Читать книгу PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION - Greig Beck - Страница 14
Kapitel 7
ОглавлениеAm südöstlichsten Ende Nordamerikas – vor 100 Millionen Jahren
Andy hörte auf zu paddeln und ließ das rustikale Boot weitergleiten, als der Fluss in eine größere Wasserfläche mündete. Dort fiel ihm eine merkwürdige Stromschnelle auf; direkt unter der Oberfläche musste sich eine Felskante oder ein ähnliches Hindernis befinden. Also würde er entweder paddeln müssen wie ein Irrer oder an Land gehen, um das Boot auf die andere Seite zu ziehen.
Wenn er aussteigen müsste, wollte er jedenfalls direkt festen Boden unter den Füßen haben, ohne erst noch durch das Wasser waten zu müssen, denn der Fluss hatte sich schon vor einer Weile braun eingefärbt und es war unmöglich zu sagen, was sich außer abgestorbenen Pflanzenresten und Schlamm sonst noch darin befand.
Eigentlich machte ihm das nicht wirklich Sorgen, doch dass er in einiger Entfernung etwas aus dem Wasser auftauchen sah, war schon eher beunruhigend. Er konnte es nicht genau erkennen, doch es konnte sowohl ein Süßwasser-Mosasaurus sein als auch ein Riesenkrokodil oder eine Schildkröte von der Größe eines Kleinwagens.
Wenn er versuchen würde, das Boot aus dem Wasser zu ziehen, könnte er eine Schildkröte auf jeden Fall abhängen, aber wenn es irgendwas anderes wäre, würde er zu Fischfutter werden.
»Scheiße«, flüsterte er.
»Gluck.«
Andy schaute auf das kleine Reptil hinab.
»Wohnt da jemand?« Gluck hatte den Kopf schief gelegt und starrte ihn mit einem seinen rubinroten Augen an.
Andy seufzte und nickte. »Ja, da wohnt jemand, und dieser Jemand ist verdammt groß.« Er stützte seine Unterarme auf die Bordkante. »Da können wir nicht reingehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass dieser Jemand uns verdammt gern kennenlernen würde.«
Minutenlang starrte er auf den See hinaus, bevor er zu einer Entscheidung gelangte. Er fluchte, denn er wusste, dass es lange dauern würde und riskant war. Trotzdem fing er an, auf das nahe gelegene Ufer zuzupaddeln.
Das Boot drang in Schilfgras ein, woraufhin irgendetwas panisch hinwegglitt und in den Tiefen des Flusses abtauchte. Dann lief das Boot auf Grund und blieb stecken. Andy sprang hinaus und zog es ein Stück weiter auf das Festland, dann betrat er es wieder, um seine Sachen einzusammeln. Er benutzte dazu eine Art einfachen Rucksack, den er aus zusammengewobenen Fasern hergestellt hatte, nach dem Vorbild von Urvölkern aus Papua-Neuguinea. Überhaupt waren ihm seine Kenntnisse über die Handwerkskunst solcher Stämme schon oft sehr nützlich gewesen. So hatte er sich nach einigen Fehlschlägen Schuhe aus Tierhäuten angefertigt, dazu eine Fellweste und -hose. Er besaß Behälter für Trinkwasser, die momentan allerdings leer waren, und packte Gluck jetzt in einen von ihm gefertigten Sack, der es sich sofort darin bequem machte.
Andy kniete sich ins Boot und warf einen letzten Blick auf die Stelle im See, wo er die große Gestalt gesehen hatte. Seine Augen verengten sich, als er die jetzt still daliegende Wasseroberfläche absuchte. Es war absolut windstill und das einzige Geräusch war das Summen der Insekten im Schilfgras. Die Sonne wärmte den Boden und er roch schlammige Erde, Pflanzen und ein Dutzend anderer Gerüche. Hätte er das Ding nicht kurz gesehen, würde er gar nicht ahnen, dass es da war.
Er wusste, dass große Krokodile wie der Deinosuchus und der Mourasuchus in dieser Gegend lebten und ihm sogar aus dem Wasser heraus folgen konnten. Aber sie waren groß, im Extremfall bis zu fünfzehn Metern lang und wogen viele Tonnen, sodass sie langsam waren. Da der Dschungel sehr dicht war, würden sie ihm nicht lange nachstellen können. Er verzog das Gesicht, denn es gab eine Sache, die ihm sehr wohl folgen und ihn fangen könnte, wahrscheinlich sogar, bevor er auch nur fünf Meter geschafft hatte.
Bitte, lass es keine Titanoboa sein!
Er wartete ein paar weitere Minuten und wünschte sich, seine Schwester Helen wäre hier, damit er sich mit ihr besprechen könnte. Sie war schließlich die Expertin für das Verhalten dieser Schlange, und es gab auch noch etwas anderes, das er mit ihr besprechen wollte. Warum hatten diese Schlangen nur den Tafelberg bewohnt? Warum bevorzugten sie dieses Gebiet als ihr Zuhause?
Ein Mysterium, das ich ein anderes Mal lösen muss, dachte er.
Er wandte sich dem Dschungel zu. Dort waren dicke Baumstämme, Palmen, Farne und Schlingpflanzen zu sehen. Pilze wuchsen großflächig auf den Stämmen; sie waren orangefarben, braun oder backsteinrot. Alles dampfte regelrecht.
Der dichte Dschungel machte ihm immer Sorgen und er bevorzugte das Wasser, wo er besser sehen konnte, was auf ihn zukam – zumindest, solange es sich an der Oberfläche zeigte. Ihm reichte schon ein Blick auf diese dichte, grüne Wand, um ängstlich und nervös zu werden.
Wenigstens kann ich dort nach etwas zu Essen suchen, dachte er. Er wusste, dass er viel zu wenig Grünzeug aß und wenn man sich nur von Fleisch ernährte, konnte man schnell Skorbut und Rachitis bekommen, wovon ihm irgendwann die Zähne ausfallen würden.
Neben dem Boot glitt jetzt irgendein Schalentier durch das Wasser und Andy schnappte es sich. Es war etwa faustgroß und sofort kam ein Fuß aus dem Gehäuse heraus, der aussah wie eine blaue Zunge. Andy riss ein großes Palmblatt ab und wickelte die Wasserschnecke ein, um sie frisch zu halten, dann tat er sie in seinen Beutel, um sie später zu essen.
Er warf einen Kontrollblick hinein. »Vertragt euch, ihr beiden.«
»Gluck«, beschwerte sich Gluck.
»Ich weiß, dass er komisch riecht, aber du etwa nicht?« Andy schloss den Beutel.
Er fragte sich oft, ob irgendetwas, das er in dieser Zeit tat, eine Auswirkung auf die Zukunft haben würde. Vor seiner Reise hierher hatte er einige Recherchen in dieser Richtung angestrengt und hatte von vielen Theoretikern gelesen, dass es passieren könnte, wogegen andere der Meinung waren, die Zukunft wäre unveränderlich, da alles sowieso passieren würde oder sollte.
Vielleicht würde ohne ihn die Zukunft auch gar nicht so sein, wie er sich an sie erinnerte. Im Grunde war so ein Zeitparadoxon unergründlich.
Andy warf einen letzten Blick auf den See und verließ dann sein Boot. Für einen Moment stand er einfach nur da und drehte sich langsam im Kreis.
»Ich taufe dich auf den Namen Amerika.«
Dann verschwand er in den Dschungel.