Читать книгу PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION - Greig Beck - Страница 13
Kapitel 6
ОглавлениеIm Pazifischen Ozean, kurz vor der Küste San Diegos
Re-Evolution: 005
Drake Masterson zog an dem Seil, das das Segel kontrollierte, und ließ das Boot dadurch leicht zur Seite kippen. Er selbst lehnte sich nun nach außen, um das passende Gegengewicht zu bilden. Während sein Wassergefährt an Tempo zulegte, musste er seinen Oberkörper immer weiter über das Wasser hinauslehnen.
Die salzige Gischt spritzte in sein Gesicht, und seine muskulösen Arme umschlossen das elastische Seil und die Ruderpinne mit festem Griff. In der Bucht am Pacific Beach war es um diese Jahreszeit schön warm, eine Gelegenheit, die man auf keinen Fall verpassen durfte.
Drakes Sicherheitsfirma lief momentan richtig gut, sogar so gut, dass er selbst meistens gar nicht mehr vor Ort sein musste. Deshalb konnte er Zeit mit Dingen verbringen, die ihm wirklich wichtig waren – wie das Segeln.
Er hatte ganz bei null angefangen und Unterricht genommen, um die Grundlagen zu erlernen, dann hatte er sich ein Boot gekauft und richtig losgelegt. Hier draußen gab es nur ihn, die Wellen, den Wind und den blauen Himmel. Bei günstigen Bedingungen hatte er das Gefühl, regelrecht zu fliegen, wenn er mit seiner acht Meter langen Catalina Capri 22 über das Wasser fegte, ihres Zeichens ein voll ausgestattetes Rennboot. Er hatte es Nelly getauft, nach seiner Mutter. Es gab sogar eine kleine Kajüte, in der er schon so manche warme Nacht in einer schützenden Bucht verbracht hatte. Er mochte das Gefühl, von den Wellen in den Schlaf gewiegt zu werden, und überhaupt war das Segeln reiner Balsam für seine Seele, nach all diesen Jahren voller Aufregung.
Abgesehen davon gab ihm sein Hobby viel Zeit zum Nachdenken. Es war neun Jahre her, dass er, Helen Martin, Emma Wilson und Ben Cartwright aus dem Amazonasdschungel zurückgekehrt waren. Sie waren alle ziemlich hinüber gewesen, aber am Leben. Alle anderen, die mit ihnen unterwegs gewesen waren, hatten nicht so viel Glück gehabt.
Je mehr Jahre vergingen, umso mehr hatte Drake das Gefühl, das alles wäre gar nicht passiert. Es war einfach so abwegig. Irgendwo im tiefsten Herzen des Amazonas gab es einen Tafelberg, ein Tepui, der alle zehn Jahre zu einer Art Portal in eine hundert Millionen Jahre entfernte Vergangenheit wurde. Man musste das Portal innerhalb von vierundzwanzig Stunden betreten und wieder verlassen, sonst war man dort gefangen. Drake schüttelte den Kopf. In diesen paar Stunden hatten sie fünf gute Menschen verloren. Sogar sechs, wenn man den jungen Mann mitzählte, der unbedingt hatte dortbleiben wollen. Ben Cartwright hatte sogar zehn Jahre dort überlebt. Das müssen die zehn höllischsten Jahre gewesen sein, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte.
Drake war der Meinung, dass alles und jeder, mit dem er in seinem Leben zuvor konfrontiert worden war, gegen dieses Erlebnis verblasste. Selbst seine Zeit als Elitesoldat, als er an der Seite von Ben Cartwright gegen ruchlose und blutrünstige Gegner gekämpft hatte. Das alles war nichts gegen die urzeitlichen Monster gewesen, denen sie im Amazonas gegenübergestanden hatten.
Bei diesem Gedanken lachte er laut auf. Eine Sache war jedenfalls sicher: Er war dankbar für jeden Tag, den er zu Hause war, lebte und sich in einem Stück befand. Drake zog an dem Seil, um das Hauptsegel noch etwas optimaler in den Wind zu drehen. Nellies Bug ging daraufhin noch ein paar Zentimeter nach oben und die Geschwindigkeit erhöhte sich, was Drake unwillkürlich jubeln ließ. Sein Magen kribbelte vor Aufregung, doch dann wurde das Boot so abrupt langsamer, dass er nach vorne geschleudert wurde und beinahe auf das Deck schlug.
