Читать книгу PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION - Greig Beck - Страница 15
Kapitel 8
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Elmo, in Utah – der Friedhof der Knochen
Re-Evolution: 006
Helen Martin entstaubte gerade vorsichtig ein paar versteinerte Knochen. Obwohl nur der Umriss eines Schädels zu sehen war, erkannte ihr in der Paläontologie geschultes Auge sofort, dass dies ein bedeutender Fund war. Ihre Begeisterung wuchs deshalb mit jedem einzelnen Wischer ihres Spezialpinsels.
Es musste sich um ein Exemplar der Spezies Triceratops handeln, doch dieses war anders als alle anderen. Es hatte nach vorne zeigende Hörner auf der Stirn und ähnelte damit keinem der anderen Funde. Außerdem war der Schädel riesig. Er hatte an die zwei Meter Durchmesser und war abnormal proportioniert.
Sie hielt einen Moment inne, um ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen: Sand, Lehm, Dünen, Massen harten Gesteins und ein paar hart gesottene Pflanzen.
Die Gegend hier in Elmo war eine echte Fundgrube für Dinosaurier-Fossilien, vor allem die Skelette von Allosauriern gab es hier in Hülle und Fülle. Das waren große Zweibeiner mit riesigen, eckigen Köpfen. Doch es war natürlich tausendmal cooler, etwas Seltenes zu finden.
Helen drehte den Kopf weg, weil sie niesen musste, denn die trockene Luft kitzelte in ihrer Nase. Das war eigentlich eine gute Sache, denn obwohl dieses Gebiet heutzutage staubtrocken war, hatte sich hier in der späten Kreidezeit ein riesiger Sumpf ausgebreitet, in dem Massen von riesigen Pflanzenfressern gelebt hatten, die natürlich von Fleischfressern gejagt worden waren. Zu dieser Zeit hatte der Meerespegel höher gelegen als heute und Nordamerika in zwei Hälften geteilt. Die westliche Landmasse hatte man Laramidia genannt, sie enthielt das, was heute die Westküste von Kanada und den USA war. Im Osten befand sich das fast genauso große Appalachia, ein eher bergiges Land.
Helen wischte sich den Schweiß von der Stirn und hockte sich hin. Früher war sie auf prähistorische Schlangen spezialisiert gewesen, vor allem auf die Titanoboa, aber nachdem sie beinahe von einer von ihnen umgebracht worden war, brachte sie es nicht mehr fertig, diese Spezies auch nur anzuschauen. Vielleicht lag es auch daran, dass sie hatte mitansehen müssen, wie andere Menschen von diesen Bestien zerquetscht und bei lebendigem Leibe gefressen worden waren. Sie hatte Jahre gebraucht, um die psychischen und physischen Traumata hinter sich lassen zu können. Zu diesen Blessuren kam noch hinzu, dass ihr kleiner Bruder, Andy, immer noch in dieser Zeit feststeckte.
Ihre Augen wurden feucht, als sie auf die Knochen hinunterblickte, die sich vor ihr auftaten. Vielleicht werde ich ihn ebenfalls eines Tages ausgraben, dachte sie. Wieder kitzelte ihre Nase, doch dieses Mal waren melancholische Erinnerungen der Grund dafür.
Sie fand es wirklich schlimm, dass sie jetzt allein war. Nachdem sie gemeinsam durch die Hölle gegangen waren und überlebt hatten, waren sie und Drake für einige Jahre ein Paar gewesen, doch dann hatten sie sich auseinandergelebt. Vermutlich hatten sie sich irgendwie doch immer wieder an die schrecklichen Ereignisse erinnert und brauchten deshalb Distanz, damit die seelischen Wunden heilen konnten.
»Oooh!« Helen spürte, wie ein starkes Kribbeln durch ihren Magen huschte und legte sich eine Hand auf den Bauch, während das Sonnenlicht kurz wie ausgeknipst schien, ein paar Sekunden später aber wieder zurückkehrte. Sie blinzelte und fragte sich, ob sie sich das Ganze nur eingebildet hatte.
Sie schaute sich um und sah die beiden Studenten, die ihr halfen, um Bonuspunkte für ihre Abschlussarbeit zu sammeln. Edward Ramirez und Elizabeth Shelly waren beide kompetent, nett und absolut verlässlich, was ihre Sorgfalt anging, doch sie schienen nichts davon bemerkt zu haben, was gerade passiert war, also hatte Helen es sich wohl nur eingebildet. Vielleicht war sie auch einfach nur dehydriert. Sie öffnete den Verschluss ihrer Wasserflasche und trank ein paar Schlucke, wobei sie ihren Blick über die Ausgrabungsstätte schweifen ließ. Irgendwie schien auf einmal alles grüner zu sein oder die Pflanzen waren ihr vorher nicht aufgefallen.
Zu ihrer Linken arbeitete Edward gerade an einer Schieferfläche, direkt unter einem merkwürdigen Busch. Da hatte er sich ein wirklich gutes Plätzchen gesucht, da er an die Fossilien herankam, aber gleichzeitig einen natürlichen Schatten abbekam.
