, 9). Damit jedoch die Glückseligkeit, auf die wir hoffen dürfen, nicht ganz unserem Vorstellungsvermögen sich entziehe, so werden wir mit ihrer unaussprechlichen Herrlichkeit in einer Weise bekannt gemacht, die der Niedrigkeit unserer Natur entspricht. Der Doppelsinn des Wortes „Erde“ darf also deinen Geist nicht wieder aus der Welt jenseits des Himmels auf die niedrige Erde herabziehen, sondern wenn dich das Wort Gottes durch die vorausgehende Seligpreisung emporführte und du den Boden der himmlischen Hoffnung betreten hast, so fasse jene Erde ins Auge, die nicht allen als Erbe zufällt, sondern denen, die durch ihre im Leben geübte Sanftmut jener Verheißung für würdig erachtet werden.

Diese jenseitige Erde, glaube ich, hat auch der große David, dem die Göttliche Schrift das Zeugnis gibt, vor allen seinen Zeitgenossen sanft und geduldig gewesen zu sein, durch die Eingebung des Heiligen Geistes vorauserkannt und im Glauben deren Besitz erhofft, als er sagte: „Ich glaube, damit ich sehe die Güter des Herrn im Lande der Lebendigen“ (Ps. 27, 13 [= hebr.] [Septuag. u. Vulgata = Ps. 26, 13]). Denn ich nehme nicht an, der Prophet habe unsere Erde als „Land der Lebendigen“ bezeichnet, da sie doch alles Sterbliche erzeugt und alles, was sie erzeugt, wieder in Erde auflöst. Vielmehr hatte er eine Erde der Lebendigen im Sinne, die der Tod nicht betritt, auf der niemals der Weg der Sünde beschritten wird, auf welche die Bosheit ihren Fuß nicht setzt, welche der Sämann des Unkrautes nicht mit seinem Pfluge aufreißt, die keine Disteln und Dornen trägt, wo das Wasser der Ruhe und der Ort des ewig frischen Grüns sich findet und die vierfach geteilte Quelle und der vom Herrn der Welt gepflegte Weinstock und alles, was wir sonst noch durch die von Gott angegebene Belehrung in Bildern kennenlernen. Wenn wir nun jene höhere Erde im Auge behalten, die wir über dem Himmel sehen, auf der die Stadt des Königs erbaut ist, über die nach dem Propheten Herrliches gesprochen wurde (Ps. 87, 3 [= hebr.] [Septuag. u. Vulgata = Ps. 86, 3]), so wird uns die Reihenfolge der Seligpreisungen nicht mehr befremden. Denn es wäre wohl etwas ungereimt, wenn die Erde hienieden den Segenshoffnungen derer in Aussicht gestellt wäre, die nach der Lehre des Apostels auf Wolken entrückt werden in die Luft, um immerdar beim Herrn zu sein. Was brauchen wir also noch diese Erde hier unten, da unser Leben auf Hoffnung nach oben gestellt ist? Denn „wir werden auf den Wolken entrückt, dem Herrn entgegen, in die Luft und werden immerdar beim Herrn sein“ (1 Thess. 4, 17).

Essentielle Schriften, Band 2

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