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Kapitel 11

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Toronto, Kanada – Geschäftsviertel Bay Street

Chess Monroe schaute kurz über seine Schulter hinweg in Richtung von Mohammed Ibn Aziz, der gerade die Hauptstraße herunterkam. Er wurde von drei riesigen Kerlen begleitet, deren dunkle Anzüge ihre Muskelberge kaum im Zaum halten konnten. Einer lief vor ihm, die beiden anderen klebten praktisch an seinen Schultern.

Aziz war der Chefbuchhalter des Maghadam-Clans gewesen, einer Verbrecherfamilie, vor der er jetzt vom CSIS beschützt wurde, dem kanadischen Geheimdienst. Gerüchten zufolge war er geschnappt worden und hatte – mit einer langen Haftstrafe konfrontiert – die Seiten gewechselt. Im Tausch gegen Straffreiheit und eine neue Identität wollte er alles offenlegen, was er über die Familie wusste. Jetzt musste er nur noch bis zu seinem Gerichtstermin überleben.

Niemand sollte wissen, wo er sich momentan aufhielt, und dieser letzte Ausflug in die Öffentlichkeit diente nur dazu, Dokumente aus einem Schließfach zu holen, die die Köpfe der Familie hinter Gittern bringen würden. Der Staatsanwalt würde den Rest machen müssen.

Das Problem, wenn man sich mit dem organisierten Verbrechen anlegte, waren die enormen Ressourcen, die sie zur Verfügung hatten. Geld, Grundstücke, Unternehmen und Kontakte bis in die höchsten Sphären der Politik, und natürlich auch ein Netzwerk aus Helfern, die bis in die untersten Schichten, zu den Straßenkindern reichten. Daher gab es für jeden Spitzel wie Aziz einen Gegenspitzel, der seine eigene Mutter für ein bisschen Geld verraten würde.

Deshalb wussten die Maghadams bereits, dass Aziz geschnappt worden war, sie wussten, dass er sich gerade auf seine Aussage vorbereitete, und sie wussten auch von seinem Besuch bei der Bank. Wahrscheinlich waren sie schon wenige Minuten, nachdem der Plan überhaupt beschlossen worden war, darüber unterrichtet worden.

Die Bay Street in Toronto war um zwei Uhr nachmittags voller Leute. Die Kaffeeläden quollen praktisch über mit Geschäftsleuten, die ihre Meetings abhielten und über die Kollegen lästerten, während gestresste Einkäufer von einem Laden zum nächsten hetzten.

An einem der Tische draußen in der Sonne saßen zwei Männer und eine blonde Frau, die lachten und an ihren Kaffeetassen nippten. Die Frau lehnte sich gerade nach vorn, um ein Stück Kuchen mit ihrer Gabel zu zerteilen. Falls ein gut ausgebildeter Sicherheitsbeamter die Frau genauer unter die Lupe genommen hätte, wäre ihm sofort aufgefallen, dass sie trotz ihrer teuren Kleidung das Besteck wie ein Bauarbeiter hielt, und dass ihre Handknöchel geschwollen und voller Striemen waren.

Chess war einer der Männer, die mit ihr am Tisch saßen. Sie waren beide ebenfalls gut gekleidet, in Sportjacketts aus Baumwolle – das eine blau, das andere braun. Ihre Hemden waren frisch gebügelt und gestärkt, doch ihre Gesichter verrieten, dass sie ihr Geld eher mit Gewalttaten als mit Finanzgeschäften verdienten.

Zwei Blocks weiter, die Straße hinunter, parkte nun ein Lieferwagen langsam ein. Am Steuer saß eine dunkelhaarige Frau, die ein Headset im Ohr hatte und wartete. Im hinteren Bereich des Fahrzeugs befand sich ein Mann an der Schiebetür.

Als die Gruppe von Aziz näherkam, zählte einer der Männer im Café ihre Schritte mit und ließ dann die Kaffeetasse, die er vor seinen Mund hielt, ein Stückchen sinken.

»Jetzt.«

Der Mann mit dem blauen Jackett stand auf und ging auf die Gruppe um Aziz zu. Die beiden anderen Kaffeetrinker blieben ruhig sitzen, lachten und unterhielten sich scheinbar miteinander. Hinter ihren dunklen Brillen waren ihre Augen jedoch starr auf die Männer gerichtet, die sich ihnen näherten.

Ein Stück die Straße hinunter verlangsamte der Mann im blauen Jackett jetzt seine Schritte, als er den Anführer der Bodyguards fast erreicht hatte. Ganz leise sagte er: »Showtime.«

Aus seinem Ärmel rutschte nun ein fünfundzwanzig Zentimeter langer Stachel aus Stahl, der in einem rutschfesten Griff endete. Der Mann blieb stehen, wirbelte herum und warf sich dann nach vorne. Bevor sein Gegenüber überhaupt reagieren konnte, hatte er ihm das spitze Metallstück auch schon in den Hals gerammt.

Aziz klappte der Unterkiefer herunter, und verschreckt hob er die Hände vor sein Gesicht, wie ein kleines Kätzchen. Die beiden Wachen hinter ihm griffen nach ihren versteckten Pistolen, doch in diesem Moment standen auch schon der Mann und die Frau aus dem Café neben ihnen und schossen ihnen mit schallgedämpften Waffen in die Köpfe, was vom Geräusch her an hustende Kinder erinnerte.

Die drei Toten wurden jetzt vorsichtig an eine Backsteinmauer gelehnt, und als der Lieferwagen mit quietschenden Reifen neben ihnen hielt, wurde die Schiebetür aufgerissen. Aziz wurde gepackt und wie ein kleines Kind durch die offene Tür gehievt.

»Du hast eine Verabredung«, sagte Chess.

Der kleine Buchhalter wurde auf einen Sitz geschoben und das Trio folgte ihm. Auf der Straße hatte kaum jemand bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches im Gange war.

Hinten in dem Lieferwagen sammelten sich nun Tränen in Aziz Augen. »Werdet ihr mich töten?«

Chess schüttelte den Kopf. »Nein … wir liefern dich nur den Maghadams aus. Die werden dich dann töten.«

PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION

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