Sie sah ihm einen Moment bei der Arbeit zu und betrachtete dann den Busch über ihm. Dort hing etwas, das wie große Kirschen aussah, was sie irgendwie merkwürdig fand, denn normalerweise gedieh in dieser nährstoffarmen, trockenen Umgebung kaum etwas. Den Luxus, Früchte zu produzieren, konnten sich die meisten Pflanzen deswegen gar nicht leisten.
Sie wollte sich gerade wegdrehen, doch dann fiel ihr auf, dass sich eine der Kirschen, die besonders groß und rot war, dem Kopf des jungen Mannes zu nähern schien. Sekunden später war sie nur noch wenige Zentimeter entfernt und explodierte zu Helens Verwunderung in einer Wolke aus Staub oder Gas.
Edward glitt daraufhin zu Boden, als hätte er sich spontan entschlossen, ein kleines Nickerchen zu machen.
Was zur Hölle ist denn da los?, fragte sich Helen und legte die Stirn in Falten.
»Edward«, rief sie laut genug, dass der junge Mann es auf jeden Fall hören musste. Doch er reagierte nicht, und Helen sah, dass merkwürdige Tentakel aus dem Busch hervorgekrochen kamen.
»Hey!« Helen sprang auf, und Elizabeth, die andere Studentin, drehte sich verwirrt in ihre Richtung.
»Hey!«, rief Helen erneut, warf einen schnellen Blick auf ihre Werkzeuge, und schnappte sich eine kleine, aber scharfkantige Metallschaufel. Dann sah sie, wie die Tentakel sich um den jungen Mann wickelten und ihn vorsichtig vom Boden aufhoben.
Scheiße. Sie rannte los.
Edward war definitiv ohnmächtig. Helen holte mit der Schaufel aus und schlug dann wie mit einer Machete zu. Sie hackte einige der dünneren Schlingpflanzen ab, doch den dickeren konnte sie nichts anhaben. Also versuchte sie, die Dinger auszureißen, doch sie stellte schnell fest, dass sie mit kleinen, scharfen Dornen übersät waren, die sich bereits an Edwards Kleidung festgehakt hatten … und in seinem Fleisch.
Elizabeth sprang ihr nun bei und fing an, die Tentakel mit einer kleinen Spitzhacke zu bearbeiten. Endlich waren ihre Bemühungen zu viel für die grauenvolle Pflanze und der junge Mann kam frei. Elizabeth ließ ihre Hacke fallen und packte ihn bei den Schultern, um ihn ein paar Meter wegzuziehen, damit er in Sicherheit war.
Helen stand einfach nur da und starrte ungläubig den Busch an, wobei sie immer noch schwer atmete. Sie sah, dass auf dem Boden kleine Pfützen aus Edwards Blut entstanden waren, in die kleinere Versionen der Tentakel nun ihre Enden hineinsteckten, wie Katzen, die etwas Milch aus einer Schüssel tranken.
Vorsichtig näherte sie sich dem gefährlichen Gewächs und konnte erkennen, dass sich zwischen dem Grün alle möglichen Knochen befanden. Von kleinen Echsen, Vögeln, und etwas, das sogar der Schädel eines Kojoten sein konnte.
»Was zur Hölle ist hier los?« Sie drehte sich entgeistert um.
Elisabeth wischte Edwards Wunden vorsichtig mit einem Taschentuch sauber. »Vampirseide«, sagte sie. »Wir hätten eigentlich wissen müssen, dass sie hier wächst.«
»Was?« Helens Mund stand weit offen und sie starrte sie einfach nur an. »Was ist denn das für eine fiese Pflanze?«
Elizabeth legte den Kopf schief, wobei sich eine gewisse Verwirrung auf ihrem jugendlichen Gesicht manifestierte. »Es ist mir auch gerade erst wieder eingefallen. Vampirseide, ist eine parasitäre Schlingpflanze, die echt gefährlich ist. Sie kommt aber öfter in dieser Gegend hier vor, das weißt du doch.«
Helen schüttelte den Kopf und ihr wurde schwindelig. »Ich habe noch nie in meinem Leben von diesem Ding gehört oder ein Exemplar davon gesehen.« Sie wandte sich wieder der Pflanze zu, die ihre dornigen Auswüchse inzwischen zurückgezogen hatte und geduldig darauf wartete, dass ihr nächstes Opfer vorbeikam.
Irgendetwas hatte sich verändert, und je mehr Helen darüber nachdachte, umso mehr überkam sie eine schreckliche Gewissheit. Sie rieb sich die Stirn und ahnte langsam, wieso sie nicht auf dem gleichen Stand war wie Elizabeth. Warum kam ihr diese Pflanze so komplett abnormal vor, wenn sie der Studentin vollkommen vertraut war?
Als sie sich durch den Dschungel der späten Kreidezeit gehackt hatten, war ihr ein ähnlich blutrünstiges Gewächs über den Weg gelaufen. Nur was machte es jetzt hier, in dieser Zeit?
In ihrem Inneren bildete sich ein Knoten aus Sorge. Sie musste unbedingt mit jemandem reden, und zwar dringend, und es gab da jemanden, dem sie auf jeden Fall vertrauen konnte, weil er dasselbe erlebt hatte wie sie.