»Was zur Hölle ist denn jetzt los?«
Nelly setzte ihren Weg fort und es war auch kein lautes Geräusch von unten ertönt, als wäre sie gegen ein treibendes Objekt wie ein Fass oder eine Kiste gefahren, ganz zu schweigen von einer Sandbank. Aber Drake war sich sicher, dass er mit irgendetwas kollidiert sein musste. Das Komische war nur, dass es sich eher angefühlt hatte, als wäre er in ein Kissen hineingefahren.
Vielleicht war es ja ein Algenteppich, dachte er und schaute über die Reling, wo er plötzlich die Hälfte einer riesigen Qualle vorbeitreiben sah.
»Oh mein Gott«, flüsterte er. Das Ding musste an die drei Meter Durchmesser haben. Er schaute weiter ins Wasser und sah dann die andere Hälfte vorbeitreiben. Sein Boot musste das Riesending praktisch zweigeteilt haben.
»Was für ein Monster!«
Drake hatte schon davon gehört, dass es in den eisigen Gewässern des Nordens Quallen gab, die bis zu einem Meter Durchmesser haben konnten und über fünfzig Kilogramm schwer waren, aber dieses Ding hier war bestimmt fünfmal so groß.
»Komisch.« Er segelte weiter und kreuzte noch eine Stunde lang auf und ab, bevor er zum Segelklub zurückkehrte. Meistens parkte er Nelly in dem kleinen Bootshaus des Klubs, aber bei dem guten Wetter band er sie einfach nur an den Pier, damit er am nächsten Morgen gleich wieder losfahren konnte.
Er schnappte sich seine Sachen, räumte auf, spritzte die Segel, die Seile und das Deck mit Wasser ab und klettere dann auf den sonnengewärmten Holzpier. Dort schloss er die Augen und ließ die Sonne ein Weilchen auf sein Gesicht scheinen.
Das Leben war schön und er fragte sich, was sein bester Freund Ben wohl gerade so trieb. Drake hoffte, dass Emma und Ben ihr eigenes kleines Paradies gefunden hatten, so wie er, denn er hatte wirklich alles, was er sich wünschte. Nun ja, nicht ganz alles, denn leider hatte er Helen verloren, und in diesem Moment vermisse er sie unfassbar. Er wünschte sich, sie wäre jetzt hier, dann könnte er ihr von der Qualle erzählen. Er seufzte und konzentrierte sich auf die wärmenden Sonnenstrahlen auf seinen Wangen. Die Zeiten ändern sich nun mal, dachte er, und so manches bleibt leider auf der Strecke.
Schließlich öffnete Drake die Augen und wandte sich dem Klubhaus zu, das eine Bar und ein Restaurant beherbergte. Die Sonne stand bereits tief am Himmel und färbte den Horizont orange. Ein paar Schnepfenvögel staksten auf ihren langen Beinen herum und warteten darauf, dass sich die nächste Welle verzog, damit sie den Strand hinunterflitzen konnten, um alle freigelegten Schalentiere aufzupicken. Anschließend eilten sie zurück, bevor sie nass wurden.
Während er dabei zusah, kam eine große Welle, und als die Schnepfen gerade vor ihr weglaufen wollten, schnellte ein Teil davon wie eine Hand aus Wasser nach vorne und stürzte sich auf einen der Vögel. Jetzt sah Drake, dass diese Hand in Wahrheit eine dieser Quallen war, die er im Meer gesehen hatte. Das Ding hatte sich eine der Schnepfen geschnappt und zog sie ins Wasser. Durch den gallertartigen Körper sah Drake, wie das kleine Federtier kämpfte. Es war wirklich grausam.
Drake drehte sich um und hoffte, dass irgendjemand anderes es auch gesehen hatte, doch er war allein.
Wie krank ist das denn?, fragte er sich. Er zog schnell sein Handy hervor und versuchte, ein Bild zu machen, doch der glibberige Jäger und seine Beute waren bereits wieder verschwunden. Vollkommen absurd, dachte er. Heute Abend würde er mit den Leuten im Club darüber reden.